„Die Zukunft des Journalismus schaffen nicht die Verleger. Die Zukunftskonzepte müssen von den Journalistinnen und Journalisten kommen“, forderte ver.di-Vize Frank Wernecke schon in seiner Begrüßung. Dass sie ohne Leserinnen, Hörer und Zuschauerinnen als Verbündete nichts fruchten, blitzte später in der Debatte mehrfach auf. Doch die Tragweite der Aufgabe war früh umrissen.
Der 27. Journalistentag der dju in ver.di am 30. November 2014 lockte 240 Medienschaffende zum Mitdenken und Diskutieren unter dem Motto: „Genug gejammert – Zukunft jetzt!“
„Guter Journalismus und engagierte Journalistinnen und Journalisten stehen heute in vieler Beziehung unter Druck“, betonte Frank Werneke. Doch belasse es die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di nicht beim „Bejammern der Zustände“, sondern organisiere Widerstand. Die vielfältigen Angriffe auf den Beruf, auf die Arbeits- und Einkommensbedingungen forderten notwendig Gegenwehr. Denn die aktuellen Reorganisationsprogramme in fast allen großen deutschen Verlagshäusern entpuppten sich „als phantasielose Sparprogramme“. Die Bildung von Zentralredaktionen und das „Abstreifen von Tarifschutz“ seien die bevorzugten Konzepte zur Sicherung von Umsatzrenditen. Neue Ideen fänden sich dagegen nur selten. Eigene Vorschläge der Medienmacher jenseits bisheriger Vermarktungsmodelle seien deshalb gefragt und bedeuteten Widerstand.
Journalismus ist keine Ramschware
„Olle Kamellen des Kürzens und Streichens“ beherrschten die Verlegerstrategie im aktuellen Tarifkonflikt für die Tageszeitungsredakteure. Abenteuerlicherweise würden sie jedoch als „Tarifwerk der Zukunft“ verkauft. Urlaubstage sollen gestrichen, Berufsjahre nicht anerkannt, am Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekürzt sowie eine Niedriglohngruppe für junge Einsteiger geschaffen werden. Das aktuelle Gehaltsangebot läge bei 1,4 Prozent Steigerung bis Ende 2016. Im Zuge des geplanten Regionalisierungskonzepts sollen allerdings Schleswig-Holstein und Niedersachsen, der Osten Deutschlands, Nordhessen und das Ruhrgebiet völlig leer ausgehen. Da Tageszeitungsredakteurinnen und -redakteure sowie Freie diejenige Berufsgruppe „mit der schlechtesten Gehaltsentwicklung“ in Deutschland seien, sah Werneke in dem „Angebot eine Frechheit“. ver.di wolle zwar einen neuen Tarifvertrag, werde aber kein „Minusgeschäft“ für die Beschäftigten abschließen. Dann werde man den alten Tarifvertrag eher „einige Zeit in der Nachwirkung lassen“. Er erinnerte daran, dass diesem Fall nur noch Gewerkschaftsmitglieder vom Tarif profitieren würden, die bis zum 31. Dezember in ver.di eingetreten sind. „Der Countdown läuft“!
„Journalismus ist keine Ramschware, und Qualität kostet Geld“, bekräftigte Werneke. Journalisten müssten angemessen, fair bezahlt und an der Gehaltsentwicklung beteiligt werden. „Wir sind keine Bittsteller“, bekräftigte er. Die Zukunft des Journalismus könne „nicht allein den wirtschaftlichen Fähigkeiten der Verlagsmanager“ überlassen werden. Es gelte, neue Wege der Finanzierung, auch der Förderung des Journalismus zu debattieren: „Nur wer wagt, wird bestehen.“
Kostensenkung mit panischen Zügen
Wie die aktuellen Geschäftsmodelle aussehen und was die Verleger wirklich wollen, analysierte Volkswirt Thomas Meyer-Fries aus München unter der Prämisse „Geld ist genug da“. „Noch“, ergänzte er einführend. Dass Medienunternehmen „Geld verdienen“ wollen, sei unstrittig. Doch würden – das zeige etwa der Springer-Funke-Deal – dazu unterschiedliche Wege gesehen. Die wirtschaftliche Lage zu analysieren sei wegen der mit dem Tendenzschutz begründbaren „zurückhaltenden Informationspolitik“ der Verlagshäuser schwierig. Von der Axel Springer AG sei bekannt, dass zuletzt 25 Prozent Umsatzrendite nach Steuern erzielt wurden. Freilich ginge es nicht allen so gut. Durchschnittlich bewegten sich die ausgewiesenen Renditen der Verlagshäuser zwischen zwei und sieben Prozent jährlich und damit im „noch auskömmlichen“ Bereich.
