„Wir sind am Beginn einer Entwicklung, die gerade richtig Fahrt aufnimmt“, resümierte die Sprecherin der „Initiative Qualität im Journalismus, Ulrike Kaiser, das Herbstforum, bei dem sich rund 100 Teilnehmer mit der künftigen Finanzierung von Qualitätsjournalismus durch Stiftungen, Crowdfunding oder staatliche Förderung beschäftigten. Medienforscher Stephan Ruß-Mohl zeigte sich dabei überzeugt, dass Non-Profit-Modelle „keine stabile Basis für die journalistische Infrastruktur“ bieten können.
In Deutschland würden zwar zurzeit rund 5,2 Milliarden Euro gespendet, das entspreche aber nur einem Anteil von 0,1 Prozent des Bruttosozialprodukts, in den USA liege die Quote bei 1,9 Prozent. Der ganz überwiegende Teil der Spendengelder ginge in humanitäre Hilfe, Tier- und Denkmalschutz. Von den rund 21 000 Stiftungen in Deutschland haben rund 120 das Thema Journalismus in ihrer Satzung. Doch Stiftungen sind zinsabhängig und leiden gegenwärtig unter dem „Draghi-Effekt“ der Niedrigstzinsen. Sie orientieren sich an einzelnen Projekten und stellen oft nur Teilfinanzierungen in Aussicht, erläuterte der Medienprofessor der Universität Lugano, der diese Bedingungen als Gründer des „European Journalism Observatory“ selbst nur zu gut kennt.
Welche anderen Wege sollen dann den Qualitätsjournalismus erhalten, wenn Werbeeinnahmen der Medienhäuser sinken, Geld dort nur mit nicht-journalistischen Online-Portalen und Angeboten vom Weinverkauf (Süddeutsche Zeitung) bis zur Vermarktung von Anzeigen für andere Medien (Tagesspiegel) verdient würde und die Leser an die Gratiskultur im Internet gewöhnt seien? Einer direkten staatlichen Förderung von Journalismus erteilten Ruß-Mohl, Deutschlandradio-Intendant Willi Steul, der als Hausherr die Tagung in Berlin eröffnete, und weitere Redner eine deutliche Absage.
Den Weg vom Crowdfunding über den Verein zur Genossenschaft ist die Tageszeitung taz schon seit den 1990er Jahren erfolgreich gegangen. Genossen bekommen keine Ausschüttung, das Geld bleibt im – demnächst neu gebauten – Haus. Die Paywall wird aus Prinzip abgelehnt, aber rund 5000 Leser zahlen freiwillig fünf Euro im Monat, andere für einzelne Artikel. Für Ruß-Mohl funktionieren solche Modelle der Freiwilligkeit nur in einem Nischenpublikum, das er auf etwa drei Prozent einschätzte.
Eine Verbindung von Journalismus und Bildungsarbeit als gemeinnützige GmbH hat das Redaktionsbüro Correct!v mit inzwischen 16 Festangestellten und zusätzlichen freien Mitarbeitern zu seinem Prinzip erhoben. Neben der Anschubfinanzierung von drei Millionen Euro von der Brost-Stiftung für die ersten drei Jahre unterstützt eine Community von derzeit 650 Lesern die Arbeit mit 10 Euro im Monat. Die erarbeiteten Geschichten werden großen und kleinen Medienhäusern kostenlos zur Verfügung gestellt – was immer wieder zu Diskussionen über Geschenke an Verleger führt. Geschäftsführer Christian Humborg unterstrich vor allem den Aspekt der Gemeinnützigkeit, den nicht nur er für Journalismus generell forderte.
Keine Stiftung, sondern Crowdfunding stand am Anfang der „Krautreporter“, die ihr Startkapital rund 15.000 Spendern verdanken. Inzwischen sind noch 5000 Abonnenten im zweiten Jahr geblieben, die ab Mitte Oktober allein Zugriff auf die Krautreportergeschichten haben werden, wie Alexander von Streit schilderte. Er forderte die steuerliche Bevorzugung von Print (sieben Prozent Mehrwertsteuer) gegenüber Online (19 Prozent) zu beenden: „Angleichen oder abschaffen.“ Auch diese Forderung hatte etliche Unterstützer auf dem Podium.
