Jobchancen

Lutz Frühbrodt von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt konstatiert mehr Festeinstellungen in Fachmedien

Endlich ein Lichtblick in all dem Gejammer über die Strukturkrise des Journalismus! Rechtzeitig und passend zum Weihnachtsfest erreichte uns aus Würzburg die frohe Botschaft, dass es zumindest im Fachjournalismus vermehrte Festeinstellungen gibt, ja dass selbst Quereinsteiger ohne Fachkenntnisse auf diesem Feld Jobchancen haben.

Lutz Frühbrodt: „Ganz  offensichtlich haben  die Fachmedien ein  Nachwuchsproblem.“ Foto: privat
Lutz Frühbrodt: „Ganz
offensichtlich haben
die Fachmedien ein
Nachwuchsproblem.“
Foto: privat

Das ist das Ergebnis einer Umfrage bei 22 Fachverlagen, die von Lutz Frühbrodt und Michael Sturm , beide Professoren vom Studiengang „Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation“ an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt durchgeführt wurde. M wollte es genauer wissen und hat bei Professor Lutz Frühbrodt nachgefragt.

Wie ist es zu dieser Umfrage gekommen?

Lutz Frühbrodt: Wir wollten herausfinden, welche Jobchancen es in den Fachmedien für Studienabsolventen gibt, die nicht aus den technischen Fachrichtungen kommen. Unser Master-Studiengang in Würzburg war ursprünglich so modelliert, dass quasi nur Technik-Absolventen zu Fachjournalisten ausgebildet werden sollten. Es stellte sich aber schnell heraus, dass die meisten Techniker noch während des Studiums lukrative Jobangebote auf ihrem jeweiligen Fachgebiet bekommen und schon sehr früh wissen, wo sie anfangen können, wenn sie ihr Studium beendet haben. Die ganz große Mehrheit hat kaum Motivation, als Fachjournalist zu arbeiten. Um es salopp auf den Punkt zu bringen: Techniker beschäftigen sich tendenziell lieber mit Zahlen als mit Buchstaben.

Und wie haben Sie das Problem gelöst?

Wir haben den Studiengang thematisch erweitert und nehmen jetzt auch Absolventen aus nicht-technischen Fächern auf. Beide Gruppen haben bisher problemlos Jobs bei Fachmedien bekommen, überraschenderweise also auch die Geisteswissenschaftler. Deshalb wollten wir wissen, ob dies für die gesamte Branche gilt. Und die Antwort lautet: ja. Ganz offensichtlich haben die Fachmedien ein Nachwuchsproblem – in erster Linie bedingt durch den allgemeinen Fachkräftemangel, der sich anbahnt.

Woher kommen denn in der Regel die Fachjournalisten?

Früher kamen sie meist direkt aus den Fachbereichen: Zum Beispiel Techniker und Ingenieure, die aus den verschiedensten Gründen umsatteln oder aussteigen wollten, wurden journalistisch angelernt. Noch vor einigen Jahren hatte der Allround-Journalist in den Fachmedien so gut wie keine Chance. Jetzt findet langsam ein Wandel statt: Der besagte Fachkräftemangel schlägt durch. Andererseits werden auch journalistische Kompetenzen immer wichtiger, nicht zuletzt die Bedienung von Multimedia-Kanälen. Also denkt man in den Fachmedienhäusern um: Warum nicht Journalisten einstellen, die man dann fachlich anlernen kann? Fast drei Viertel der befragten Unternehmen haben angegeben, inzwischen nach dieser Maxime zu handeln.

Sie haben 22 Fachverlage befragt. Nach welchem Prinzip haben Sie die ausgewählt?

Der Verband Deutsche Fachpresse hat seine 350 aktiven Mitgliedsunternehmen für uns angesprochen. 22 davon haben geantwortet. Keine sehr hohe Zahl, mag man einwenden, aber der Querschnitt ist durchaus repräsentativ, denn es sind nicht nur Mini-Verlage, die uns da geantwortet haben, sondern auch große mit über 100 Redakteuren. Und wenn Sie sich die Jahresstatistiken der Deutschen Fachpresse vom Vorjahr anschauen, dann sehen Sie, dass sie unsere Ergebnisse stützen. Auch daraus geht eindeutig hervor, dass die Fachmedien Personal eher aufbauen als abbauen, wie das bei vielen Publikumsmedien der Fall ist.

Das ist tatsächlich überraschend: Inmitten der Krise konstatieren Sie eine verbesserte Auftragslage für Fachjournalisten.