Die vielbeschworene Krise der Branche liege wohl eher in Entwicklungstendenzen wie in der Tatsache, dass den Zeitungen die Kunden wegsterben. Gesamtauflagenrückgänge von 30 auf 20 Millionen seit dem Jahr 2000 verdeutlichten einen Trend, der schon in den 1990er Jahren einsetzte und durch das Internet „verstärkt, aber nicht verursacht“ werde. Auch der Anteil der Werbeeinnahmen sei – bei Hörfunk und Fernsehen einigermaßen konstant – im Printbereich von 26 Prozent im Jahr 2000 auf jetzt 17 Prozent gesunken. Da die Werbeausgaben zudem insgesamt rückläufig seien, handele es sich um „einen sinkenden Anteil an einem schrumpfenden Kuchen“. Wenn Vertriebsumsätze trotzdem steigen, dann nur, weil es immer noch gelinge, regelmäßige Preiserhöhungen bei Verlagsprodukten durchzusetzen. Die Renditeerwartungen der Verlage orientierten sich jedoch an den Maßstäben der 90er Jahre und würden deshalb zumeist enttäuscht. Gleiches gelte für Verkaufserlöse bei Konzern-Transaktionen.
Die Reaktion, so Meyer-Fries, seien aktuelle Kostensenkungsstrategien mit „zum Teil panischen Zügen“. Die Folgen seien bekannt: Zusammenlegungen und Zentralisierungen, aber auch Auslagerungen und Aufspaltungen bei gleichzeitiger Tarifflucht. Insgesamt führe das jedoch zur Schwächung des journalistischen Kernprodukts. Traditionellen Printausgaben würden keine Wachstumschancen mehr eingeräumt, deshalb „betreiben die Verlage hier bestenfalls Bestandspflege, Renditesicherung mit Kostensenkung“. Man verlege sich auf Online statt Print. Diese Strategie sei jedoch nur „vordergründig plausibel“ und beruhe – so der Referent – „auf einer Fehleinschätzung des Internets“. Für Geschäftsmodelle im Internet setzten „hochaggressive Großanbieter auf dem globalen Markt die Regeln“. Kleinanbieter wie nationale Zeitungsverlage könnten sich diesen nur anpassen, doch das „bringt ihnen nichts“.
Erfolgreich können Verlage mit Online nur sein, wenn sie etwas anbieten, „was andere nicht oder nicht so gut können“. Sie seien gut beraten, etwas Identitätsstiftendes zu publizieren, das mit der Marke des jeweils traditionellen Mediums verbunden ist. Mehr noch, meinte der Referent: „Eine Onlinestrategie wird scheitern, wenn sie zu Lasten des traditionellen Formats betrieben wird.“ Zur Festigung des „Markenkerns“ sei den Verlegern zuerst zu empfehlen, ihre Printausgaben zu stärken. Das betreffe die Qualität von der Redaktion bis zur Zustellung. Das betreffe die Glaubwürdigkeit des journalistischen Produkts, die Vielfalt und Unterscheidbarkeit der Medienprodukte sowie deren regionale, lokale und sogar sublokale Kompetenz. Er wisse nicht, so das skeptische Fazit, ob der traditionelle Journalismus und die gedruckte Zeitung eine Zukunft hätten. Aber, so Meyer-Fries, er sei sicher, „wenn wir sie jetzt in ihrem Bestand beschädigen, dann werden sie weder in den klassischen noch in den neuen Medien eine Zukunft haben.“
Crowdfunding-Selbstversuch ohne Maulkorb
Mit einer „Dog-Shit-Idee“ im wahrsten Sinne des Wortes – der Gründung eines Hundehasser-Magazins Kot & Köter – schaffte es „Chefredakteur“ Wulf Beleites in den 1990er Jahren in diverse Fernsehtalkshows, obwohl – abgesehen von einem Coverentwurf – nie eine Ausgabe des Blattes auch nur konzipiert wurde. Doch diese Magazin-Idee recycelte Beleites, der auch stellvertretender Vorsitzender der dju ist, jetzt für einen Selbstversuch in Sachen Crowdfunding.
