Am falschen Platz

„Die Welt braucht gute Nachrichten“. Wer bürgt? Ulrich Wickert? Mit dieser Kunde und seinem Kopf auf Großplakaten von „Plan International“, das Paten für Kinder in der Dritten Welt sucht?

Und wenn die Nachrichten mal nicht so gut sind – wie jetzt im Fall des Kinderhilfswerkes Unicef? „Fragwürdige Vorgänge, wie hohe Summen für Beraterverträge“, ließen die Vorstandsvorsitzende Heide Simonis zurücktreten. Statt das Tadelnswerte offen zu benennen, verkündet das Unicef-Vorstandsmitglied Rolf Seelmann-Eggebert die Ausflucht in ein „neues Leitbild“. Was war denn nun? Die Spender sind mit Desinformation genauso schlecht bedient wie vorher. Ach wie überraschend „mehr als traurig“ springt Unicef-Botschafterin Sabine Christiansen für ihren früheren Kollegen in die Bresche: gefühlvolle Null-Aussage, offenbar Null-Einblick.
Spendenorganisationen werben gerne mit Konterfeien von Mediengrößen – das Hilfswerk Misereor z.B. mit dem Moderator Michael Steinbrecher. Was bekommen die Stars für ihre plakativen Auftritte über Befriedigung von Eitelkeit, über vielleicht benötigten Zugewinn an sozialem Touch von hohem Ablasswert hinaus? Der Kultur des Helfens mittels Spenden erweist einen Bärendienst, wer mit der Suggestion von Medienautorität, dem Schein eines der Wahrheitsfindung, der kritischen Recherche verpflichteten Ethos dem „Irrglauben“ Vorschub leistet, „die Spendenorganisationen seien vor Fehlern jeglicher Art gefeit“ (Chef des Deutschen Institutes für soziale Fragen / DZI). Wird nicht das Vertrauen in die Medien, die die Promis implizit vertreten, brüchig, weil eine offensive unabhängige Berichterstattung über die von den Stars empfohlenen Nichtregierungsorganisationen (NRO) alles andere als noch nahe liegt?
Es ist nicht nur das Feld der Spendenorganisationen allein, das Schaden nimmt. Erdrückt ist vielmehr der für die Zukunft der Entwicklungspolitik unentbehrliche Diskurs – über Projekte der NRO weit hinaus auch über ihre ambivalente, vielfach überschätzte Rolle im Kontext der damit verzerrt wahrgenommenen Nord-Süd-Beziehungen. Promi gleich Gutmensch predigt, posaunt, präsentiert sich als Aktionist, macht kurzsichtig im Blick auf strukturelle Komplexität – erst Recht, wenn mit Medienkompetenz gespielt wird. Unicef wurde jetzt vom DZI das Spendensiegel entzogen – der Medienheiligenschein darf weiter schillern.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Altersdiskriminierung beim WDR?

Der WDR serviert freie Mitarbeiter*innen ab, die im Rentenalter für den Sender arbeiten wollen. Damit tut er genau das Gegenteil von dem, was in der öffentlichen Diskussion derzeit geraten wird. Während Angestellte sich also über Jahre hinweg auf einen Termin für ihren Ruhestand vorbereiten konnten, wird langjährigen freien Mitarbeiter*innen nun mit kurzer Frist mitgeteilt, wann für sie angeblich Schluss sein soll. Altersdiskriminierung will man beim WDR aber nicht erkennen – für den Sender gehe es vielmehr darum, jüngeren Mitarbeitenden nicht den Einstieg zu blockieren.
mehr »

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »