Er hat einen guten Job. Verreist viel und auch sonst mangelt es ihm an nichts. Doch der Cross-Media-Manager hat erstmal einen Schlussstrich unter sein Sorglosleben gezogen. Ostersonntag zieht Sven Weiss für ein Jahr nach Griechenland in ein Flüchtlingscamp, um aktiv mit anzupacken in der Flüchtlingshilfe. Sein Arbeitgeber, der Axel-Springer-Verlag, begrüßt dieses Engagement. „Ich wurde beurlaubt. Niemand hatte etwas dagegen. Im Gegenteil“, erzählt der Düsseldorfer.
Sven Weiss sagt, er folge seinem inneren Impuls. Er erfülle sich einen Herzenswunsch, Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak zu helfen. „Ich wäre auch bereit gewesen, dafür zu kündigen“, erinnert er seine Unsicherheit bezüglich der Reaktion seines Arbeitgebers. Aber es kam ganz anders als erwartet. „Alle waren begeistert. Nicht nur die Kollegen, sondern auch die Personalabteilung“. Man habe ihn ermutigt und ihm dieses mit auf den Weg gegeben: „Solche Mitarbeiter wie sie brauchen wir.“ Sven Weiss ist Crossmedia-Manager bei Axel Springer (Bild und Die Welt) in Essen. Seine letzten Arbeitstage für dieses Jahr kann er an zwei Händen abzählen.
„Ehrenamtliches und soziales Engagement hat bei Axel Springer eine lange Tradition“, teilt der Verlag mit, der seit 1978 mit seiner Hilfs-Organisation Bild hilft e.V. – „Ein Herz für Kinder“ über 271 Millionen Euro Spenden für Kinder und Familien in Not gesammelt hat. Dass Sven Weiss keine Ausnahme im Haus ist und dass sich freiwilliges soziales Engagement auch mit der Arbeitszeit verbinden lässt, unterstreicht der Verlag. Beispiele hierfür seien Aktionstage in einzelnen Bereichen und aktuell die Deutschkurse für Geflüchtete in Berlin. „2017 möchten wir ehrenamtliche Tätigkeiten noch stärker fördern und strukturieren. Ziel ist es, ausgewählte Projekte auf einer für alle zugänglichen Plattform anzubieten. Damit möchten wir langfristige Kooperationen eingehen und eine höhere Nachhaltigkeit in den Projekten sichern“, heißt es aus der Konzernzentrale.
Weiss, der gelernte Medien-Kaufmann, kann es manchmal selbst nicht glauben, dass er wirklich den Mut besitzt, aus seinem Ist-Leben im Luxus auszusteigen und auf sein festes Einkommen zu verzichten. Doch mit seiner freiwilligen Auszeit möchte er vor allem bewirken, dass die Gesellschaft die Menschen nicht vergisst, die ihre Heimat verlassen haben, weil dort Krieg, Verfolgung und Elend das Leben unerträglich machten. „Doch auch in den Flüchtlingscamps in Griechenland ist das Leben für viele unerträglich. Die Menschen leiden.“ Sein Entschluss ist lange gereift. So arbeitet der 30Jährige schon seit Monaten nach Feierabend in der Flüchtlingshilfe in Düsseldorf. Hilft in der Kleiderkammer, gibt Deutschunterricht, macht Bewerbungscoachings. Längst hat er Freundschaften mit Flüchtlingen geschlossen. Fremde Kulturen sind ihm vertraut. Er reist viel. Er hat in fremden Ländern Hilfe und Gastfreundschaft erfahren. Seine Überzeugung, „Gesellschaft funktioniert nur durch ein Miteinander“, führte zum Entschluss: „Ich habe alles. Ich möchte etwas zurückgeben.“
„Es wird eine emotionale Herausforderung“, vermutet er. Weiss wird sich dort niederlassen, wo jene Tausende Flüchtlinge nach der Räumung des Lagers Idomeni gelandet sind. Rund 30 Kilometer von Thessaloniki entfernt, wo viele Flüchtlinge zum Teil in Zeltstätten unter katastrophalen humanitären Bedingungen leben. Dort hat er in einem für geflüchtete Syrer umfunktionierten Studentenwohnheim ein zwölf Quadratmeter großes Zimmer gemietet. „Nur mit Freiwilligen kann man dort was ausrichten. Es gibt ausreichend Sachspenden oder Lebensmittel. Er gibt aber kaum Menschen, die bei der Verteilung helfen.“ Der Düsseldorfer weiß, wovon er spricht. Er war vor Ort in Thessaloniki und sprachlos.
„Unzählige Zelte, nur durch eine Nummer voneinander zu unterscheiden, stehen in einer alten Lagerhalle mitten im Nirgendwo, etliche Kilometer vom Stadtzentrum entfernt“, schildert er seine Eindrücke von seinem Besuch Ende Januar. Der Medienkaufmann gründete schließlich die Initiative „Helping Hands 4 Greece“. Sie soll dazu beitragen, nicht nur über die Situation aufzuklären und über das, was er dort tun wird. Die Initiative soll ihn auch bei der Finanzierung unterstützen. Weiss schreibt einen Blog, zudem können ihm Interessierte auf seiner Facebook-Seite folgen.
Seine Party zum 30. Geburtstag nutzte er dazu, Geld zu sammeln. Schließlich ist er auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Damit er seine ganze Kraft in die Hilfe vor Ort investieren kann, möchte er mit mindestens 12.000 Euro auf dem Konto nach Griechenland reisen. „Von diesem Geld muss ich alles finanzieren: Unterkunft, Lebensmittel, Sprachkursus und Auto.“
Sein Engagement kommt leider nicht bei allen Menschen gut an. In den sozialen Netzwerken erhält er nicht nur Lob. „Leider gibt es auch Hasskommentare. Aber ich lasse mich nicht beirren“, sagt der engagierte Mann. Ostern geht sein Flieger.