„Mit Bordmitteln“ erarbeitete der Hamburger ein Projektvorstellungs-Video und warb auf der Plattform Krautreporter.de um Unterstützung und Spenden. Gleichzeitig versandte er Rundmails, vernetzte sich auf Facebook. Der Kot-&-Köter-Medienhype von vor 20 Jahren wiederholte sich erstaunlicherweise beinahe: Zeitungen, Zeitschriften, das ARD-Frühstücksfernsehen, sogar Spiegel-Online berichteten über das Projekt. Auf www.kotundkoeter.de ist ein umfangreicher Pressespiegel dokumentiert. Obwohl „erfahrungsgemäß die ersten Spender aus dem Freundes- und Bekanntenkreis kamen“, und das Krautreporter-Modell anonyme Spenden eigentlich nicht zulässt, kamen für Kot & Köter in der gesetzten Frist über 7.000 Euro zusammen. Geld kam auch aus Holland, Belgien oder Teneriffa. Das Anti-Magazin wird, so versicherte Wulf Beleites, nun Ende Januar, Anfang Februar 2014 tatsächlich mit einer Nullnummer herauskommen.
Ist Crowdfunding also eine echte Finanzierungs-Alternative? „Klares Nein!“, antwortete der Selbstversucher. Zwar ermögliche es, relativ unkompliziert ein überschaubares Projekt zu finanzieren. Als Instrument für Qualitätsjournalismus sei die Finanzierungsmethode nicht geeignet: „Die Verleger können sich so nicht aus ihren Verpflichtungen verabschieden.“
Bonne chance!
Geschafft! Mediapart ist die französische Erfolgsgeschichte eines unabhängigen Paid Content Internetmediums. Chefredakteur Francois Bonnet nahm mit drei Kollegen 2008 Geld in die Hand – eine Mio. Euro aus eigenen Abfindungen bei den Zeitungen Liberation und Le Monde, ohne öffentliche Finanzierungen und Subventionen, aber mit zwei Investoren – insgesamt fünf Mio. Euro. Sie setzten mit der Gründung der Internetzeitung Mediapart www.mediapart.fr mitten in der Krise des französischen Medienmarkts auf Risiko und Unabhängigkeit. Prinzipien: Qualitätsjournalismus, keine Werbung, Abos.
Heute schreibt die Internetzeitung mit Redaktionssitz in Paris schwarze Zahlen, verzeichnet 2013 sieben Millionen Euro Umsatz und einen Gewinn von 800.000 Euro. Ja, die Online-Leser zahlen für Inhalt 9 Euro Abo im Monat, zahlen für Qualitätsjournalismus, bestätigt Bonnet. Mediapart ist eine profitable Medienplattform geworden und hat mit der Doktrin gebrochen, dass Inhalte im Netz niemand bezahlen will. Zwei der vier Gründer sitzen im fünfköpfigen Aufsichtsrat. „Wir haben unser Kapital selbst in der Hand und die Kontrolle unserer Arbeit.“
32 vollbeschäftigte, nach Tarif bezahlte Journalisten kümmern sich um hochwertigen investigativen Journalismus – große eigene Geschichten werden recherchiert, die nicht der öffentlichen Tagesordnung folgen, tägliche Nachrichten werden selbst geschrieben. 20 der Journalistinnen und Journalisten – die aus 12 verschiedenen Medien zum digitalen Projekt kamen, weil sie es spannend finden – arbeiten investigativ. Einen Redaktionsschluss gibt es praktisch nicht, „wir setzen unsere eigenen Deadlines“.
Leser können in der Rubrik Le Club an den Inhalten der Zeitung mitwirken – bis zu 100 Blog-Beiträge werden täglich von ihnen geschrieben, „vollkommen frei, nur den gesetzlichen Regeln des Verbots von Diffamierung und Rassismus unterworfen“, wie Bonnet sagt. „Wir schenken ihnen Gehör.“ Sie seien nicht allzu jung, eher auf dem Land als in Paris beheimatet und hätten sich u.a. für ein Abo entschieden, weil sie sich im Netz bewegten.
Das Team bestimmt seine Agenda selbst. So hat Mediapart nach fünf Monaten Recherche mit einer Enthüllungsgeschichte um Auslandsbankkonten, Steuerhinterziehung und Geldwäsche dazu beigetragen, dass der darin verwickelte französische Haushaltsminister Jérôme Cahuzac seinen Hut nahm. Auch die von Mediapart recherchierte Geschichte um Sarcozy und die illegale Finanzierung seines Wahlkampfes 2007 mit Hilfe des libyischen Diktators Gaddafi steht für Enthüllungsjournalismus in Frankreich. „Wir sind angriffslustig, haben einen aggressiven Ansatz, den es in den offiziellen Medien nicht mehr gibt“, erklärt Bonnet. Keine der großen Tageszeitungen käme ohne Unterstützung aus, Le Monde habe beispielsweise im letzten Jahr 18 Millionen Euro vom Staat erhalten, entsprechend sei der Geist dieser Blätter. Es gäbe keine Bewegung, in digitale Angebote werde nichts investiert. Die verkaufte Auflage von Liberation beispielsweise ist in den letzten zehn Jahren von 100.000 auf 35.000 gesunken.
