Viele Journalisten stellen sich die Frage, ob sie die „Alternative für Deutschland“ (AfD) behandeln sollen, wie jede andere Partei auch? Dabei müsste die Frage eher lauten: reicht es, wenn sich Journalistinnen und Journalisten für Gespräche mit der AfD so vorbereiten, wie bei anderen auch?
AfD – mit wem haben wir es zu tun?
Im Zweispalt: Medien und die AfD
Die AfD hat ein gespaltenes Verhältnis zur Pressefreiheit und zu den Medien. Berichten sie nicht in ihrem Sinne, sind es Lügner. Journalist*innen hingegen stehen vor der Herausforderung: Wie umgehen mit einer demokratisch gewählten Partei, die sich des rechten Populismus bedient, um ihre nationalistische und rassistische Programmatik unters Volk zu bringen? Eine längst überfällige Debatte!
Mehr unter: https://mmm.verdi.de/medien-und-die-afd/
Für Journalist*innen ist es wichtig zu wissen, wie Populismus funktioniert. Viele Leute denken fälschlich, es gehe darum, dass Politiker einfache Wahrheiten aussprechen und dabei provozieren. Aber Populismus ist kein rhetorisches Stilmittel, sondern eine Ideologie. Populist*innen arbeiten vor allem mit einer zentralen Verschwörungstheorie:
Sie allein vertreten „das Volk“. Sie sind immer die Guten und immer die Opfer. Alle anderen sind böse, korrupt und gefährlich.
Auch die AfD erzählt das Märchen vom Kampf der Guten gegen das Böse, die tapferen, besorgten Bürger gegen die migrantenfreundliche „Elite“, die ihr eigenes Volk vernachlässigt und die Medien kontrolliert. Im Wahlkampfprogramm der AfD für den Bundestag 2017 heißt es beispielsweise verschwörerisch: „heimlicher Souverän in Deutschland ist eine kleine, machtvolle politische Oligarchie, die sich in den bestehenden politischen Parteien ausgebildet hat“. „Die Allmacht der Parteien und deren Ausbeutung des Staates gefährden unsere Demokratie.“ Ihre große Erzählung ist die vom bedrohten deutschen Volk, dem nur noch eins helfen kann: die AfD und ihre Spitze. Egal was passiert: die AfD-Politiker*innen und ihre Wähler sind die Opfer, niemals die Täter. Diese verdrehte Erzählung unterscheidet Populisten von anderen Parteien – nicht ihre Wortwahl und nicht ihre rassistischen Inhalte.
Die AfD konstatiert eine „freiheitsbeschränkende ‚politischen Korrektheit’“. Gleichzeitig will sie selbst die Meinungsfreiheit und den verantwortungsbewussten Umgang mit den Nazi-Verbrechen einschränken (gegen das „Meinungsdiktat in allen öffentlichen Diskursen“ und die „aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus“ „zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung“). Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll abgeschafft und von einem mager ausgestatten „Bürgerrundfunk“ ersetzt werden.
Wer will, kann es rauslesen: die AfD würde die unliebsame „Systempresse“ gern abschaffen. Sie hinterfragt die Legitimation unserer Arbeit – insbesondere die der öffentlich-rechtlichen Medien. Gleichzeitig braucht sie die etablierten Medien, um ihre Themen in die Debatten zu einzubringen.
Das stellt uns Medienschaffende vor neue Herausforderungen.
Medien und die AfD – wie sollen Journalist*innen mit einer rechtspopulistischen Partei mit rechtsextremistischen Tendenzen umgehen?
Noch immer bezeichnen manche Medien die AfD als „nationalkonservativ“ oder nur „rechtspopulistisch“ und sprechen vom „rechtsaußen Flügel“ (womit die Partei selbst mittig erscheint). Einzelne Spitzenleute werden als „moderates“ oder „bürgerliches Gesicht der Partei“ beschrieben, obwohl auch sie sich im oben genannten Sinn äußern.
Redaktionen könnten sich vor der Berichterstattung diese Fragen stellen:
Wie geht man kritisch mit ihrer irreführenden Selbsteinordnung um und ordnet sie richtig ein?
Der Experte und Soziologe Wilhelm Heitmeyer empfiehlt, bei der AfD von einem „autoritären Nationalradikalismus“ zu sprechen – eine Stufe zwischen Rechtspopulismus und gewalttätigem Rechtsextremismus. Ich persönlich bezeichne sie meist als „teilweise rechtsextreme Partei“ (der Rest ist dann „nur“ rechtsradikal, was der Definition vom Verfassungsschutz entspricht).
