Lokaljournalisten mit anstrengendem und schlecht bezahltem Job
Freie Lokaljournalisten werden von ihren Kollegen des Feuilletons, der Politik- oder Wirtschaftsredaktion eher belächelt denn bewundert. Es handelt sich meist um regionalen Terminjournalismus mit Jahreshauptversammlungen der Feuerwehr, des Deutschen Roten Kreuzes sowie Veranstaltungen der Kaninchenzüchter und manchmal auch der örtlichen Kulturszene.
Der Job verlangt es, dass meist freie Mitarbeiter am Wochenende und primär abends Termine wahrnehmen. Während das Feuilleton durchaus einmal „schwafeln“ darf, muss der Lokaljournalist sich selbst bei musikalischen Darbietungen an Fakten halten. Eine blumige Sprache ist unerwünscht, vielmehr wichtig, wie groß der Chor ist, wie lange geprobt wurde und wie die gesungenen Stücke heißen. In der Regel sind die Veranstalter sehr auskunftsfreudig und stellen den Pressevertreter genauso vor wie die Honoratoren der jeweiligen Stadt oder des Dorfes. Als Journalist fühlt sich der eine oder andere durch die offizielle Begrüßung – meist gefolgt von einem „Schreiben Sie was Schönes“ – ein wenig unbehaglich. Wer einen so freundlich begrüßt, muss ja in der Presse gelobt werden. Oder?
Doch nein, das ist ja die kritische Distanz, die einem in der Ausbildung eingetrichtert wurde. Leider ist es in der Realität jedoch so, dass das Geschrei über negative Details in dem Artikel sehr groß ist. Wütende Leserbriefe oder Anrufe in der Redaktion, diesen Reporter doch nicht mehr loszuschicken, sind oft die Folge. Als freier Mitarbeiter wird es sich jeder schlecht bezahlte Journalist also zweimal überlegen, ob das Outfit vom Vereinspräsidenten oder die musikalische Leistung des Chores wirklich so schlecht waren, wie es empfunden wurde.
Doch es gibt auch das andere Extrem. Wenn Text und Fotos zum Wohlgefallen der Agierenden ausgefallen sind, so gibt es wenig Dank. Der gedruckte Beitrag, der früher stolz ausgeschnitten und an die Wand gepinnt wurde, genügt im multimedialen Zeitalter nicht. Nein, da der Chor oder der Verein ja auch im Internet präsent sind, möchten diese die Fotos. Gratis versteht sich, denn man sei ja nicht profitorientiert und der Name des Fotografen würde natürlich genannt. Der arme Journalist hingegen, der im schlimmsten Fall für seinen Artikel mit Bild gerade mal 28 bis 38 Euro verdient hat, fühlt sich ausgenutzt und wenig wertgeschätzt.
Das ist aber noch nicht die Spitze des Eisbergs. Richtig „mutige“ Zeitgenossen bedienen sich einfach und laden sich gleich mal von der Website der Zeitung Foto und Textmaterial herunter und publizieren das Ganze ohne zu fragen im Internet. Nur in den allerseltensten Fällen sind die Veranstalter bereit, zu fragen und eventuell für die Nutzung Geld zu bezahlen. In Zeiten der Digitalisierung schaffen sich die Clubs, Vereine und Verbände lieber eine eigene digitale Kamera an und fotografieren selbst wie die Weltmeister. Das führt zusammen mit stolzen Eltern mit Digicam zu skurrilen Momenten. Vom Publikum weiß oft keiner mehr, wer hier Profi und wer Amateur ist. An der Fotoausrüstung ist das nicht erkennbar, weil sich manche Hobbyfotografen eine bessere Ausrüstung als die Freischaffenden leisten können.
Die Erlebnisse von Lokaljournalisten reichen von ärgerlich bis amüsant. Der Vater einer Tochter war von deren Auftritt als kleine Ballerina so entzückt, dass er sich vor die Bühne stellte und so lange fotografierte, bis die Gäste buhten. Auch spannend ist es, wenn der hauseigene Fotograf der Veranstalter den arbeitenden Journalisten bei der Recherche im Gespräch mit dem Vorstand ablichtet. Das ist ein eigenartiges Gefühl, zumal man sich eventuell auf irgendeiner Website wieder findet. Ohne vorher gefragt worden zu sein. Der Journalist wird zum „Gejagten“.
Jeder Termin ist anders, auch nach langjähriger Erfahrung gibt es immer wieder Überraschungen. Nicht nur was die Thematik angeht, sondern vor allem bezüglich der Menschen. Anspruchsvoll und unwägbar ist diese Sparte sehr wohl. Langweilig wird es selten. Vor Ort müssen in kürzester Zeit die wichtigsten Personen befragt werden, alle Vor- und Nachnamen recherchiert werden – leider sind häufig keine guten Vorlagen oder Informationen für die Presse vorhanden – und dann in hohem Tempo ein vernünftiger Text verfasst und an die Redaktion verschickt werden. Inklusive Fotos und Bildzeilen.
Es ist nicht leicht, in teilweise schlechter oder schummriger Beleuchtung Bilder zu machen und keinen zu stören und dann auch noch inhaltlich alles mitzubekommen. Insofern haben Lokaljournalisten vor allem eines verdient: mehr als nur 0,30 Euro Zeilenhonorar, Benzingeld und mehr Anerkennung. Profis wissen, dass das Handwerk zum guten Journalisten in erster Linie in einer Lokalredaktion erlernt wird.