Neues Medium, neue Modelle, neuer Journalismus: Bonnet bezeichnet die digitale Revolution als „phantastische Gelegenheit, unsere Chance auf journalistische Freiheit und Unabhängigkeit. Wir müssen dafür das Risiko eingehen, kreativ zu sein.“ Es sei möglich, ein mit innovativen Kräften neues hochprofessionelles journalistisches System zu bauen. „Wir sollten darüber in einen Dialog treten.“
Die Metaebene bin ich
Als „DitigalNative“ der ersten Stunde sieht sich Tim Pritlove. Der Berliner Produzent und Moderator von Radiosendungen und Podcasts kombiniert seit 2008 im Netz unter www.metaebene.me Themen aus Technik, Kultur und Gesellschaft und eigene Erfahrungen zu Sendungen verschiedener Formate in einer für ihn „außerordentlich erfüllenden“ Weise. Er nennt sein Geschäftsmodell der Selbstvermarktung Personal Media. Lange Interviews von zwei Stunden, bei Talkrunden auch mal fünf – alles kann auch häppchenweise verfolgt werden – finden Hörer in „nennenswerter fünfstelliger Zahl“. „Ich bin so ein Quatscher“, sagt Pritlove, die Geschichten werden auserzählt, die Leute eingebunden. Dafür fährt er quer durch Deutschland.
Inzwischen hat sich eine Community gebildet; sie zu pflegen, ist für ihn unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren seines Konzeptes. Wichtig sei zudem, Ziele zu kommunizieren, unabhängig und transparent zu sein. Vor allem spendenfinanzierte Modelle wie seines brauchten ein Maximum an Erkennbarkeit. „Keine bezahlten Abos, das greift beim Podcast allenfalls für aufbereitete Inhalte“, sagt Pritlove. „Doch wem’s gefällt, der kann unterstützen.“ Am besten funktioniert das Einsammeln von Klein- und Kleinstspenden über Flattr, den schwedischen Social-Payment-Service mit Sitz in Malmö. Daraus ist ein zuverlässiger Geldfluss geworden, der ihm das Arbeiten ermöglicht. Für größere, genau definierte Projekte legt er Crowfunding auf – so kam das Geld für eine Bahncard 100 zusammen, die ihm das Reisen ermöglicht.
Die Zukunft seines digitalen Mediums sieht Pritlove mit Optimismus. „Ich werde weiterhin die Vorteile des Internets nutzen. Ich habe so viele Ideen für die nächsten fünf Jahre.“
Es gibt Schlimmeres
Ana Radic, 27, Volontärin beim NDR in Hamburg, verkörperte auf dem Journalistentag die berufliche Perspektive in Person. Sie tat es mit Understatement. Nach „klassischem Praktikum“ und freier Mitarbeit beim Sender bereits während des Bachelor-Studiums, die ihr „immer mehr als Kellnern eingebracht“ habe, holte sie sich trimediales Handwerkszeug über eine studienbegleitende Ausbildung am katholischen Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (IFP). Mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung schloss sie in Oxford 2012 mit einem Wirtschaftsmaster ab und konnte danach einen der begehrten Volontariatsplätze in Hamburg ergattern, wo noch bis Januar ihre Ausbildung läuft.
Über diese äußerte sie sich des Lobes voll: Sie lerne „jeden Tag etwas Neues“, werde angeregt, „sich selbst in Frage zu stellen“. Auch die Aussicht, nicht fest übernommen zu werden, sondern sich zunächst als Freie ihre Sporen verdienen zu müssen, verbuchte Ana eher achselzuckend mit der Bemerkung, dass es ja „Schlimmeres gibt und bis jetzt auch alles gut gegangen“ sei. Eine offene Frage allerdings hinterließ sie dem Plenum: Obwohl in der Gesellschaft jeder Fünfte heute über einen Migrationshintergrund verfüge, repräsentiere in den deutschen Redaktionen nur jede/r Fünfzigste einen solchen. Ob es angesichts derart „homogener Haufen“ nicht an der Zeit sei, „die Gesellschaft auch in der Zusammensetzung authentischer abzubilden?“ „Vom Wunsch zur Wirklichkeit“ war ihr Beitrag überschrieben.
