Zwei Podien beim Landes-Journalistentag in Stuttgart
Ist Aufklärung noch gefragt – oder zählt bloß noch Dienstleistung? Welche Rolle haben die Medien gespielt im Kosovo-Krieg? Zwei ganz unterschiedliche Themenstellungen, die jedoch eines gemeinsam haben: Beide Male geht es um Aufgabe und Qualität des Journalismus. Beim Landes-Journalistentag in Stuttgart suchten die Podiums-Teilnehmer Antworten auf beide Fragen.
„Man darf die Medien nicht über einen Kamm scheren“, warnte Franziska Hundseder gleich zu Beginn. Die Bundesvorsitzende der Fachgruppe hat bei etlichen Veranstaltungen zum Kosovo-Krieg ihre Position deutlich gemacht und dabei festgestellt, daß manche Kriegsgegner immer wieder von „Gleichschaltung“ der hiesigen Medien reden. Eine Einschätzung, die einer Überprüfung in keiner Weise standhält – trotz der vielen brav veröffentlichten Propaganda-Lügen der Kriegsparteien.
„Krieg ist immer auch ein Kampf um die öffentliche Meinung“, weiß die Journalistin. Und listete Fälle auf, in denen sich Kollegen zu „Sortiermaschinen für die Propaganda-Meldungen der einen oder anderen Seite“ degradieren ließen. Nur wenige hätten die Strategie der Desinformation von Anfang an durchkreuzt. Doch die Begeisterung mancher Blätter hat rasch nachgelassen. Der Krieg erwies sich nämlich zugleich als „Quoten-Bringer“ (fürs TV) und „Auflagen-Killer“, wie „Bild“ und „Spiegel“ feststellen mußten. Mit zunehmender Dauer, so Hundseders Eindruck, kamen vermehrt kritische Beobachter zu Wort.
„Nur wer viele Zeitungen eingehend studierte, konnte auch mal die Wahrheit finden“, befand dagegen Hermann Gremliza. Der „konkret“-Herausgeber konstatierte „angesichts dürftiger Quellenlage einen immensen Bedarf an Falschmeldungen“ und bemängelte: „Wo es keine zwei Meinungen mehr gibt, gibt es keine Information mehr, sondern bloß noch Propaganda.“ Wer Kritik äußerte, sei als Verräter geschmäht worden.
Die meisten Journalisten haben nach Gremlizas Einschätzung „vorzüglich funktioniert und sich qualifiziert für alle Kriege, die jetzt kommen werden – und die bereits angekündigt sind.“ Bereitwillig seien viele in den „geistigen Schützengraben“ abgetaucht.
Kuno Haberbusch fand diese Kritik zwar überzogen, hat aber ebenfalls den Eindruck, daß Manches im Argen liegt. Der NDR-Mann,Redaktionsleiter von „Panorama“, fürchtet: „Investigativer Journalismus bleibt zunehmend auf der Strecke.“ Er glaubt, daß schon viel erreicht wäre, wenn die Kollegen stets Wert auf „sauberes Handwerk“ legten. Überfordert und im Produktions-Stress habe so mancher stattdessen „Sprechblasen transportiert“ und als Tatsachen verkauft.
Um Qualität und Glaubwürdigkeit ging’s auch beim zweiten Podium am Nachmittag. Mit Service-Häppchen, billigem Anbiedern und Soft-News, so die einhellige Meinung, ist verloren gegangenes Vertrauen langfristig nicht zurückzugewinnen. Medienforscher Heinz Bonfadelli von der Uni Zürich empfiehlt: Mehr Team-Arbeit, genauer recherchieren, Artikel gegenlesen lassen, Leitvorstellungen und ethische Standards entwickeln, interne Blattkritik forcieren und eine Ombuds-Stelle einrichten.
Der freie Journalist Heribert Seifert sieht eine „neue Lust am Reportage-Journalismus“ als hoffnungsvollen Ansatz. Josef-Otto Freudenreich, Reporter der „Stuttgarter Zeitung“, nimmt für sich in Anspruch, daß guter Journalismus durchaus mit recht verstandenem Infotainment zu vereinbaren ist. Ingolf-Wolfram Efler, Leiter der Redaktion Ausland-Europa beim Südwestrundfunk, mahnte: Wer Qualität produzieren will, braucht vernünftige Arbeitsbedingungen. „Wir haben ein Honorar-System, das Qualität am Ende bestraft.“