Es reicht! Gegen den Hass aus dem Netz

„Uns reicht es!“ schrieb der Ressortleiter Berlin/Brandenburg der „Berliner Zeitung“ den Leser_rinnen „In eigener Sache“. Am Tag darauf legte die Chefredakteurin nach und bezeichnete Gewaltandrohungen und Beleidigungen gegen Redakteure aus den sozialen Netzwerken als Angriff auf die Zivilisation, den man nicht hinnehme und auch juristisch dagegen vorgehe. In der Redaktion sei die Meinungsbildung dazu im Gange, erklärt Frederik Bombosch, Sprecher des Redaktionsausschusses.

Ressortleiter Arno Schupp hatte die Haltung des Blattes im Fall einer angeblich entführten 13-Jährigen aus Marzahn verteidigt und sich öffentlich vor den zuständigen Redakteur gestellt, der wegen sachlicher Berichterstattung mit Hasskommentaren via Twitter und Facebook überschüttet werde: „Immer wieder haben wir solche und ähnliche ‚Shitstorms’ über uns ergehen lassen. Jetzt reicht es. Wir werden gegen solche Nutzer auch künftig juristische Schritte einleiten“, schrieb Schupp. Es dürfe nicht sein, dass einige Internet-Kommentatoren mit Verleumdungen, Drohungen oder Beleidigungen die „Meinungs- und Deutungshoheit erlangen“.
Als „wichtiges Signal an uns selbst, aber auch nach außen“, sieht Redaktionsausschuss-Sprecher Bombosch dieses ungewöhnliche Statement. Bislang sei es eine individuelle Entscheidung der einzelnen Redakteur_innen, wie aktiv sie sich in den sozialen Netzwerken bewegen. Doch sei keine Waffengleichheit mehr gegeben, wenn Journalist_innen transparent mit ihrem Namen und oft auch Gesicht ihre Meinung kundtun, darauf aber im Extremfall mit anonymen persönlichen Gewaltdrohungen geantwortet werde. „Wir haben noch keine vollständige Antwort darauf gefunden, wie damit umzugehen ist, die Meinungsbildung läuft“, so Frederik Bombosch. Ein Weg sei es, Leute, die aggressiv Hasskommentare senden, aus der Anonymität ans Licht zu zerren. „Wir hoffen, dass uns die Öffentlichkeit dabei unterstützt, auch die Justiz“, so der Sprecher.
Das Internet habe auch den „rohen Teil unserer Gesellschaft zum Vorschein gebracht“, kommentiert heute Chefredakteurin Brigitte Fehrle in der „Berliner Zeitung“. Gegen dieses Böse müsse man vorgehen. „Verbale Gewalt ist Gewalt und damit strafbar, und deshalb nehmen wir sie ernst. Wann immer strafrechtlich Relevantes auftaucht, erstatten wir Anzeige“, schreibt sie.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »