G20 in Hamburg: Steine fliegen auf Fotografen, Kamerateams geraten unter den Beschuss von Tränengas, mehreren Journalisten werden die Akkreditierungen entzogen und Einsatzkräfte erklären Kolleginnen und Kollegen, so wird uns berichtet, „Mit Pressefreiheit ist jetzt Schluss.“ Das erschreckt. Und zeigt uns deutlicher als je zuvor, dass auch hierzulande die Pressefreiheit täglich neu erkämpft werden muss.
In den vergangenen Tagen gerieten Journalistinnen und Journalisten gleich von zwei Seiten massiv unter Druck: Von staatlichen Einsatzkräften, die entweder nicht willens oder aber nicht in der Lage waren, die in Artikel 5 des Grundgesetzes verankerte Presse- und Informationsfreiheit zu respektieren und durchzusetzen, aber auch von Randalierer_innen und gewalttätigen Demonstrant_innen, die Flaschen und Steine auf Reporter_innen, Fotograf_innen und TV-Teams warfen. In den Tagen von Hamburg drängte sich wiederholt der Verdacht auf, dass weder vermummte Demonstrant_innen noch die Polizei von den Journalistinnen und Journalisten beobachtet werden wollten.
G20 wird uns deshalb auch als gewalttätige Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über gesellschaftliche Konflikte in bitterer Erinnerung bleiben. Zum Glück war das ein Grund mehr für die Kolleginnen und Kollegen, ganz genau hinzuschauen. So hat die Öffentlichkeit ein differenziertes Bild bekommen von den Ereignissen rund um G20 und kann sich damit ein Urteil bilden, von dem derzeit noch nicht absehbar ist, wie es ausfällt.
Schon jetzt steht allerdings fest, dass der Artikel 5, die Pressefreiheit, unter keinen Umständen außer Kraft gesetzt werden darf. Er lautet: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Und deswegen ist jede Einschränkung von Berichterstattung inakzeptabel, egal, ob es gute oder schlechte, willfährige oder unliebsame Berichterstattung ist. Natürlich ist der Frust vieler Polizeibeamt_innen über einen völlig aus dem Ruder gelaufenen Einsatz, über falsche Entscheidungen der politischen Führung und der Einsatzleitung sowie über sinnlose Gewalt von Straftäter_innen verständlich. Frustration darf aber nicht dazu führen, dass grundlegende Prinzipien unseres Rechtsstaates willkürlich außer Kraft gesetzt werden. „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe“ – dieser Satz findet sich auf der Rückseite des bundeseinheitlichen Presseausweises. Er verpflichtet jeden einzelnen Polizeibeamten, das Recht auf freie und ungehinderte Berichterstattung zu respektieren. Professionelle Journalistinnen und Journalisten machen ihre Arbeit im öffentlichen Interesse und nicht aus Selbstzweck. Dieses Wissen darf auch in der Hektik eines Polizeieinsatzes nicht in Vergessenheit geraten!
Dass Journalistinnen und Journalisten in einer demokratischen Gesellschaft eine unverzichtbare Funktion erfüllen, muss man aber offensichtlich auch den Verantwortlichen von Bundeskriminalamt und Bundespresseamt einmal mehr in Erinnerung rufen. Sie haben Berichterstattern wiederholt eine bereits erteilte Akkreditierung entzogen und ihnen so den Zugang zum internationalen Medienzentrum des G20-Gipfels verweigert. Auch solche willkürlichen Akte sind mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar, zumal wenn sie mit Worthülsen wie dem lapidaren Hinweis, es gebe „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ gerechtfertigt werden. Tatsächlich drängt sich eher der Eindruck auf, dass unliebsame Berichterstattung unterbunden werden soll. Deswegen lässt die dju in ver.di dieses Vorgehen, das auch datenschutzrechtliche Fragen aufwirft, nun gerichtlich klären – im Sinne der betroffenen Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber auch im Sinne unserer Demokratie.