Auftragslage klingt eher nach freien Journalisten. Im Fachmedienbereich wird aber relativ wenig mit freien Journalisten gearbeitet. Deshalb haben wir gefragt: Stellen Sie ein? Das ist ja noch mal eine Steigerungsstufe. Und hier ist das Ergebnis ganz eindeutig in der Aussage, dass das Angebot an offenen Stellen wächst. Fast 60 Prozent der befragten Fachmedienhäuser sind derzeit auf der Suche nach Redakteuren. Rund 40 Prozent meinen, sie werden in den nächsten drei Jahren wachsen und deshalb sogar noch zusätzliche Redakteursstellen schaffen.

Aber gerade in den letzten zwei Jahren sind ja viele Verlage den Bach runtergegangen, und entsprechend viele Journalisten liegen auf der Straße und suchen Jobs. Was nützen ein, zwei offene Stellen bei einer Fachzeitschrift, wenn sich gleich Hunderte von Journalisten bewerben?

Ich behaupte nicht, dass sich über die Fachmedien das Beschäftigungsproblem in der Journalismusbranche lösen lässt. Der Fachmedienbereich kann den Personalabbau im Publikumsbereich nicht kompensieren, schon weil er wesentlich kleiner ist. Aber er stellt doch eine Alternative dar, die ein Journalist oder ein Hochschulabsolvent, der sich für eine Arbeit im Medienbereich interessiert, zumindest auf dem Schirm haben sollte. Zwar haben auch die Fachmedien mit der Strukturkrise zu kämpfen, aber nicht in dem Ausmaß wie der Publikumsbereich. Und sicher ist ein Allround-Journalist nicht im engsten Spezialisierungsbereich der Fachmedien einsetzbar, aber doch auf sehr vielen anderen Gebieten, wo es auch mal ohne das Knowhow eines Diplom-Ingenieurs geht. Bei PR-Agenturen im Technikbereich ist das übrigens schon lange der Fall. Dort arbeiten im Regelfall keine Techniker. Und diese Entwicklung bahnt sich derzeit auch im Fachjournalismus an.

Besteht dabei nicht die Gefahr, dass Seichtigkeit und Halbbildung das Feld behaupten, während die Fachkompetenz auf der Strecke bleibt?

Das glaube ich nicht, denn die Spezialisierung ist und bleibt die Kernkompetenz der Fachmedien, der Grund, warum sie genutzt werden. Wir reden hier ja nicht von wirklich wissenschaftlichen Abhandlungen, sondern von Texten für berufliche Entscheider. Die Fachmedien werden nicht unseriös, wenn sie lockerer und variabler sind. Früher hatte man in diesen Zeitschriften einen Fachartikel nach dem anderen. Heute wird mit unterschiedlichsten Textformaten operiert. Da ist auch mal ein ausführliches Interview drin. Zudem erleben wir gerade eine Renaissance des Kommentars. Es gibt Features mit szenischem Einstieg, um das Ganze lesefreundlicher zu machen. Das ist ein positiver Trend. Die Fachzeitschriften sind lange genug den Publikumsmedien hinterhergehinkt. Da gibt es oft noch großen Nachholbedarf.

Sie konstatieren in diesem Zusammenhang auch eine verstärkte Nachfrage nach versierten Online-Journalisten, nach „Wissensmanagern“, wie Sie es nennen, also technisch und sozial kompetenten jungen Leuten, die alle Verbreitungskanäle bedienen, mit sozialen Netzwerken jonglieren, organisieren, moderieren und nebenbei auch noch eine sogenannte „flotte Schreibe“ haben. Sieht so der Journalist der Zukunft aus?

Naja, das ist ein etwas stilisiertes Bild. Der moderne Journalist macht natürlich nicht alles, was Sie da gerade aufgezählt haben, aber einen Teil davon. Seine technisch-organisatorischen Aufgaben nehmen zu. Früher haben die Journalisten ihre Texte nur in die Schreibmaschine getippt. Heute ziehen sie teilweise selbst das Layout auf und müssen sich mit Redaktionssystemen auskennen, damit sie ihre Artikel auf die Online-Plattform hochladen können. Also die technischen Anforderungen sind in allen Bereichen viel größer geworden. Das Fachwissen spielt natürlich auch weiterhin eine wichtige Rolle, aber journalistische Qualität hängt nicht mehr nur vom Fachwissen ab, sondern auch von der Qualität der Recherche und der Darstellung. Das heißt nicht, dass die Nutzer in Zukunft keinen vernünftigen Fachjournalismus mehr bekommen. Aber die Kommunikationskompetenz rückt mehr und mehr in den Vordergrund.

Das Gespräch führte Tanja Stern

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