Muss man ihr bei jeder/dieser Provokation eine Plattform bieten?
Spätestens seit die AfD in allen Parlamenten sitzt, muss man sie berücksichtigen, aber man sollte wissen, dass sie nicht so ist, wie die anderen Parteien in Parlamenten. Die AfD verstößt mit ihren Verschwörungstheorien gegen Grundsätze unserer Demokratie.
Und: Die Wähler*innen der AfD bilden – auf alle Bürger*innen im Land umgerechnet – nur einen kleinen Bruchteil. Bei der Bundestagwahl 2017 waren es lediglich ca. 7,5 Prozent der gesamten Bevölkerung und 9,9 Prozent aller Wahlberechtigten (einige haben ja nicht gewählt). Umso wichtiger ist es, dass sich die Verantwortlichen in den Medienhäusern nicht von den Radikalnationalen die Agenda bestimmen lassen.
Dass nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen trotzdem darüber diskutiert wurde, ob die AfD eine bürgerliche Partei ist, ist eines von vielen Beispielen für den häufig falschen medialen Umgang mit der AfD: Der Vorsitzende behauptete in einer Talkshow, man sei „auf dem Weg, die bürgerliche Volkspartei zu werden“ – statt das als neueste Provokation abzutun, diskutierten viele ernsthaft darüber und argumentieren dagegen.
Wie wäre es mit einer neuen Strategie: Reden wir wieder mehr über andere Themen und lassen den fantasierten Untergang des Abendlandes etwas ruhen.
Worauf muss ich in Interviews und Talkshows bei Populisten achten?
Politiker sollten sich nicht über Interviewanfragen freuen oder, wie die AfD, in Talkshows einklagen wollen. Das ist ein Armutszeugnis für die Sendungen. Die Gäste sollten damit rechnen, dass man sie kritisch unter die Lupe nimmt und im Zweifel grillt. Das nennt sich guter Journalismus und gilt für alle, parteiübergreifend, aber besonders für die AfD.
Es ist wichtig zu verhindern, dass faschistoide Politiker*innen ihre zielgruppenspezifischen Botschaften fürs bürgerliche Publikum anpassen. Journalist*innen dürfen deswegen niemals mäßig vorbereitet in Gespräche mit Populisten gehen – denn die sind gut vorbereitet. Viele Journalist*innen brauchen daher erst mal spezielle Interview-Trainings.
Wer nicht aufpasst, macht seine Sendung zum gratis Werbeträger für populistische Botschaften. Kritische Fragen werden nämlich gekonnt und oft mit falschen Behaupten abgewiegelt: „das war gar nicht so“, „das habe ich schon so oft klargestellt“, „das ist nicht menschenfeindlich, wir wollen nur…“ etc. Interviewt man Politiker*innen von rechtspopulistischen Parteien darf kein gemütliches Interviewgeplänkel stattfinden: Frage, Antwort – neue Frage, neue Antwort. Es bedarf viel mehr kritischen Nachhakens und der Einordnung irreführender Antworten. Das ist mühevoll und kostet Zeit, aber wer die erste Antwort akzeptiert und inhaltlich weitergeht, signalisiert dem Publikum, dass die Frage „hinreichend beantwortet“ wurde.
Wer während der Sendung das Gesagte nicht einordnen kann, kann auf einen Faktencheck im Anschluss der Sendung verweisen, der dann veröffentlicht wird.
Das ist arbeitsintensiver als gewohnt, deswegen sollte abgewogen werden: lohnt sich das, muss ich jemanden von der Partei einladen und riskieren, dass populistische Standpunkte noch mehr Aufmerksamkeit bekommen? Falls die Antwort ja lautet, könnten Medien der AfD zur Abwechslung mal nicht den Gefallen tun, sie nur mit weißen Deutschen und nur über ihre Lieblingsthemen diskutieren zu lassen.
Ferda Ataman arbeitet als freie Journalistin in Berlin u.a. für den Spiegel. Sie ist Vorstandsmitglied bei den Neuen deutschen Medienmacher*innen sowie Sprecherin der „Neuen Deutschen Organisationen“.
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Podiusmdiskussion der dju in ver.di am 16. Dezemeber 19 Uhr in der taz-Kantine in Berlin: „Berichten über AfD & Co.“ Bitte anmelden!