Reportern auf Karrierekurs bleibt in Amerika nur die Selbstzensur
Bill O´Reilly ist der Lieblings-Buhmann aller Liberalen, und er tut alles, um diesem Ruf gerecht zu werden. In seiner abendlichen Hit-Talkshow auf dem konservativen Nachrichtenkanal Fox News lässt er stets die ignorantesten Sprüche vom Stapel. Immer wieder gern zitiert wird sein Kommentar, als Studenten in North Carolina Auszüge aus dem Koran lesen sollen. „Das ist, als hätten wir im Zweiten Weltkrieg ‚Mein Kampf‘ lesen sollen“, polemisierte er.
Doch der konservative Medienmogul Rupert Murdoch, der mit seinem internationalen Imperium auch über Fox News regiert, hat O´Reilly nicht wegen seiner aufklärerischen Ideen angeheuert, sondern vor allen Dingen, um Quoten zu generieren. Seine Sendung lockt abendlich rund zwei Millionen Zuschauer vor die Glotze. Ein weitaus größeres Publikum, nämlich rund 40 Millionen Hörer, haben die zahllosen Talk-Radios in den USA, die beinahe ausnahmslos konservativ ausgerichtet sind. Berüchtigte Namen wie Rush Limbaugh, Oliver North und Gordon Liddy bekennen täglich ihre Vaterlandstreue oder rufen – wie während des Krieges – zum Beten auf. „Ich weiß nicht, ob die Leute zuhören, weil sie konservativ sind oder weil sie sich unterhalten fühlen“, sagt der New Yorker Medienkritiker Eric Alterman. Er ist einer jener frustrierten Liberalen Amerikas, die sich zu lange für die Sache aufgerieben haben, ohne dass sich irgend etwas geändert hat. Heute hat Alterman so gut wie resigniert. Er erwartet nicht, dass sein neues Buch mit dem Titel „What Liberal Media?“ etwas an den bestehenden Verhältnissen ändern wird. Er glaubt auch nicht, dass die Mehrheit der Amerikaner so weit nach rechts orientiert ist, wie es die konservativen Medien scheinen lassen. „Aber es gibt Konservative, denen ihre Politik wirklich am Herzen liegt, die Lobby betreiben und die Medien unter Druck setzen. Und es gibt nicht so viele Liberale, die auch so sind.“ Die mediale Dynamik ist damit entschieden. Wer differenziert und leidenschaftslos argumentiert, generiert wenig Quoten. Phil Donahue, der mit seiner Talkshow auf dem Nachrichtenkanal MSNBC einen liberalen Gegensatz zu Bill O´Reilly hätte setzen können, scheiterte wegen chronisch schlechten Ratings.
Die Bosse haben das Sagen
Nun soll eine neue Idee den Ausgleich bringen: Eine Gruppe liberaler Venture Capitalists will genügend Geld auftreiben, um eine linke Talkradio-Show mit dem populär-populistischen Entertainer Al Franken („Rush Limbaugh is a Big Fat Idiot“) aufzubauen. „Al Franken ist ein lustiger Typ, er könnte ein derartiges Massenpublikum anziehen“, meint Eric Alterman. „Ich weiß nicht, ob es ökonomisch eine gute Idee ist, aber die Liberalen brauchen das, weil die Konservativen sie in dieser Hinsicht killen“. Weil ein Großteil des öffentlichen Diskurses in den Vereinigten Staaten von den Medien getrieben wird, entsteht so das Zerrbild einer Gesellschaft, in der die konservativen Großmäuler stets über die moderaten Kräfte dominieren. „Politik in Amerika wird immer weiter professionalisiert“, erklärt Alterman. Und jene Profis tun alles, um die Medien in ihren Bann zu ziehen. Zwar gelten Eliteblätter wie die „New York Times“, die „Los Angeles Times“ oder der „Boston Globe“ als eher liberal. Doch der Großteil der Amerikaner bezieht seine Nachrichten aus dem Fernsehen. Und die Medienkonzerne, die diese Sender besitzen, wie Disney und News Corporation, sind vor allem an einem interessiert: an Profiten. Und wenn sich mit konservativer Stimmungsmache Geld machen lässt, dann soll es ihnen recht sein. „Es kann sein, dass die Journalisten selbst liberal sind, aber ihre Bosse haben andere Prioritäten, und die haben das Sagen“, resümiert Alterman. Also bleibt den Reportern, die Karriere machen wollen, nur eines übrig: „Selbstzensur“. Alterman glaubt nicht, dass die Amerikaner ein grundlegend konservatives Publikum sind. „Wenn man sich Umfragen anschaut, dann haben die meisten liberale Ansichten über die wichtigsten Fragen“.
Die letzten Regeln fallen
Ein unilateraler Krieg in Irak zum Beispiel wurde von der Mehrheit bis kurz vor Kriegsbeginn – wenn sich die Amerikaner traditionell „um die Flagge“ versammeln – abgelehnt. Im Fernsehen sah man davon nicht viel. „Es ist nicht die Aufgabe der Medien, die Amerikaner zu repräsentieren“, resümiert Alterman. „Ihre Aufgabe ist es, Geld zu machen“. Dieser Entwicklung entgegenzusetzen hat auch die US-Medienaufsichtsbehörde FCC, nichts. Seitdem die Branche in einer umfassenden Gesetzesreform 1996 unter der Regierung Clinton beinahe von allen Eigentümerbeschränkungen enthoben wurde, fusioniert in den USA ein Medienunternehmen nach dem andern. Im Juni werden voraussichtlich die letzen Regeln fallen, und dem so oft beschworenen Bild von Meinungsvielfalt entsprechen die Realitäten schon lange nicht mehr. „Es geht nicht mehr um Demokratie oder Meinungsfreiheit“, sagt der New Yorker Medienkritiker Danny Schechter, der die Webseite mediachannel.org betreibt. „Halt den Mund und kauf ein. Das ist das Mantra. Die Leute werden wie Konsumenten behandelt, und nicht wie Staatsbürger“.