Studie belegt: Filmschaffenden fehlt soziale Absicherung
„Mehr Drehtage pro Produktion und keine Arbeitszeiten über 12 Stunden.“ – Diesen bescheidenen Wunsch äußerte eine Filmschaffende, nachzulesen in der aktuellen Studie „Vom Arbeiten und Leben in der Filmindustrie“, die dieser Tage in Berlin vorgestellt wurde. Initiiert vom ver.di-Projekt connexx.av, beleuchtet diese Studie die Arbeitsbedingungen im „Glitzergewerbe“.
„Wir wußten eigentlich nichts über die Filmschaffenden“, sagte Karsten Schneider von der Hans-Böckler-Stiftung, die die Studie förderte, beim Parlamentarischen Abend des ver.di-Projekts connexx.av und dem BundesFilmVerband (BFV) in ver.di. Sein Fazit: Extreme Belastungen, Verschlechterung der sozialen Absicherung, Abschmelzen von Vermögen und Altersvorsorge sind die Realität des vermeintlichen Traumjobs. Kritisiert werden überlange Arbeitszeiten und die Nichtvereinbarung von Beruf und Familie.
Die Befragung war eingebettet in die Initiative „5 statt 12“, mit der die Filmschaffenden im BundesFilmVerband auf die Ungerechtigkeit der verkürzten Anwartschaft für das Arbeitslosengeld 1 aufmerksam machen (M 03/2007). Weil die Tarifvertragsparteien die gesetzlichen Fehler nicht alleine wettmachen können, ist die Politik gefordert. Deshalb waren zu dem parlamentarischen Abend die Kulturpolitiker der Bundestagsparteien geladen. ver.di-Vize-Chef Frank Werneke forderte, dass die Politik nun endlich handeln müsse, um den „bedenklichen Sozialabbau in der Kreativwirtschaft zu stoppen und den Filmstandort Deutschland nicht zu gefährden“. Bisher hätten sich nur die Oppositionsfraktionen der Grünen und der Linken des Problems angenommen und parlamentarische Initiativen auf den Weg gebracht. Die wurden von den Regierungsparteien niedergeschmettert, was die SPD-Sozial- und Kulturpolitikerin Angelika Krüger-Leißner in Erklärungsnöte brachte. Sie war als einzige Parlamentarierin zum ver.di-Abend erschienen, die anderen Parteien schickten Referenten. Krüger-Leißner monierte, dass es „der Politik“ an verlässlichen Zahlen fehle, um nach befriedigenden Lösungen suchen zu können. Das konterte Hansjörg Füting vom Produzentenverband mit dem Zwischenruf „Sollen wir uns jetzt Jahre mit dem Beschaffen der ‚richtigen’ Zahlen beschäftigen?“ Karsten Schneider betonte, die Zahl von 871 Beteiligten an der Studie sei zwar im „streng wissenschaftlichen Sinn“ nicht repräsentativ, beleuchte aber bei der ungenauen Zahlenlage über die Beschäftigtenzahl in der Filmindustrie doch sehr eindrucksvoll die Situation. „Die Zahlen sind doch völlig egal – jedes Schicksal zählt“, sagte der Kameramann und BFV-Vorstand Jörg Geißler. „Wir haben jetzt ein Problem, Sie müssen sofort handeln oder Sie werden vom beginnenden Wahlkampf eingeholt“, so eindringlich Frank Werneke an die Politikerin.
Branchenwechsel als Ausweg
Dass „Gefahr in Verzug“ ist, zeigen die Zahlen der Studie: über 78 Prozent der Befragten sind unzufrieden mit der sozialen Absicherung, mehr als 57 Prozent schätzen die Zukunft der Filmwirtschaft instabil ein und 26 Prozent wollen die Branche wechseln. Weil die Rahmenfrist für den Anspruch auf Arbeitslosengeld verkürzt wurde, fallen immer mehr Filmschaffende in Hartz IV: die Zahl stieg von 25 auf knapp 30 Prozent. Laut der Umfrage erlitten durch die „Arbeitslosengeld II-Falle“ 25 Prozent finanzielle Einbußen, fast acht Prozent wurden in branchenfremde Arbeit und 1-Euro-Jobs gedrängt. Kein Wunder, dass Senta Berger in einem Grußwort zur Studie moniert: „Wir, die so genannten Freischaffenden, sind durch die Bedingungen in unserer Branche sozial nicht genügend abgesichert. Gerade zwischen zwei Drehs sichert uns kein Netz. Vielleicht sollten wir lieber von uns als ‚Freischwebende’ sprechen als von Freischaffenden.“
Hans-Werner Meyer vom Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler BFFS, der sich wie etliche Filmschaffende im Publikum aktiv in die Debatte einmischte, brachte es auf den Punkt: „Es kann doch nicht gerecht sein, wenn wir in die Sozialkassen einzahlen, im Bedarfsfall aber durch Gesetzesänderungen und bürokratische Hürden davon nichts haben.“ Schauspieler werden wie dauerhaft Beschäftigte behandelt, das wird jedoch den Besonderheiten des Berufs nicht gerecht. Genau dort liegt eines der Probleme: Die Produktionszeiträume und damit die Hauptbeschäftigungszeiten sind von April bis Oktober. In dieser Zeit müssen Filmschaffende ihre Anwartschaften für eine soziale Absicherung ‚erwirtschaften’.
Zum Schluss dann doch noch versöhnliche Worte von Angelika Krüger-Leißner. Durch Aktionen wie „5 statt 12“ und der Studie wachse auch bei Politikern jenseits des Kulturbereichs „die Einsicht, bei der Soziallage im Filmbereich etwas zu verändern“. Entsprechende Signale gebe es im Zusammenhang mit der Debatte in der Regierungskoalition über Veränderungen beim Arbeitslosengeld. Ausdrücklich hätten SPD und CDU/CSU im November vereinbart, „für Saisonbeschäftigte und Künstler“ bei den Beratungen im Deutschen Bundestag nach Lösungen zu suchen, und zwar „so schnell wie möglich“.