Fotos online – Chancen und Risiken oder Fotoklau per Mausklick

Profifotograf Paul Glaser empfiehlt: Nicht auf alles einlassen, lernen und flexibel sein

Paul Glaser ist seit 25 Jahren freier Fotograf. Seine Themen sind vor allem Politik, Jugend sowie die Entwicklung der Städte und Kommunen. Mit seinen Bildern beliefert er etwa 100 Zeitungen und Zeitschriften. Seit 5 Jahren erledigt er keine tagesaktuellen Aufträge mehr. 1985 begann Paul Glaser, seine Bilder per Computer zu archivieren.


„Der Markt kennt keine Regeln. Im Vordergrund steht die Vermarktung, nicht die Qualität der Bilder.“

„Freie Fotografen sollten sich im Internet-Zeitalter genau ansehen, mit wem sie Geschäfte machen.“

„Das Wichtigste ist Fortbildung“

„Freie müssen mehr als bisher unternehmerisch denken“

Paul Glaser


Die ersten Programme schrieb er selbst. Herkömmliche Kamera und Digitalkamera, Scanner und Computer sind seine Arbeitsmittel. Fotos gehen vor allem online an die Redaktionen. „M“ sprach mit Paul Glaser über die Auswirkungen der technischen Entwicklung auf die Arbeit von freien Fotografen.

Fotografen mit klassischer Ausrüstung und eigener Dunkelkammer sind offenbar eine aussterbende Zunft. Gehört die Zukunft nur der High Tech?

Glaser: Einmal davon abgesehen, dass schon heute nur noch wenige Fotografen ihre Bilder selbst entwickeln, werden Professionelle auch die herkömmliche Fotokamera nicht so schnell aus der Hand legen können. Wir befinden uns in einer Übergangszeit. Die technische Entwicklung ist dabei, den gesamten Markt umzukrempeln. Und dieser Markt kennt keine Regeln. Im Vordergrund steht die Vermarktung, nicht die Qualität der Bilder. Das führt zum Beispiel dazu, dass heutzutage oft schlechte Fotos oder Klischeebildchen aus dem Internet heruntergeladen werden, anstatt sich um gute zu bemühen. Diese Handhabung hat auch mir zeitweilig Umsatzeinbußen gebracht.

Dennoch blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Eine neue Generation von Bildredakteuren wächst heran, die mit dem Computer und damit mit dem dort offerierten Angebot umgehen kann. Die Publikationen werden wieder andere Maßstäbe setzen. Es werden wieder mehr Hintergrundinformationen gefragt sein, auch durch das Foto. Wer das Besondere will, muss auch künftig seine Fotografen pflegen.

Offenbar kommen viele Redaktionen mit der rasanten Entwicklung selbst nicht klar?

Hier gibt es vor allem ein Problem, das von den Verlagen unterschätzt wird. Die Redaktionen erhalten aktuell digitale Fotos, aber sie verfügen über keine modernen Bildarchive. Die Fotos werden geliefert. Danach verschwinden die gedruckten Bilder mit weiteren gelieferten Motiven in den Weiten des Computeruniversums oder werden nach einem gewissen, mitunter sehr kurzen Zeitraum, gelöscht. Dabei passen auf CDs oder Server Hunderte Fotos und das ganz einfach per Mausklick.

Ein freier Fotograf kann sich oft keine Digitalkamera oder einen hochwertigen Scanner leisten. Wird nicht aber zunehmend verlangt, digital zu fotografieren?

Ja, und das meist ohne finanziellen Zuschlag oder schon gar nicht mit finanzieller Unterstützung für eine teure Digitalkamera. Hier müssen besonders freie Fotografen sehr genau auf die vom Auftraggeber angebotenen Konditionen achten. Leider geben Fotografen häufig ihre Bilder mit allen Rechten ab. Das wird durch die digitale Fotografie zunehmen, befürchte ich. Es gibt Agenturen, die Filme mit allen Rechten abkaufen. Dazu behalten sie 60 Prozent des Honorars ein. Die Krönung ist dann, dass eine solche Agentur digital hergestellte Fotos zu den gleichen schlechten Bedingungen verlangt.

Auf der einen Seite werden Investitionen verlangt, auf der anderen Seite sinken die Honorare. Ist das der einzige Wildwuchs?

Nein. Verlage und Agenturen bieten mitunter recht unverfroren Knebelverträge für eine Mehrfachnutzung von Bildern zum einmaligen Honorar an. Darauf sollte man sich nicht einlassen. Außerdem sollte sich freie Fotografen im Internetzeitalter genau ansehen, mit wem sie Geschäfte machen. Diejenigen, die einen mit Hilfe des neuen Mediums über den Tisch ziehen wollen, sollten nicht mehr beliefert werden. Wird jemand erwischt, ein Foto ohne Bezahlung genutzt zu haben, heißt es: Leinen kappen.

Wächst sich nicht gerade durch die neuen Medien die Wahrung der Urheberrechte zu einer immer größeren Grauzone aus?

Auch das kennzeichnet diese derzeitige Übergangphase. Ich biete alle meine Bilder online an oder über thematische CDs, die an die Redaktionen versandt werden. Die Kontrolle der Nutzung ist schwierig und damit das Risiko groß, nicht jedes verwendete Foto bezahlt zu bekommen. Aber Sicherungsprogramme sind teuer und einen allgemein gültigen Standard zur fälschungssicheren Bildkennzeichnung gibt es noch nicht. Umso mehr sollten Verstöße konsequent geahndet werden. Wichtig ist zudem für den Urheber, den Zweck und die Nutzung des Bildangebots an die Redaktion klar zu definieren. Eine Zweitnutzung wie bei Jahrgangs CD-ROMs von Zeitungen und Zeitschriften wird ohne Absprache und Honorierung untersagt.

