„Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründ’ ich einen Arbeitskreis.“ Was in der Politik oft nur eine billige Ausflucht ist, kann im Berufsleben durchaus nützlich sein: sich zusammenzutun, um gemeinsam eine Krise zu meistern. Das Fotografennetzwerk „Nordaufnahme“ ist ein Beispiel dafür.
Vor etwa zehn Jahren begann für manche Bremer Fotografen eine harte Zeit: Die Welt löste ihre Lokalredaktion auf, der Platzhirsch Weser-Kurier und das Anzeigenblatt Bremer Anzeiger setzten feste Freie vor die Tür. „Aber jammern macht keinen Sinn“, sagte sich Frank Pusch, der bis dahin viel für Die Welt gearbeitet hatte. „Es macht mehr Sinn zu zeigen: Wir sind noch da.“ Also schickte er Mails an andere Betroffene und lud zu einem Treffen ein. „Da kamen auf Anhieb 40 Kollegen – mehr als wir angeschrieben hatten.“
So entstand 2003 das Netzwerk „Nordaufnahme“. Heute hat es rund 50 Mitglieder, davon knapp ein Fünftel Frauen.
Seine Hauptziele: Die Profis aus Bremen und Umgebung wollen sich auch überregional einen Namen machen und dadurch neue Auftraggeber finden, aber vor allem „das Image der berufsmäßigen Fotografie stärken“, wie Pusch es ausdrückt. „Wir wollen die Autorenschaft wiedergewinnen.“ Was der 54-Jährige damit meint, schildert er an einem Beispiel: Ein Kollege fotografiert einen ganzen Tag lang für eine Zeitung ein Sportereignis. Am Ende nimmt die Redaktion aber Agenturbilder, weil die angeblich besser sind. „Es gibt fast immer irgendwo bessere Fotos“, sagt Pusch dazu. Aber die Redaktionen sollten zu ihren Auftragnehmern stehen – nach dem Motto: „Du lieferst unsere Bildsprache.“
Was also tun? Als erstes veröffentlichte die „Nordaufnahme“ 2004 einen Bildband: eine Gelegenheit für die Mitglieder, sich und ihre Arbeiten vorzustellen. Pusch: „Wir haben davon tausend Stück bundesweit an Bildredakteure und Agenturen verschickt, um zu zeigen: Auch in Nordwestdeutschland gibt es renommierte Fotografen. Wir sind kein fotografisch unterbelichtetes Flachland. Focus oder Stern müssen also nicht extra Leute von außen anreisen lassen, sondern können auf Profis mit guten Ortskenntnissen zurückgreifen. Wer dafür nicht in den Bildband schauen will, findet die meisten von ihnen auf der gemeinsamen Internetseite.
Authentische Bilder aus der Wirtschaft
Zwei weitere Bildbände folgten – und seit 2006 auch regelmäßige Ausstellungen. Die mittlerweile vierte, die gerade in Bremen läuft, nennt sich „Imagefaktor – Das Bild der Wirtschaft“. 26 Mitglieder sind hier mit eigenen PR- oder Werbefotos vertreten. Sie wollen deutlich machen, dass sie nicht nur gute Bilder liefern, sondern Auftraggebern auch beratend zur Seite stehen. Zum Beispiel würde Pusch für eine wahrhaftige Firmenkommunikation keine Arbeiter im Blaumann mit Bügelfalten aufnehmen. „Bei uns“, verspricht der „Nordaufnahme“-Sprecher, „bekommt der Kunde authentische Bilder aus seiner Firma“ – und nicht womöglich immer dieselben Models aus billigen Internetportalen. Die Mehrheit der Mitglieder, schätzt Pusch, arbeitet nicht oder nicht mehr im Fotojournalismus, sondern konzentriert sich auf Wirtschafts- oder Kunstfotografie. Denn die Medien zahlen einfach zu schlecht. „Selbst Agenturfotografen müssen nebenbei noch andere Aufträge übernehmen“, weiß Pusch. Auch er fotografiert kaum noch für Zeitungen, sondern macht vor allem Imagebilder für Unternehmen oder für die Bremer Handelskammer.
Kann er PR-Aufträge denn mit seinem journalistischen Gewissen vereinbaren? „Ich kann zum Beispiel der Handelskammerzeitung nicht von Haus aus unterstellen, dass sie Fakten umbiegt“, sagt er. Wie andere Blätter habe eben auch sie ihre Sicht der Dinge. Viel schlimmer sei es, wenn Zeitungen ihre Bildquellen verschleierten, zum Beispiel wenn sie einen Bericht über eine Bilanzpressekonferenz mit Firmenfotos illustrierten, ohne dies kenntlich zu machen.
Auch Christine Henke hat bei PR-Aufträgen keine Bauchschmerzen. „Ich suche mir Projekte aus, die inhaltlich nicht problematisch sind“, sagt die 50-Jährige, die zum Beispiel für Altersheime, eine Anwaltskanzlei oder eine freie Theatergruppe fotografiert.
Kollegialer Austausch
Henke sucht bei der „Nordaufnahme“ vor allem den kollegialen Austausch, „denn Fotografieren an sich ist ja ein relativ einsamer Job“. Manchmal leiht sie sich selten genutzte Objektive oder Lampen aus. Am meisten Spaß machen ihr die gemeinsamen Ausstellungen. Sie vorzubereiten oder neue Bücher zu planen, sind die Anlässe, zu denen sich die Mitglieder am ehesten treffen. Regelmäßige Versammlungen gibt es ansonsten nicht, auch keine festen Mitgliederbeiträge, nur Umlagen von Zeit zu Zeit, wenn wieder etwas finanziert werden muss.
Hat sich der Aufwand bisher gelohnt? Auf jeden Fall, findet Pusch. „Wir müssen wieder als Fotografen einen Namen bekommen. Da sind wir noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg.“ Und: Früher haben sich die Mitglieder als Einzelkämpfer verstanden. „Das hat sich dramatisch geändert.“ Jetzt reichen sie sich sogar gegenseitig Aufträge weiter.