Rumfummeln
Von Gisela Sonnenburg | Wer glaubt, im Hause der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries würde mit der Wirtschaft gekungelt, liegt wohl nicht falsch. Zu verdanken ist diese Erkenntnis Manfred Plinke, Betreiber von autoren-magazin.de. Als Betroffener extrem vieler Maulkorb-Verfahren – über hundert in drei Jahren – reichte er beim Bundestag eine Petition ein: mit dem Wunsch nach gesetzlicher Reformierung, damit einstweilige Verfügungen nicht mehr so schnell verhängt würden. Verfügungen sind jene eilig erteilten Verbote, die, wenn sie zu Unrecht verhängt werden, die Presse- und Meinungsfreiheit verletzen.
Allerdings geht im juristischen Gestrüpp schnell was nach hinten los. Vor allem, wenn der Leiter des Referats für Zivilprozessrecht die Petition benutzt, um für Spezln aus der Wirtschaft einen Konsens vorzubacken, mit dem Zypries bei Lobbyisten glänzt. Ministeriale Vorschläge gingen an den Bundesverband der Deutschen Industrie, die Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Um nur drei von 34 Adressaten zu nennen, deren Stellungnahmen das Ministerium erwartet. Doch statt, was originell und richtig wäre, eine Entschädigung des Belangten bei aufgehobenen Verfügungen einzuführen, plant der Staat: eine weitere Ungleichheit zwischen Großkapital und Bürger – unterm Deckmantel angeblicher „Chancengleichheit“.
Die wird aber abgeschafft, wenn, wie vorgeschlagen, der „Fliegende Gerichtsstand“, der etwa bei Internet-Delikten den Kläger den Gerichtsort wählen lässt, eingeschränkt wird. Konzernen und Megareichen macht es zwar nichts, in einer fernen Stadt zu klagen. Aber einfache Bürger – etwa auch freie Journalisten – sind wegen der Fahrtkosten wie aus Zeitgründen drauf angewiesen, nah am Lebensmittelpunkt vor Gericht zu ziehen. Dass mutmaßliche Rechtsverletzer nicht bevorzugt werden, ist eher in Kauf zu nehmen als die Benachteiligung ihrer Opfer.
Auch, dass mehrere Gerichte mit demselben Begehr behelligt werden, wollen Zypries-Getreue abschaffen. Doch was, wenn ein Gericht überlastet ist oder ein Richter sich mit einer Materie nicht auskennt? Auch eine Kürzung der Frist, bis wann eine Verfügung möglich sei, oder eine kurzfristige Anhörung der Gegenseite nutzt letztlich wieder nur gut Situierten: Die haben viele Anwälte. Der normale Bürger kann nicht jeden Tag Zeit und Geld aufwenden, um Falschbehauptungen entgegen zu wirken. Man muss daher sorgsames Abwägen bereits beim Antragsteller der Einstweiligen Verfügung erzwingen, indem ihn falsches Begehren entschädigungspflichtig macht – statt doppeldeutig am Gesetz rumzufummeln.
Unglaubliches Urteil
Von Karin Wenk | Kulturgüter in Berlin-Brandenburg, so sie der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gehören, dürfen künftig von Fotojournalisten nur noch mit Genehmigung abgelichtet und kommerziell verwertet werden. Das besagt ein Urteil des Potsdamer Landgerichts vom 21. November. Die Fotoagenturen Ostkreuz und Fotofinder wurden auf Unterlassung und zu Schadenersatz verurteilt. Die bisherigen Pressefotos sollen aus den Archiven gelöscht werden. Der zu zahlende Schadenersatz muss noch beziffert werden. Da sich die Kulturgüter im Eigentum der Stiftung befinden, hätte diese entsprechende Nutzungsrechte, könne also damit „nach Belieben verfahren“, begründete der Vorsitzende Richter Wolfgang Christ die Entscheidung. Sie dürfe für alle von ihrem Grundstück aus entstandenen Bilder Gebühren verlangen. Private Schnappschüsse und tagesaktuelle Fotos seien davon nicht berührt. Die Pressefreiheit sehen die Richter somit nicht verletzt.
Aber gerade darin liegt die Crux dieser Betrachtungsweise. Sie ist unverständlich und nicht nachvollziehbar, weil sie in unglaublicher Weise die Pressefreiheit einschränkt. „Das Gericht räumt dem Grundrecht auf Eigentum der Stiftung – die hier als Verwalter im gesellschaftlichen öffentlichen Auftrag auftritt – einen nicht nachvollziehbaren Vorrang vor dem Grundrecht der Pressefreiheit ein“, kommentiert dju-Bundesgeschäftsführerin Ulrike Maercks-Franzen. Im Gegensatz zum Gericht erklärt auch Ostkreuz-Anwalt Christian Donle, „hier zieht die Pressefreiheit eine Schranke für die Eigentumsrechte ein“.
Das Urteil ist aber auch realitätsfremd. Fotojournalisten arbeiten heute vor allem als Freie einzeln oder häufig in Freien-Agenturen. Nur noch wenige haben eine Festanstellung in Nachrichtenagenturen oder anderen Medien. In jeder dieser Formen stellen sie ihre Pressefotos, die in der Regel in einem tagesaktuellem Zusammenhang entstehen und vielfältig bis zu Featureaufnahmen sein können, in ihre Archive. Nicht zuletzt der mehrmalige Zugriff von Medien zur Nutzung nach den angegebenen AGB sichert ihnen ein akzeptables Einkommen. Also werden auch Fotos für die Hintergrundberichterstattung etwa über das Schloss Sanssouci herangezogen. Das ist die Realität. Wie, aber und vor allem wer, definiert denn nun künftig „tagesaktuelle Fotografie“? Die siegreiche Schlösserstiftung? Übrigens offenbar die einzige in der Bundesrepublik, die im gesellschaftlichen Auftrag verwalteten öffentlichen Raum derart für eigene Zwecke abschottet. Eine höchstrichterliche Entscheidung scheint hier dringend geboten. Beide Parteien prüfen derzeit, per Sprungrevision den Bundesgerichtshof anzurufen.