Klimareporter mit schärferem Profil

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Seit 2007 berichtet das Online-Magazin „klimaretter.info“ über den Klimawandel und die Energiewende. Nun erfolgte ein Relaunch des Portals mit neuem Namen. Mit „klimareporter.de“ soll das journalistische Profil nach außen geschärft werden. Wir haben mit Chefredakteur Joachim Wille über den Relaunch gesprochen und darüber, was bei der aktuellen Klimaberichterstattung falsch läuft.

Herr Wille, Sie haben den Namen von Klimaretter zu Klimareporter geändert. Warum?

Klimaretter entstand 2007, als Nick Reimer und Toralf Staud 2007 das Buch „Wir Klimaretter“ herausgebracht hatten. Es zeigte die Dringlichkeit der Problematik auf und auch, was die Politik, die Wirtschaft und jeder Einzelne tun können, um zu verhindern, dass es zu unbeherrschbaren Klimaveränderungen kommt. Damals entstand aufgrund der großen Leserresonanz die Idee, eine Online-Plattform gleichen Namens zu machen, um das Ganze weiterzutreiben.

Das hat über zehn Jahre lang zwar gut funktioniert. Ein Problem mit dem Namen Klimaretter war allerdings: Viele von außen dachten, es handele sich um eine NGO, die die Menschen zum „Klimaretten“ animieren will. Wir waren und sind aber ein journalistisches Projekt, das die Klimaforschung, die Klimapolitik und die Energiewende begleitet. Weil der alte Name das so nicht klar signalisierte, erfolgte die Umbenennung.

Joachim Wille, Chefredakteur von Klimareporter.de
Foto: privat

Gab es darüber hinaus auch noch Änderungen in der Redaktion?

Die (Wo-)Manpower ist dieselbe. Unser Ziel ist aber, noch stärker investigativ zu arbeiten – neue Themen identifizieren, aufgreifen und damit möglichst auch in anderen Medien zitiert werden. Wir haben zum Beispiel in Kooperation mit dem investigativen Portal „Correkt!v“ in unserem Projekt „Klimaschmutzplan“ detailliert aufgezeigt, wie die Lobbymacht der größten Klimasünder Kohle, Verkehr und Landwirtschaft die Gesetze und Maßnahmen verhindert hat, die notwendig gewesen wären, um das deutsche Klimaschutz-Ziel für 2020 noch zu erreichen.

Trotz ihres journalistischen Selbstverständnisses wollen Sie mit Ihrer Berichterstattung auch etwas bewirken. Der Grat zwischen Aktivismus und Journalismus kann da manchmal schmal sein. Wo liegt der Unterschied?

Ein Aktivist stellt seine persönliche Sicht dar und versucht dann, die Politik, Unternehmen oder die Bürger entsprechend zu beeinflussen. Ein Journalist hingegen muss seinem Thema grundsätzlich neutral gegenüberstehen. Er muss die Fakten zeigen, ein möglichst objektives Bild zeichnen. Seine Aufgabe ist es, auch Gegenpositionen einzuholen, um Sachverhalte einschätzen zu können.

Unsere Leser sind zum Beispiel Menschen, die aus beruflichen Gründen beim Klima und der Energiewende auf dem Laufenden sein müssen, aber auch alle anderen, die begriffen haben, dass wir eines der zentralen Zukunftsthemen der Menschheit behandeln – vom NGO-Mitglied bis zum ganz normalen „Otto Normalverbraucher“.

Wo sehen Sie den größten Hebel, mit ihrer Berichterstattung etwas zu bewirken?

Das Wichtigste ist, das Bewusstsein in der Gesellschaft zu erhalten, dass die Herausforderung Klimaschutz vordringlich gelöst werden muss. Der Blick in die Medienlandschaft zeigt uns ja, dass der Klimawandel von den klassischen Medien vernachlässigt wird. Die Themen tauchen dort zwar auf, es kommt ja keiner mehr daran vorbei. Allerdings wird oft Häppchen-Journalismus serviert, der Zusammenhänge und Hintergründe weglässt.

