Unabhängige Medien in Gefahr

Medientag SAT ver.di

Auf dem Podium diskutierten Christoph Schmitz-Dethlefsen, Sabine Schiffer und Heiko Hilker (v.l.n.r.). Foto: Micha Steinwachs

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 

Gewerkschaftssekretär Lucas Munzke vom Landesbezirk SAT zeigte sich zufrieden mit dem Medientag: „Vor dem Hintergrund der jüngsten Veröffentlichung von Reporter ohne Grenzen und den Kürzungsankündigungen des Mitteldeutschen Rundfunks haben wir die treffenden Themen für unsere Veranstaltung gewählt.“ Man müsse sich wehren, erklärte Munzke mit Blick auf die  „zahlreichen Angriffe auf Journalist*innen – ob körperlich oder politisch wie durch Ankündigungen der AFD in Thüringen, den Rundfunkstaatsvertrag aufzulösen“.

Die Eröffnungs-Keynote von Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer steckte zu Beginn den Rahmen der Tagung. Eine „Perle mit Defekten“ nannte die Leiterin des Instituts für Medienverantwortung die deutsche Medienlandschaft im internationalen Vergleich. Damit deutete sie eine Bedrohungslage an, die dann den Auftakt für die erste Diskussionsrunde unter dem Titel „Medienmacher*innen in Gefahr“ bildete.

Alte und neue Bedrohungen für Journalist*innen

Obwohl körperliche Angriffe auf Journalist*innen im vergangenen Jahr insbesondere im Vergleich zu den Vorjahren abgenommen hätten, nehme die Beeinträchtigung freier Berichterstattung auf anderer Ebene zu, sagte Schiffer. Sie bezog sich damit auf die aktuelle „Nahaufnahme Deutschland“ von Reporter ohne Grenzen (RSF). Nach dem im April veröffentlichten Bericht der NGO hätten das zum Beispiel die sogenannten Bauernproteste gezeigt, bei denen unter anderem die Auslieferung von Zeitungen durch Blockaden verhindert wurde – wegen Unzufriedenheit über die Berichtersttaung. 

„Die Attacken auf Medienschaffende sind vielfältig“, resümierte auch ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz-Dethlefsen. Er saß neben MDR-Rundfunkratsmitglied Heiko Hilker ebenfalls auf dem Podium. „Neben physischen Attacken auf Journalist*innen  gibt es einen steigenden ökonomischen Druck, der sich auf die Arbeit auswirkt. Außerdem sinkt die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber freier Berichterstattung, was ebenfalls als Angriff gewertet werden kann“, so Schmitz-Dethlefsen. 

Die Diskussion drehte sich um die Frage, wie Journalist*innen besser vor Angriffen geschützt werden können. Dabei kam insbesondere die Lage von Lokaljournalist*innen zur Sprache, die oftmals dort wohnen, von wo sie auch berichten. Es sei fatal, wenn diese sich aus Sicherheitsgründen gegen eine Berichterstattung entscheiden würden, meinte Christoph Schmitz-Dethlefsen. An dieser Stelle wurde auf Sicherheitskonzepte wie Sicherheits- und Selbstverteidigungstrainings für Journalist*innen und den Medien-Schutzkodex unter anderem von ver.di und dju verwiesen. 

Außerdem ging es um die zunehmend prekäre Lage vieler freier Journalist*innen in Deutschland und den ökonomische Druck auf Medienhäuser. Der unabhängige Journalismus sei in seiner Gesamtheit in Gefahr, hieß es auf dem Podium. Deswegen könne er sich keine Konkurrenz zwischen den Medien vor allem im Lokaljournalismus – sei es zwischen privaten oder öffentlich-rechtlichen Medienhäusern – leisten.

Diversität und neue Medien

Neben den Angriffen auf den Journalismus sollte es aus Sicht der Programmmacher*innen von der Landesfachgruppe Medien, Journalismus und Film in ver.di auch um die Weiterentwicklung des Journalismus gehen. So wurde beim zweiten Podium die Diversität in den Medien diskutiert. Mit dabei waren die Journalistin Nhi Le, der Landesfunkhausdirektor von MDR Sachesen, Sandro Viroli, und die Vizepräsidentin des Medienrates der Sächsischen Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien, Katrin Kleeberg. 

Unter dem Titel „Journalismus, Säule der Demokratie“ ging es unter anderem um die Öffnung der Medienlandschaft für marginalisierte Stimmen, aber auch um die Rolle neuer Medien. Nhi Le verwies auf Talentförderprogramme einzelner Rundfunkanstalten, die sich an migrantische Menschen richten würden. Allerdings gebe es ihrer Ansicht dort „noch Luft nach oben“. Als Vertreterin des digitalen Journalismus berichtete sie zudem über die vielfältigen Angriffe auf Kolleg*innen durch Hassnachrichten und Shitstorms in den sozialen Medien. Sie fragte, ob sich die Redaktionen dieser Gefahren bewusst seien? Außerdem bemängelte sie noch immer oft fehlende Hilfsangebote für betroffene Journalist*innen. Gleichzeitig brach sie eine Lanze für digitalen Journalismus: „Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk muss dort stattfinden, wo die Menschen sind. Also auch auf sozialen Medien“, sagte die frühere NDR-Volontärin. 

Debatte um Einsparungen beim MDR

Auf dem gleichen Podium wurden noch die Kürzungen beim MDR diskutiert. Vor etwa zwei Wochen waren die Sparmaßnahmen bei dem Sender bekannt gemacht worden. Neben rund 300 Stellen, die in den nächsten vier Jahren eingespart werden sollen, wird auch über Kürzungen im Programm nachgedacht. Davon sind offenbar die investigativen Angebote von MDR Exakt und exactly betroffen. So verwunderte es nicht, dass darüber hitzig diskutiert wurde. Kritische Fragen zu den Einsparungen bei der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt an MDR-Landesfunkhausdirektor Sandro Viroli kamen da von Mitarbeitenden der angesprochenen Investigativformate. Ihnen fehle seit Ankündigung der Kürzungen eine Erklärung seitens der Direktion, warum gerade hier so stark eingekürzt werden soll. Zum Abschluss stand die Aussage von Viroli, dass die Kritik seitens der MDR-Vorstände gehört werde. Ob das an der Lage des Investigativprogramms noch etwas ändern wird, wird sich zeigen.

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