Selbstvermarktung hat Grenzen
Seit zehn Jahren in der beruflichen Wirklichkeit angekommen, ist Ralf Krauter aus Köln. Von 2004 bis vor etlichen Wochen arbeitete er als freier Wissenschaftsjournalist vorrangig für den Hörfunk, wo man noch immer „ganz gut überleben“ könne. Für seine Beiträge erhielt er mehrere Journalistenpreise. Krauter, diplomierter Physiker und Absolvent eines wissenschaftsjournalistischen Volontariats beim Deutschlandfunk, brachte gute Voraussetzungen und Kontakte für die Freiberuflichkeit mit, die ihm „Eigenverantwortung, Abwechslung, leistungsbezogenen Verdienst und flexible Zeitgestaltung“ sicherten. Allerdings setzte er dabei klar „auf eigene Themenfelder und Spezialisierung, auf inhaltliche Expertise, journalistische Reputation und mehrere Standbeine“. Selbstreflektion und Selbstvermarktung – mit eigener Website, Facebook-Vernetzung und dem Hochladen eigener Beiträge bei Soundcloud oder Youtube – seien unerlässlich, um im Geschäft und im Gespräch zu bleiben. Die Lust, Neues auszuprobieren, der Spaß, Geschichten zu erzählen und sich handwerklich und technisch auf dem neuesten Stand zu halten, zählten viel. Dennoch sei eine „schleichende Verschlechterung von Arbeitsbedingungen“ nicht zu übersehen: Es gebe weniger Aufträge, Lukratives würde seltener vergeben, externer Sachverstand werde im Programm häufiger durch interne „Kollegengespräche“ ersetzt. Freie verdienten ihre Brötchen zunehmend saurer. Die Frage: Was können Freie besser? werde existenziell. Krauter verwies auf die Notwendigkeit, als Freier unternehmerischer zu denken, Verwertungsketten aufzubauen und Recherchestipendien zu nutzen. Eigeninitiative und Beherrschung der neuen Technik seien von Vorteil.
„Die Stunde der Kreativen“ habe längst geschlagen. Doch – und das sagte der Fachjournalist auch in seiner heutigen Funktion als festangestellter Redakteur beim Deutschlandfunk – bedürften Feie unbedingt „mehr Unterstützung“. Fachkompetenz müsse gepflegt werden. Aktuell passiere im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus Spargründen eher das Gegenteil. Halte diese Entwicklung an, die mit einer Verflachung des Niveaus einherginge, werde sie „unumkehrbar“. Im Dienste journalistischer Qualität sollten „Feste und Freie an einem Strang ziehen und gemeinsam diesem Trend entgegenwirken.“
Vom unbedingten Glauben an Qualität
Gut gemacht! Ideenschmiede: Was machen wir anders? Worin liegt das Besondere unseres Produkts? Die von Wirtschaftsjournalistin Maike Rademaker moderierte Podiumsdiskussion bot dank ihrer Protagonisten höchst unterschiedliche Ansätze und doch einen gemeinsamen Nenner: Qualität muss die Leserinnen und Leser, Hörerinnen und Hörer überzeugen. Nur: Sie muss gewollt und finanziert werden.
Als schlank produzierten „Dutzendfüßler“ sieht Rainer Metzger, stellvertretender Chefredakteur, die taz. 13.000 Genossen, denen das Blatt gehört, bilden schon seit den frühen 90er Jahren eine Community. Zwar sinke das tägliche Voll-Abo, aber taz-Nachrichtenportal, E-Paper, E-Kiosk, Apps, eine peu à peu eingeführte Wochenend-taz – die sich positiv ohne großes Marketing entwickele – pufferten das ab. Die bundesweite Reichweite zeige sich digital, nicht unbedingt in der verkauften Print-Auflage. Auf Facebook folgen Freunde in sechsstelliger Zahl. Was schief gegangen ist? Ein taz-Lokalteil NRW.
