Journalistenpreis wieder nicht abgeholt
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion in ver.di verlieh am 3. Oktober 2004 zum dritten Mal den „Goldenen Maulkorb“. Der Preis, der für besondere Verdienste um die Behinderung der Pressefreiheit vergeben wird, wurde diesmal auf Antrag des dju-Landesverbandes Berlin-Brandenburg ausgelobt.
Die Verleihung fand wie üblich ohne den Preisträger statt. Der „Ausgezeichnete“, der Preis und Urkunde mit dem Zusatz für „vorbildliche Geschichtsabwicklung“ erhalten sollte, war nicht ins Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte gekommen. Lediglich über seinen Anwalt hatte er drohen lassen, dass bereits „die namentliche Nennung unseres Mandanten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Seegrundstücks in Niederlehme, auf dem sich eine Ernst-Thälmann-Gedenkstätte befindet, die Persönlichkeitsrechte“ des Ministerialrates aus Potsdam verletze. Es bestünde die Gefahr, dass der Geehrte im Rahmen der Preisverleihung „erneut öffentlich unter Namensnennung diffamiert wird“. In der satirischen Laudatio erläuterte Kabarettist Dr. Seltsam vor zahlreichen Gästen einer Matinee zu Ehren des 115. Geburtstages Carl von Ossietzkys die Hintergründe der Preisvergabe. Er begann damit, dass der Ministerialrat aus dem Bauministerium in Brandenburg 2002 ein Grundstück von 5.000 Quadratmetern direkt am Berlin-nahen Krossinsee für bloße 86.000 Euro von der Treuhandliegenschaftsgesellschaft ersteigerte. Seine Absicht, dort Stadtvillen errichten zu lassen, wird durch die Tatsache erschwert, dass sich auf dem Grundstück seit 50 Jahren eine Gedenkstätte befindet. Diese erinnert an die letzte, bereits illegale Zusammenkunft des ZK der KPD mit Ernst Thälmann nach Hitlers Machtübernahme und wird von einem Freundeskreis betreut. Der neue Besitzer verwehrt den bisherigen Nutzern den Zugang. Eine „Entwidmung“ des denkmalgeschützten „Sporthauses Ziegenhals“ ist ihm allerdings bisher nicht gelungen. Medien, die über die Umstände des Erwerbs und die Quasi-Schließung der Gedenkstätte berichteten und dabei den Namen des neuen Eigentümers nannten, wurden von dem Herrn mit Einstweiligen Verfügungen und Unterlassungsklagen überzogen. Auch ver.di darf aufgrund einer einstweiligen Verfügung den Namen des Preisträgers nicht nennen. Der „Goldene Maulkorb“ sei, so der Laudator, diesmal als Ehrung „für die versuchte Einschüchterung der Medien, als Preis für die Ungeheuerlichkeit, ein anerkanntes antifaschistisches Denkmal einzusperren“ und als Preis, um „die Person und das Vorhaben des Preisträgers der öffentlichen Kritik auszusetzen“ zu verstehen. Neben Blättern wie Der Spiegel, Super Illu, Neues Deutschland, Märkische Allgemeine Zeitung u.a. prozessiert der Preisträger auch gegen die junge Welt. Der Redaktion der linken Tageszeitung wurde der „Goldene Maulkorb“ von Matthias Gottwald, Vorsitzender der dju Berlin-Brandenburg (unser Foto), zur Aufbewahrung übergeben. „Bis zu einer eventuellen Abholung“, so jW-Ressortleiterin Ulla Jelpke, werde der Preis dort „einer interessierten Öffentlichkeit gern zugänglich gemacht“.
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