Außerdem gibt es regelrechte Konjunkturen in der Klima-Berichterstattung. Wenn Klimagipfel ist, werden die Leser und Zuschauer zugetextet, und dann ist wieder ein Jahr Funkstille. Die Regionalzeitungen zum Beispiel haben immer weniger Möglichkeiten, journalistische Spezialisten zu beschäftigen, die sich mit so einem Thema intensiv beschäftigen können.

Welche Schwierigkeiten liegen denn im Klimawandel selbst, es ist ja kein tagesaktuelles Thema?

Der weite Zeithorizont ist in der Tat das Hauptproblem. Der Klimawandel ist ein Phänomen, das im Vergleich mit natürlichen Klimaveränderungen zwar rasant abläuft, für den Menschen ist es jedoch ein sehr langsamer Prozess. Wir Menschen haben kein gutes Sensorium, um den Wandel im Klima zu erkennen. Wir müssen daher erklärt bekommen, was passiert.

Wie sollte denn gute Berichterstattung zum Klimawandel aussehen?

Ein guter Klimajournalismus sieht, je nach Leserschaft, sehr unterschiedlich aus. Man muss versuchen, die Dinge plastisch zu machen. Das kann in Deutschland zum Beispiel sein, dass man die Folgen des erhöhten Starkregen-Risikos beschreibt oder etwa die steigende Waldbrandgefahr in Brandenburg in einer Reportage darstellt.

Vergleichsweise einfach ist es, mit Hurrikanen in Serie oder extremen Dürren Aufmerksamkeit zu erzeugen. Allerdings muss man hier die nötige Sorgfalt walten lassen. Nicht alles ist automatisch „Klima“. Den Klimawandel immer nur als Katastrophe zu buchstabieren, ist ohnehin nicht gut. Damit verdrängt man das Thema eher aus dem Bewusstsein der Leser, weil diese ein Gefühl der Ohnmacht bekommen.

Man muss auf dem Laufenden bleiben, welche neuen Erkenntnisse die Wissenschaftler haben, und diese möglichst verständlich für Nicht-Fachleute „übersetzen“. Die Basis, neben vielen anderen Studien, liefern alle fünf bis sieben Jahre die Berichte des UN-Klimarats IPCC, die den Stand der Wissenschaft zusammenfassen.

Der Fokus ist zudem auf die Energiewende und deren Umsetzung gerichtet. Wir Journalisten dürfen uns nicht damit abspeisen lassen, dass die Politiker „nur“ wegweisende Ziele beschließen. Wir haben ja gerade das Debakel der Bundesregierung erlebt, die bereits 2007 das CO2-Reduktionsziel für 2020 festgelegt hat und in den Koalitionsverhandlungen Anfang 2018 einräumen musste, dass sie es weit verfehlen wird – nach einem Jahrzehnt Untätigkeit.

Der Klimawandel ist doch keine Sache nur für die Umwelt- oder die Wissenschaftsseiten, er betrifft alle Ressorts?

In der Tat gehört das Thema schon längst überall hin. Diese klassischen Umweltseiten und -Sendungen gibt es fast nicht mehr. Das ist okay, aber nur, wenn diese Themen tatsächlich in den anderen Ressorts stattfinden, vor allem in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Das Thema betrifft alle Bereiche – von Energiepolitik über Ernteerträge bis Lifestyle – und wird es zunehmend tun.


Zur Person

Joachim Wille ist Chefredakteur bei Klimareporter. Er arbeitet als freier Journalist auch für andere Printmedien, vor allem für die Frankfurter Rundschau, wo er fast 30 Jahre lang Redakteur, Ressortleiter (für „Umwelt und Wissenschaft“) sowie Reporter war. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Umwelt-Medienpreis (2001) und dem Bundesverdienstkreuz (2015).

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