Deutschlandradio muss von der jungen Generation entdeckt werden, konstatiert Programmdirektor Peter Andreas Weber. Gerade das 2011 gegründete DRadio Wissen – auch online abrufbar – sei in seiner Verbindung von Radio mit Internet auf das Nutzerverhalten Jüngerer ausgerichtet. Die Themen zielen auf Politik, Natur, Umwelt, zweimal stündlich gibt es Nachrichten, eine Redaktionskonferenz mit Gästen wurde eingeführt. Noch aber fehle es an Hörerbindung, der Altersdurchschnitt liegt bei 44 Jahren, zu 85 Prozent hören Männer zu. Geld müsse investiert werden, um musikalisch nachzurüsten. „Wir können noch vieles besser machen, aber Internet und Radio haben eine gemeinsame Zukunft“, so Weber.
Ob sie etwas gut machen, weiß Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kurier, nicht. Ziel sei aber, aus einem „verschlafenen Käseblättchen eine zukunftsfähige Zeitung“ zu machen. Es kam einer Revolution im ländlichen Gebiet mit 1.800 Vereinen gleich, auf Termin- und Vereinsberichte im Blatt zu verzichten. Stattdessen gibt es zu 80 Prozent selbst recherchierte Geschichten und einen regionalisierten Mantel. 20 der 35 Journalistinnen und Journalisten aus der kleinen Redaktion arbeiten als Reporter. „Wir haben Haltung entwickelt, uns von den lokalen Eliten gelöst“, berichtet Braun. „Das hat auch Verhältnisse in der Stadt geändert.“ Das Blatt arbeitet crossmedial mit E-Paper, Social Media, Blogs – dafür wurde eine Kollegin eingestellt. Mit Paid Content wurde im April begonnen – noch wenig ertragreich. „Aber die Bereitschaft wächst, Journalismus als etwas Wertiges zu erkennen.“ Braun sieht das als den richtigen Weg, trotz derzeit gesunkener Auflage und Werbeeinnahmen. Ach ja: Die Vereine bekommen pro Woche 64 Seiten Beilage im Halbformat, die sie selbst bestücken.
Als die Auflage der Zeit Ende der 90er Jahre auf 420.000 gesunken war, wurde ihr Ende prophezeit. Dass sie jetzt wieder bei 550.000 liegt, sieht Geschäftsführer Dr. Rainer Esser zunächst als ein Verdienst der Verlegerfamilie. Diese setzte nicht auf Rendite, sondern auf die Marke, unterstützte mit Finanzen, Anschubideen und Neueinstellungen. Das Blatt entwickelte sich auch dank der Ideen aus der Redaktion – „es gibt viel Freiheit und große Kreativität im Haus“. Jährlich werden ein bis zwei neue Rubriken eingeführt wie „Glaube und Zweifel“ oder die von Lesern mit Fotos und Geschichten selbst gestaltete Seite. Es gibt eine KinderZeit, die Zeit geht in die Schulen. „Das kostet, aber bringt etwas.“ Qualität seien nicht nur „hochmögende Artikel sondern das, was die Leserinnen und Leser erreicht.“ Dazu gehören schöne Bilder, Grafiken, Humor, gehört die Überraschung. Die Markenfamilie wird mit Publikationen ausgebaut.
Die lebhafte Frage- und Antwort-Runde offenbarte Bedenken, Barrieren und Probleme: Wie schwer es ist, bei Kosten und Verlusten Qualität zu produzieren und Tarif zu zahlen. Wie mit der Bereitschaft zur Selbstausbeutung und der Angst um Arbeitsplätze von Journalisten umgegangen wird. Wie groß oft das Beharrungsvermögen und wie klein der Veränderungswille ist. Wie Journalismus im Netz wertiger wird. Paid Content, auch das eine Grundaussage, funktioniert nur, wenn alle es machen.
Alternativen statt Apokalypse
Was bleibt hängen? fragte dju Vorsitzender Ulrich Janßen zum Schluss. Wenn die Apokalypse beschworen werde, brauche man sich nicht zu wundern, dass alles schwieriger wird. „Es geht darum, Neues zu wagen, auch mal Fehler zuzubilligen.“ Finanzierungsformen wie Crowdfunding oder Projekte wie Mediapart, die sich wirtschaftlich ertragreich im Internet mit investigativem Journalismus behaupten, zeigten neue Wege auf. Journalistische Qualität spiele dafür eine große Rolle. „Wenn wir uns jetzt damit nicht beschäftigten, wird es sie in zehn Jahren nicht mehr geben.“
Hinweise auf enorme Verdichtung der Arbeit, auf gewachsene Belastungen gäbe es genug. „Nur mit der Kraft der Journalisten aber ist der Transformationsprozess überhaupt zu bewältigen.“ Sie lieferten nach wie vor die Geschichten, ordneten Informationen und durchleuchteten das Spiel der Kräfte.