Felix Arabia

dju zu Gast bei jemenitischen Journalisten und Politikern

Erst war die dju da, dann kam Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Besuch in die Republik Jemen. Eine 14köpfige Delegation mit Dr. Wolfgang Mayer an der Spitze machte sich am 19. März für zehn Tage via Frankfurt auf nach Sanaa, in die Hauptstadt des für viele unbekannten Landes, das aufgrund seines kulturellen und landschaftlichen Reichtums auch Felix Arabia, glückliches Arabien, genannt wird.

Die Liste offizieller Termine der Journalistinnen und Journalisten aus Deutschland reichte von Premierminister Abdulkader A. Ba-Jammal über den Außenminister Dr. Abubakr Abdullah Al-Qirbi bis hin zur beeindruckenden Ministerin für Menschenrechte, Amat Al-Alim Al-Soswa, der ersten und einzigen Frau im jemenitischen Kabinett. Gepflegt und intensiviert wurden die Kontakte zum jemenitischen Journalisten-Syndicat Y.J.S. . In einem ersten Workshop referierte die dju-Bundesgeschäftsführerin Ulrike Maercks-Franzen über die Arbeit der dju und die Geschichte der Journalistengewerkschaft. Sie schilderte dabei das für die jemenitischen Kollegen verblüffend ausdifferenzierte Tarif- und Vergütungssystem in der deutschen Medienbranche. Am Beispiel der Arbeit des deutschen Presserats skizzierte der dju-Vorsitzende Manfred Protze die Selbstregulierung der deutschen Presse.

In kleinerer Runde wurde darüber nachgedacht, wie auch für die jemenitischen Kollegen in naher oder fernerer Zukunft der Abschluß eines Tarifvertrages möglich sein könne. Allerdings sind die Eigentumsverhältnisse in Jemen von denen in Deutschland sehr verschieden. Die Chefredakteure treten meist auch als Verleger auf, die eigentlichen Kapitalgeber halten sich eher im Hintergrund. Zudem sind 600 der 1000 im Y.J.S. organisierten Kollegen bei der Regierung beschäftigt, da die meisten Zeitungen im Jemen noch vom Staat herausgegeben werden, der auch den Y.J.S. mit Zuwendungen finanziert.

Gegenbesuch vereinbart

Mit dem Vorsitzenden der Y.J.S., Mahboob Ali, der die dju eingeladen hatte, wurde vereinbart, dass zehn jemenitische Kollegen zu einer 14tägigen Hospitanz nach Deutschland kommen werden. Sie wollen Erfahrungen über die journalistische Professionalisierung sammeln. Geregelte Ausbildungswege für Journalisten im Jemen gibt es derzeit noch nicht.

Zum intensiven kollegialen Dialog gerieten die zahlreichen Redaktionsbesuche. Eingeladen hatten nicht nur die beiden englischsprachigen Zeitungen Yemen Times und Yemen Observer, auch die Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Saba und die größte Zeitung im Jemen, Al Thawra wollten die deutschen Kollegen kennenlernen. Wie ein roter Faden zog sich dabei das Thema „Pressefreiheit im Jemen“ durch die Gespräche. Zwar hat die jemenitische Regierung ein für arabische Verhältnisse recht fortschrittliches Pressegesetz verabschiedet. In der Praxis müssen sich jedoch Kollegen immer wieder vor Gericht verantworten, weil sie etwa den mächtigen Nachbarstaat Saudi-Arabien kritisiert haben oder mit ihrer Berichterstattung angeblich für „instabile Verhältnisse“ gesorgt haben sollen. Prominentester Fall ist der von Abdelkarim al-Khaiwani, der das Oppositionsblatt „Al-Shoura“ herausgibt. Er sitzt seit September 2004 in Sanaa im Gefängnis. Auch zahlreiche internationale Proteste haben bislang nicht für seine Freilassung sorgen können.

Auf einer Studenten-Demonstration, zu der der Studiengang für Massenkommunikation aufgerufen hatte, machte Manfred Protze deutlich, wofür die dju steht. Er forderte die Regierung der Republik Jemen auf, die Pressefreiheit ohne Einschränkungen zu gewährleisten. „Wer Meinungen und Berichte kriminalisiert, die unerwünscht sind, verlässt die globale kulturelle Plattform der Menschenrechte. Er praktiziert faktisch Zensur. Mit der Inhaftierung von Journalisten wegen ihrer Veröffentlichungen wird zugleich Druck auf alle Journalisten in Richtung einer Selbstzensur ausgeübt. Dies ist unerträglich“, sagte Protze begleitet vom Beifall der Studierenden.

Ein weiteres zentrales Thema der Reise war die Rolle der jemenitischen Frau in der Gesellschaft und in den Medien. Immer mehr junge Jeminitinnen drängen in die Medien. Aufgrund der traditionellen Rollenverteilung in islamischen Gesellschaften sind sie aber in ihrer Berufsausübung bei Reportagen etwa immer wieder behindert, werden von Männern als Gesprächspartner nicht akzeptiert. Aber auch hier ist vieles in einem langsamen Wandel begriffen. Als ein Beleg für diese These mag die aktuelle Einrichtung eines technisch topp ausgerüsteten „Femen bemale meide forums“ gelten, in dem die 360 Medienarbeiterinnen Jemens aus- und weitergebildet werden.

Großes Presseecho

Nur am Rande sei hier erwähnt, dass die Berichterstattung in den jemenitischen Medien über den Besuch der Journalistengruppe („this was a delegation of media people at the top of their profession“, urteilte euphemistisch der Yemen Observer) so ausführlich geriet, dass etwa beim Besuch des legendären Altstadtmarktes Suk immer wieder Hände von Unbekannten geschüttelt werden mußten (Hey arent you one of these german Journalists?).

Nach einem dreitägigen Abstecher in die faszinierende Wüstenlandschaft Hadhramaut endete die eindrucksvolle Reise mit einem Abendessen mit kulturellen Darbietungen vor der unvergleichlichen Kulisse der Altstadt Sanaas, zu dem der Kultusminister Khalid Al-Rowishan eingeladen hatte.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »

Die Medienwende nach dem Mauerfall

35 Jahre nach dem Mauerfall bietet die Medienlandschaft im Osten Deutschlands ein zwiespältiges Bild. Nach wie vor verlieren die von westdeutschen Großverlagen kontrollierten ehemaligen DDR-Traditionstitel überdurchschnittlich an Auflage und Anzeigenvolumen. Der aufgelöste staatliche DDR-Rundfunk ist nach anfänglichem Hickhack erfolgreich in ARD und ZDF integriert. Gescheitert ist indes früh der Traum der Ex-Bürgerrechtler von einem „Dritten“ Medienweg.
mehr »