Fränkische Pressetage „Grenzenlose Chancen – Risiken ohne Grenzen“ in Nürnberg
Ist es nicht letztlich egal, ob ein Text auf Papier steht oder auf dem Bildschirm? Ein provokantes Fragezeichen, das die Fränkischen Pressetage hinter das Internet-Thema „Grenzenlose Chancen – Risiken ohne Grenzen“ setzten.
Ergebnis: Hauptsache, die journalistische Qualität stimmt. Alles klar? Na, dann können wir uns ja getröstet und beruhigt zurücklehnen. Ganz so einfach machten es sich Journalisten der Nürnberger Tageszeitungen und des bayerischen Rundfunks, Datenschützer und Rechtsexperten bei der Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing natürlich nicht. Stattdessen diskutierten Warner, Mahner und begeisterte Optimisten, wie das Internet die Medienlandschaft verändert. Die Thesen:
„Der Autor als Konzentrator nimmt an Wichtigkeit ab, dafür wächst die Rolle dessen, der den Zugang zum Internet bereitstellt.“
Zwar verändern sich Welt und Medienwelt nicht sehr, gab die freie Autorin Sabine Breitsameter zu bedenken, doch das Internet stellt Rezeptionsgewohnheiten auf den Kopf. Text, Ton und Bild sind parallel verfügbar, die Nutzer müssen aktiv zwischen den Informationen auswählen. Die (un)erwünschte Folge: „Öffentlichkeit wird fragmentarisiert“. Eine spannende Entwicklung zwischen Freiheit und Kontrolle, die schon in der Entstehungsgeschichte des Internet angelegt ist. Die ersten, turnhallengroßen Computer berechneten die Flugbahn von Geschossen und auch die ersten Netzwerke dienten Ende der 60er Jahre zunächst militärischen Zwecken. Auf der anderen Seite waren die Hippies vom kulturellen Potenzial der neuen Technik überzeugt, von der sie sich eine Gegenöffentlichkeit zu Staat und ökonomischer Macht versprachen. Was ist geblieben?
„Die hohen Standards werden bleiben, aber die Unterscheidung zwischen Journalismus und partikularen Interessen ist schwierig.“
Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserats, zeigte sich skeptisch. Groß ist der Wunsch, die publizistischen Grundsätze des Pressekodex auch im Internet zu verankern. Angewiesen freilich ist man auf die Selbstverpflichtung von 150 Verlagen und der Landesmedienanstalten, 50 online-Dienste bleiben bisher außen vor. Besonderes Sorgenkind Tillmanns: Der schnelle Mausklick, der von der Kinokritik zur Kartenvorbestellung führt. Ist das noch Leserservice oder ein Verstoß gegen die Trennung von werblichen Interessen und redaktionellem Text? Und wo lenken persönliche Vorlieben der Redakteure oder wirtschaftliche Absichten der Verlage die Einrichtung von Links?
„Geistiges Eigentum ist nichts mehr wert“,
beklagt Wolfgang Stöckel, Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbandes. Das Internet macht’s möglich: Problem- und kostenloses Herunterladen von Texten und Bildern. „Dafür muss gezahlt werden“, sagt Stöckel. Noch immer fehlt die rechtliche Regelung zur Honorierung der Autoren, noch immer wird über Anerkennungsbeitrag, Zweitverwertung oder eine Ausschüttung wie bei der VG Wort gestritten. Die Crux: Online ist ein Verlustgeschäft, die Anbieter erlösen über Bannerwerbung und Beiträge erst zehn Prozent ihrer Kosten. Einigkeit herrscht darüber, dass es eine Impressumspflicht geben müsse und eine journalistische Qualitätsgarantie.