Finanzierung über „Affiliate-Links“ soll im übernächsten Jahr das verbraucherorientierte Online-Portal „finanztip“ tragen, das bisher noch Eigenmittel der Gesellschafter braucht. „finanztip“ untersucht mit festen 30 Redaktionsmitarbeitern beispielsweise Versicherungen oder Finanzprodukte. Die empfehlenswerten Angebote werden dann verlinkt, die Anbieter anschließend um eine freiwillige Zahlung pro Klick gebeten, erklärte Hermann-Josef Tenhagen, früher Chef von „Finanztest“ (Stiftung Warentest).
Sehr viel kleinere Brötchen backen dagegen die Prenzlauer Berg Nachrichten, deren 1,5 Stellen von rund 780 Abonnenten finanziert werden, denen die Stadtviertel-Berichterstattung wichtig ist, aus der sich die großen Berliner Zeitungen zurückgezogen haben. Mitbegründer Philipp Schwörbel sah darin durchaus ein Zukunftsmodell auch für andere Regionen oder kleinere Städte. Bisher eher Nebenbeschäftigung ist „Topf voll Gold“, ein Portal, das die Regenbogenpresse kommentiert/korrigiert. Aber inzwischen als gemeinnützig anerkannt ist, denn die beiden Autoren machen auch Bildungsarbeit in Schulen und Universitäten.
Digitale „Aufrüstung“ ohne das Printprodukt zu vernachlässigen, das nach wie vor das Geld bringe, sah Bascha Mika von der „Frankfurter Rundschau“ als Weg in die Zukunft der Medienhäuser. Für eine bundesweit aufgestellte kleine Zeitung, deren Leser sehr verstreut leben, sei die Umstellung der Abos auf E-Paper ein Vertriebskosten sparender Zukunftsschritt. Eine allgemeine Paywall lehnte sie ebenso ab wie der Tagespiegel-Verlagsgeschäftsführer Florian Kranefuß. Einkünfte sollen eine kostenpflichtige App (FR) bringen oder Paid-Modelle wie „Blendle“ durch Einzelartikelverkauf oder für ein Fachpublikum (Politik-Monitoring, Tagesspiegel). Sublokale Berichterstattung im werbefinanzierten täglichen Newsletter („Zehlendorf“ vom Tagesspiegel) sei ebenfalls erfolgreich.
Kann es eine Zusammenarbeit der eingesessenen Medienhäuser und der neuen Projekte geben, fragte Moderator Werner Lauff in der Podiumsdiskussion? Ruß-Mohl zeigte sich skeptisch, manche der Projekte verlören dann ihren Charakter. Marlis Prinzing von der Macromedia-Hochschule in Köln schloss aus der Medienentwicklung, dass die Journalistenausbildung alte und neue Wege einschließen und generell die Medienkompetenz gefördert werden müsse. „Bedenken abbauen durch Zusammenbringen“ will Simone Jost-Westendorf von der Stiftung „Vielfalt und Partizipation“ der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen.
Konkrete Unterstützung sowohl für die Medienhäuser durch kontinuierliche Software-Modernisierung wie für Projekte versprach Ralf Bremer von Google Digital News Initiative. Demnächst werde ein auf drei Jahre befristeter und mit 150 Millionen Euro gefüllter Innnovationsfonds dafür ausgeschrieben. Über Schulungen und Projekte will die Volkswagen-Stiftung Wissenschafts- und Datenjournalismus fördern, erläuterte Jens Rehländer, der den Aufruf etlicher Stiftungen zur Förderung des Qualitätsjournalismus mitunterzeichnet hat, die Initiative „aber ganz am Spielfeldrand“ sieht. Die „Community“ selbst müsse ihre Bedeutung für Gesellschaft und Demokratie offensiver herausstellen.
„Das Thema gewinnt an Dynamik“, stellte Ulrike Kaiser zum Schluss fest und forderte, „den Pionieren die Arbeit zu erleichtern“, von der Förderung bis zum Informationsaustausch.