Gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat

Ein Ex-Bild-Mann verbreitet im Weser-Kurier Stammtischparolen

Von wem stammen wohl diese Äußerungen über den Islamisten-Prediger Pierre Vogel? „Dem Reden Vogels folgt … zwangsläufig das Handeln von Glaubenskriegern” wie beim Attentat im Jüdischen Museum Brüssel. „Die Justiz sollte deshalb zügig versuchen, möglichst alle Vogels dieser Republik hinter Gitter zu bringen”.

Als der Bremer Verfassungsschutz-Chef Hans-Joachim von Wachter am Rande eines Pressetermins um eine Bewertung dieser Aussagen gebeten wurde, meinte er: „Das klingt eher nach Rechtspopulismus”. Er wirkte überrascht, als er die wahre Herkunft erfuhr: Die Zitate stammen aus einem Kommentar des Weser-Kuriers (WK). Auch Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nannte die Äußerungen „an den Haaren herbeigezogen”. Man müsse immer „den Einzelfall anschauen”.

„Kein Pardon” hieß der WK-Kommentar, und er endete alarmistisch: „Unsere Demokratie muss sich gegen den Islamismus endlich wehrhaft zeigen – ehe es zu spät ist!” Der Verfasser, Daniel Killy (52), war mal Bild-Ressortleiter und ist seit Januar Chef vom Dienst beim WK. Worüber er sich so ereiferte: Das Oberverwaltungsgericht Bremen hatte einen zunächst verbotenen Auftritt der Islamisten Pierre Vogel und Sven Lau erlaubt, da die Meinungsfreiheit sogar verfassungsfeindliche Äußerungen schütze, solange sie nicht strafbar seien.

In der Tat begingen die Prediger bei ihrem Auftritt keine Volksverhetzung, sondern zeigten sich unerwartet friedfertig. Zwar polemisierten sie gegen „Lügensender” und nannten muslimische Krieger in Syrien „Freiheitskämpfer”. Aber sie betonten auch, dass jeder glauben dürfe, was er wolle, und dass Tötungsaufrufe gegen Ungläubige, wie sie in Koran und Bibel stehen, im historischen Kontext zu sehen seien. Ansonsten ähnelte die Kundgebung Evangelisations-Veranstaltungen. Sogar ein Vertreter der Evangelischen Kirche meinte hinterher, Vogel sei kein Hassprediger. Vielleicht hatten die Redner Kreide gefressen. Aber es unterscheidet den Rechtsstaat von einem Gottesstaat, dass Meinungsäußerungen kein Haftgrund sind. Auch Ausweisungen sind nicht nach Belieben möglich. Killy indes forderte in einem früheren Kommentar: „Wer von den Herren Salafisten keinen deutschen Pass haben sollte – der gehört subito abgeschoben.”

Knallhart auch sein Urteil über Edward Snowden: Der sei nichts als ein Verräter. Killy ist allerdings kein strammer Rechter. Er zog auch schon über Berlusconi her („Duce 2.0”). Die Krim-Krise bewertete er ungewohnt differenziert. Aber oft verwechselt er die Zeitung mit dem Stammtisch. Offenbar neigen nicht nur Salafisten zu holzschnittartigen Weltbildern.

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