„Es wird nicht paradiesisch, aber wir sind nicht so hilflos wie häufig dargestellt.“
Joachim Jacob, Bundesbeauftragter für Datenschutz, sieht zuerst die Gefahren des Internet. Allein in Deutschland surfen 20 Millionen User im Netz. Milliarden von Bits und Bites tragen per Kabel und Satellit persönliche Nachrichten, Einkaufsaufträge, Krankenberichte und Firmenbilanzen in jedes Eckchen der Welt. Doch nur in wenigen der über 200 Staaten legt die nationale Gesetzgebung so großen Wert auf Persönlichkeitsschutz wie in Deutschland. Was tun? Zwei Prinzipien sind für Jacob besonders wichtig: Erstens Transparenz – der User muss wissen, was mit seinen Daten im Netz passiert. Zweitens Option – der User muss ablehnen oder zustimmen können. Ein Lichtstreif am Horizont in der unüberschaubaren Webwelt ist die Selbstverpflichtung von Unternehmen und Anbietern zum Datenschutz, die Wettbwerbsvorteile verspricht.
„Wer ist das Internet? Jeder der daran teilnimmt.“
Stefan Hartmann, Geschäftsführer des Online-Dienstes-Nordbayern, setzt voll und ganz auf die selbstregulierenden Mechanismen des Internets. Wie in jeder sozialen Gemeinschaft gebe es auch hier Verstöße gegen die Netikette – und Kriminelle. Höchststrafe hier – neben strafrechtlicher Verfolgung von Pornographie und Rechtsradikalismus: Die übrigen Teilnehmer verweigern die Kommunikation. Das funktioniert, ist Hartmann überzeugt. Doch er mahnt zum vorsichtigen Umgang mit eigenen Daten. Die Gefahren demonstriert er per Internet-Recherche: Anhand einer E-mail-Adresse identifiziert er den Arbeitgeber des Mannes, findet seine Adresse heraus und klickt sich schließlich ins Ferienhaus-Angebot ein.
„Lieber Kunden an sich selbst verlieren, als an die Konkurrenz“,
zitiert Josef Roßmann von der Zet.Net.AG den Chefredakteur des „Wallstreet-Journal“. Provokante Frage des Internet-Dienstleisters aus München: Wie kann die Tageszeitung mithalten, wenn Nachrichten ohne Redaktionsschluss ins Internet einfließen, Jobangebote bundesweit und Gebrauchtwagen nach Postleitzahl geordnet abzurufen sind und Lebensmitteldiscounter mit eigenen Seiten ins Web drängen? „Liebe Verleger habt Mut und fürchtet euch nicht“, plädiert Roßmann. Chatrooms könnten junge Leser an die Zeitung binden, Clips vom Rockkonzert die Online-Rezension würzen oder das Lokalderby gleich live übertragen werden. Service eben – und die Tageszeitung könnte mit ihrer Glaubwürdigkeit wuchern.
Keine Frage, dass die nächste Generation vielleicht den Laptop neben das Frühstücks-Müsli stellt. „Maus, Tastatur, Monitor – das kenne ich schon mein ganzes Leben“, sagt der Student Thomas Singer in der Schlussrunde. Trotzdem würden Zeitungen weiterhin einen „herausragenden Platz in der Medienlandschaft“ einnehmen, wirft Joachim Hauck ein. Noch böten die deutschen Tageszeitungen 1,4 Milliarden „Page-Impressions“ täglich, argumentiert der Chefredakteur der „Nürnberger Nachrichten“, die Online-Anbieter nur 500 Millionen im Monat. Internet sieht er als Herausforderung. Die Zeitung müsse sich auf ihre Stärken besinnen, in dem sie Hintergründe und Erläuterungen zu Nachrichtenhappen liefert. Fürs Fernsehen verspricht Hans Helmreich, Leiter der Multimedia-Redaktion des Bayerischen Rundfunks, sogar „sensationelle Möglichkeiten“ durch die Auflösung der Sendestruktur. News seien künftig sofort präsent – während beispielsweise Bildungskanäle unabhängig vom Sendetermin abgerufen werden könnten.
Aber: Ins Internet gehört „Text, wo Text Sinn macht. Ton, wo Ton Sinn macht und Bild, wo Bild Sinn macht.“ Nicht zu vergessen natürlich Journalisten, die mit links schreiben und rechts Kamera und Mikro halten, um alle Sparten zu bedienen.