Fair Radio

Wer das Radio einschaltet, glaubt Authentisches zu hören. Mitunter klafft jedoch eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Oft wird etwas vorgegaukelt! Die Fair Radio Initiative sammelt Beispiele.

Die Deutsche Bahn AG schickte über den Werbezeitenvermarkter RMS einen Brief mit genauen Angaben an die Sender, wie denn eine positive Bahn-Berichterstattung auszusehen habe, wenn man das Angebot des Vermarkters für die Schaltung von Werbung im Radio annehme. Wie „unsere Mitkämpfer“ blogmedien.de auflisten folgte zum Beispiel der Kommerzradiosender Radio Hamburg mit Freude. Ein Moderator schilderte eine Fahrt mit dem Autozug nach Bozen und bedankte sich dann für den tollen Bahn-Service. Ob er eine Bahncard 100 1.Klasse dafür bekommen hat oder gar ein Sender-Zubrot für zukünftige Bahnfahrten ist nicht bekannt.
Das ist leider wahrscheinlich nicht das letzte Beispiel aus einer langen Liste, die Fair Radio bereits den Landesmedienanstalten gemeldet hat. Eigentlich sollten sich Journalisten auch in den Privatradios noch erinnern: Da steht doch tatsächlich diese Forderung nach Trennung zwischen Werbung und redaktionellen Beiträgen in den Landesmediengesetzen. Wie kann es dann aber sein, das offensichtlich Sender tun und lassen können, was sie wollen, ohne große Konsequenzen von den Landesmedienanstalten zu „fürchten“? Könnte es daran liegen, dass die Aufsichtsinstanzen lieber aufs Fernsehen schauen und die Radios, die sie auch kontrollieren sollen, ein bisschen vergessen haben?
Fair Radio hatte viele Fälle von werbenden redaktionellen Beiträgen – mit O-Tönen und genauen Sendeangaben – zur Prüfung an die zuständigen Landesmedienanstalten gemeldet. Es dauerte Monate. Die Reaktion auf eine Nachfrage: Ja doch, man habe tatsächlich die Sender darauf hingewiesen, auf die Richtlinien zu achten und man habe auch zwei bayerische Sender abgemahnt. Genaueres war nicht zu erfahren, weshalb zu vermuten ist: Das alles geschah irgendwie mehr „under cover“. Fair Radio Mit-Koordinatorin Sandra Müller hat jetzt eine Initiative gestartet, die alle Landesmedienanstalten aufwecken soll und – wir sind davon überzeugt – aufwecken wird. Alle Anstalten wurden gefragt, wie sie mit Radio-Beschwerden umgehen, wie viele Beschwerden es gegeben hat, wie diese intern bearbeitet werden und welche Konsequenzen denn die Radios von ihnen zu erwarten haben? Erste Antworten sprechen für sich. Mal werden Beschwerden und Rügen für jeden nachlesbar veröffentlicht, dann wieder nur intern an die Sender geschickt, mal gibt es viele Beschwerden von Hörern, dann wieder nicht. Fazit: Es ist dringend an der Zeit, das „Radio-Transparenz“ in die Landesmedienanstalten einzieht.
  Seiwert-Fauti 

Weitere aktuelle Beiträge

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »

Medienkompetenz: Von Finnland lernen

Finnland ist besonders gut darin, seine Bevölkerung gegen Desinformation und Fake News zu wappnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schulen, aber die Strategie des Landes geht weit über den Unterricht hinaus. Denn Medienbildung ist in Finnland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf vielen Ebenen in den Alltag integriert ist und alle Altersgruppen anspricht. Politiker*innen in Deutschland fordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Kann das gelingen?
mehr »

Beim Tatort selbst ermitteln

Ein Zocker sei er nicht. So sagte es Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks (SWR), als er im August vorigen Jahres auf der Gamescom in Köln zu Gast war. Am ARD-Stand hat sich der damalige Vorsitzende des Senderverbunds dennoch zum Zocken eingefunden, zu sehen auch im Stream auf der Gaming-Plattform Twitch. Erstmals hatte die ARD einen eigenen Auftritt auf der weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele – ein deutliches Signal, dass die ARD auch auf Games setzt. Und das hat maßgeblich mit dem SWR zu tun.
mehr »

Europäische Serien werden erfolgreicher

Das Festival Series Mania bietet alljährlich einen internationalen Überblick der kommenden TV-Serienhighlights, wenn rund 5000 Branchenprofis aus 75 Ländern zusammenkommen. Auch in diesem Jahr feierten zahlreiche Produktionen mit ungewöhnliche Themen Premiere. US-Amerikanische Serien waren diesmal kaum vertreten. Das hat politische Gründe.
mehr »