Hotspot der Internetforschung

NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze zur Eröffnung des CAIS in Bochum Foto: RUB, Marquard

Wenn das Internet abgekoppelt wird vom Rest der Welt und seine eigene Wirklichkeit entwickelt, ist es höchste Zeit einzugreifen. In Bochum will man genau dieses tun und sich mit Fragen rund um das Internet und seine Auswirkungen auf Zivilgesellschaft, Arbeit, Wirtschaft, Sicherheit, Politik und Demokratie beschäftigen. Geschehen soll das im neuen Center for Advanced Internet Studies (CAIS).

Michael Baurmann, wissenschaftlicher Direktor von CAIS, NRW-Ministerin Svenja Schulze und Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (v.l.n.r.) in der Bochumer Jahrhunderthalle
Foto: GITO FILMS, Abanico

Rund drei Millionen Euro in den nächsten drei Jahren und mögliche weitere zwei Mio. Euro lässt sich das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) das CAIS kosten. Und man kann es kaum glauben: Hier werden sich Menschen in Echtzeit face to face begegnen, gemeinsam forschen, Ideen und Gedanken austauschen. „Wir können unsere menschliche Natur nun mal nicht abstreifen“, erklärte der Wissenschaftliche Direktor des CAIS, Prof. Dr. Michael Baurmann (Universität Düsseldorf), bei der feierlichen Eröffnungsfeier des Instituts in der Jahrhunderthalle. Am wissenschaftlichen Zentrum zur Erforschung der Digitalisierung beteiligen sich die Ruhr-Universität Bochum, die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Westfälische Wilhelms-Universität Münster und das Grimme-Institut Marl. Gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften bilden die beteiligten Universitäten und das Grimme-Institut ein Landeskonsortium, das sich an der Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für ein Deutsches Internet-Institut beteiligt. „Wenn dieses Institut nach Bochum kommen würde, wäre das ein ziemlicher Knaller“, sagte Oberbürgermeister Thomas Eiskirch. Hierbei geht es um Fördergelder in Höhe von 50 Millionen Euro für fünf Jahre. Im Frühjahr soll entschieden werden, ob das Konsortium, das sich bereits unter den letzten fünf Wettbewerbsteilnehmern befindet, den Zuschlag erhält. Damit würde das größte Bundesland NRW zum Hotspot der Internetforschung.

Thomas Eiskirch, Oberbürgermeister von Bochum, zur Eröffnung von CAIS in der Jahrhunderthalle
Foto: GITO FILMS, Abanico

NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze betonte anlässlich der CAIS-Eröffnung, wie wichtig es sei, dass sich Wissenschaftler_innen mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen. „Die Digitalisierung verändert alles. Wir brauchen dringend wissenschaftliche Expertise und Wissenschaftler, die uns dabei helfen, diesen Wandel zu gestalten. Wir müssen wissen, wie wir diese Entwicklung verantwortlich gestalten können, auch im Hinblick auf die IT-Sicherheit. “ Denn eines sei klar, die Gesellschaft könne die hier vollzogene Entwicklung nicht einfach hinnehmen.

Passend zur Eröffnung des CAIS erläuterte Medienwissenschaftler und Soziologe Prof. Dr. Friedrich Krotz die Mediatisierung der Gesellschaft, also die zunehmende Prägung von Kultur und Gesellschaft durch Medienkommunikation. In seiner Arbeit für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat er sich als Leiter einer Forschungsgruppe sechs Jahre lang in rund 40 Projekten mit den Auswirkungen der Digitalisierung und Mediatisierung beschäftigt. Er und seine Mitarbeiter_innen haben erforscht, wie sich die Nutzung von Tablets und Smartphones auf das Familienleben auswirkt. Auch die Frage der permanenten Erreichbarkeit über soziale Medien stand dabei im Fokus. „1,8 Milliarden Menschen lassen ihre sozialen Beziehungen unter dem Dach von Facebook organisieren“, lieferte der Wissenschaftler wohl das eindrucksvollste Beispiel des Wandels. Krotz konnte keine Entwarnung geben: „Die Frage, ob es einen Endpunkt dieser Entwicklung gibt, können wir nicht beantworten. Wahrscheinlich gibt es ihn nicht.“ Doch das Rund-und-die-Uhr nutzen von Medien, die Vereinheitlichung von Medien in gestaltbare Hardwaresysteme, die Nutzbarkeit von sozialen Medien für Fake News, Hate Speak und Mobbing – all diese Themen brennen den Menschen auf den Nägeln. Vor allem jenen Menschen, die im alten Mediensystem aus Print, Radio, Fernsehen und Telefon groß geworden sind und nun beobachten, wie es sich sukzessive auflöst bzw. ersetzt wird.

Mit all diesen Dingen will sich auch das CAIS beschäftigen. Wissenschaftler aus der ganzen Welt können hier forschen, sich austauschen, sich gegenseitig inspirieren. Für jeweils sechs Monate werden sie zu diesem Zweck in Bochum leben und arbeiten. „Es ist gut, dass das CAIS unabhängig ist von privaten Geldgebern“, betonte Krotz in diesem Zusammenhang. Wissenschaftler_innen, die eine digitale Werteordnung entwickeln und sich daran beteiligen wollen, an der Gestaltung des durch die Digitalisierung ausgelösten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Wandels mitzuwirken, können sich am CAIS bewerben. Gefördert werden aber auch Tagungen, Workshops, Symposien, Kolloquien. Die erste Bewerbungsfrist läuft bis zum 28. Februar. Im April werden die ersten Gäste am CAIS erwartet.

Darüber hinaus lädt das neue Internet-Forschungszentrum Bürger in einer Vielfalt von Veranstaltungen dazu ein, ihre Erfahrungen über die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche in die Forschung am CAIS einzubringen.

 

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