Also reicht das bisherige Urheberrecht nicht aus?

Die Urheberrechtsgesetze müssen der neuen Zeit angepasst werden. Letztlich werden die Hard- und Software-Hersteller entscheidend sein. Der notwendige juristische Weg wird lange Zeit in Anspruch nehmen, auch mit Blick auf internationales Recht. Unklar ist nach wie vor die Definition des Internets – etwa als eigenes Medium. Wie wird mit Fotomanipulationen oder Fotomontagen am Computer umgegangen und viele andere Fragen sind offen.

Wer künftig auf dem Markt bestehen will, muss sich also der digitalen Fotografie zuwenden?

… und damit seine gesamte Arbeitsweise verändern. Mit der neuen Computertechnik verlagern sich auch für den Fotografen die Arbeiten. Er muss lernen, ganz anders zu fotografieren und die Weiterverarbeitung am Computer beherrschen. Es ist einfach eine ganz andere Produktionsmethode. Viele Arbeitsgänge wie die Kontrast- oder Farbeinstellung erfolgen bereits mit der Digitalkamera. Die Vorteile der digitalen Fotografie sind enorm. Dennoch macht ein Fotograf mit schlechter Vorbildung auch mit der Digitalkamera keine guten Bilder. Die Farbtheorie sollte man kennen und Pixel sollte kein Fremdwort sein.

Dennoch sind die hohen Investitionen in neue Technik besonders für Freie eine große Hemmschwelle…

Das Wichtigste ist Fortbildung. Auch wenn man sich die neue Technik nicht sofort leisten kann. Durch Wissen kann man einen Informationsvorsprung erlangen. Die optischen Grundsätze haben sich nicht verändert, dagegen die Weiterverarbeitung und Vermarktung völlig. In die Computertechnik lohnt es sich, Geld zu investieren. Auf jeden Fall sollte man Computerzeitschriften lesen, die neuesten Informationen der Branche wahrnehmen bis hin zu Seminaren und Veranstaltungen, die Firmen anbieten.

Was ändert sich bei der Vermarktung?

Freie müssen mehr als bisher unternehmerisch denken. Sie sind Dienstleister, die selbstständig arbeiten und flexibel sein müssen. Stoff gibt es genug. Es gilt ein Gespür für Themen und für Marktlücken zu entwickeln. Besonders bei jungen Fotografen und bei Berufsanfängern fehlen Konzepte. Da hilft mit Leuten reden, die sich auskennen, auch mit den Redakteuren in den Zeitungsredaktionen. Mit ihnen hat der Freie schließlich gemeinsame Interessen. Die eigenen Bilder und Themen sollten immer wieder aktualisiert werden. Der Vergleich alt und neu ist gefragt und außerdem interessant. Sorgfältige Archivierung der eigenen Arbeiten ist daher bares Geld. Sie wird mit der neuen Technik immer wichtiger und aufgrund moderner Programme auch einfacher. Ich habe allein 1,2 Millionen Negative in meinem Archiv. Ein Prozent davon ist bis heute immer noch verwertbar.

Was erwartetst Du von den Gewerkschaften während dieser rasanten Entwicklung?

Gewerkschaften und andere Interessenvertreter sind aufgerufen, die Normen für den Markt mit zu entwickeln. Sie sollten Musterprozesse zum Beispiel in Urheberrechtsfragen führen. Die Gewerkschaften müssen mehr Dienstleistungen anbieten wie Seminare und Schulungen. Konkrete Beratungen über Versicherungen und Vertragsgestaltung sind notwendig. Und soweit nichts anderes festgelegt ist, sollte mindestens auf die Anregungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto verwiesen werden. Leider hat es den Anschein, dass beispielsweise in der IG Medien das technische Wissen noch etwas unterbelichtet ist. Ich denke, das muss sich ändern, um die technische Entwicklung und ihre Folgen verstehen und beeinflussen zu können.


  • Das Gespräch führte Karin Wenk
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Riesa: Einschränkung der Pressefreiheit

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beobachtete am vergangenen Samstag die Demonstrationen in Riesa rund um den AfD-Parteitag. Ziel der Beobachtung war der Schutz der Presse- und Berichterstattungsfreiheit sowie der Aufdeckung potenzieller Gefährdungen für Journalist*innen. Insgesamt mehr als sieben Stunden war die dju während der zahlreichen Demonstrationen vor Ort. Die Gewerkschaft übt nun insbesondere gegenüber der Polizei Kritik am Umgang mit Journalist*innen und an der Einschränkungen der Pressefreiheit während des Einsatzes.
mehr »

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »

Die Entstehung des ÖRR in Deutschland

Im Jahr 1945 strahlten die deutschen Radiosender Programme der Militärregierungen aus. Zum Beispiel Norddeutschland. Dort hatte der nationalsozialistische Reichssender Hamburg am 3. Mai seine Tätigkeit eingestellt. Nur wenige Stunden später besetzten britische Soldaten das Funkhaus und schon am 4. Mai erklang eine neue Ansage: „This is Radio Hamburg, a station of the Allied Military Government.”
mehr »

KI sitzt am Redaktionstisch

Erst vor wenigen Jahren hat ein Großteil der Menschen überhaupt erfahren, was Künstliche Intelligenz (KI) in der Praxis bedeutet. Genauer gesagt: Viele Menschen haben mit ChatGPT einen ersten Eindruck davon bekommen, wie Maschinen Texte formulieren, Prüfungsaufgaben in Sekundenbruchteilen lösen oder umfangreiche Artikel in wenigen Sekunden auf wesentliche Inhalte zusammenfassen. Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zieht die generative KI seitdem ein.
mehr »