Medienbranche braucht Qualifikation – und bekommt sie

Kölner Filmhaus bildet Producer/innen und Aufnahmeleiter/innen aus

In Köln haben Bildungsexpert /innen des ver.di-Fachbereichs Medien, die Film- und Fernsehbranche, Berufsverbände, die Industrie- und Handelskammer (IHK) und das Kölner Filmhaus als Bildungsträger gemeinsam Qualifizierungen für Fachkräfte in der Medienbrancheentwickelt: In zwei bislang bundesweit einmaligen Weiterbildungslehrgängen, die mit einer Prüfung samt Zertifikat vor der IHK enden, werden Producer/innen und Aufnahmeleiter/innen ausgebildet.

„Ich habe mir das zwar weniger anstrengend vorgestellt, aber man kann es schon mit der Berufstätigkeit verbinden“, sagt Silke Pützer, die ihr Zertifikat als Producerin in der Tasche hat. Die 28jährige, seit über fünf Jahren bei einer RTL-Tochterfirma als Producerassistentin angestellt, hatte sich zu dem einjährigen Pilotkurs „Vorbereitungslehrgang zur Prüfung Fiction-Producer/in IHK“ – so der offizielle Name – angemeldet, weil „ich langfristig nicht nur auf meine praktische Berufserfahrung bauen will und kann, sondern auch eine anerkannte Qualifikation haben wollte.“

Dass das Märchen vom Kabelträger, der Hollywood-Produzent wird, immer seltener wahr wird und der Medienstandort Nordrhein-Westfalen dringend auf qualifiziertes Personal angewiesen ist, hat auch die Branche inzwischen erkannt. „Was braucht Ihr, welche Kompetenz sollen Eure Leute haben, was müssen die können?“ So beschreibt Jochen Bentz, Seminarleiter im Kölner Filmhaus, Fragen an die Medienunternehmen, die in den ersten Gesprächen über die Gestaltung von Qualifizierungswegen diskutiert wurden. Initiiert wurden diese Gespräche über das Modell einer berufsbegleitenden Zusatzqualifikation von Jutta Klebon, Bildungsexpertin bei ver.di NRW, Fachbereich Medien, Vertretern der Kölner IHK und dem Kölner Filmhaus! Bentz: „Es stellte sich als besonders wichtig heraus, eine Qualifikation für Leute anzubieten, die schon drei bis vier Jahre praktisch in der Branche arbeiten, und dass das, was die bei uns lernen sollten, genau das sein sollte, was die Branche braucht.“ Was die Branche braucht, sind Producer/innen, die Manager/innen sind, die Drehbücher lesen und beurteilen, die etwas von Dramaturgie verstehen, die verhandeln können und Produktionsabläufe kennen. Bentz: „So eine breit gefächerte Qualifikation gibt es bislang nicht auf dem Markt, aber der Bedarf ist da. Ziel ist es, die eingesetzten Mittel und Techniken in einem Filmprojekt so zu verstehen und beurteilen zu können, dass eine effiziente Planung der Produktionsabläufe und -kosten kompetent vorgenommen werden kann.“

Ein Jahr lang jedes Wochenende Theorie und Praxis zu Themen wie Budget / Kalkulation, Casting, Arbeitsrecht, Schnitt oder Filmfinanzierung – für Silke Pützer eine ideale Sache: „Ich konnte schon gleich im Berufsalltag anwenden, was ich gerade gelernt hatte.“ Im letzten halben Jahr der Ausbildung nahm sie sich Urlaub, um für die umfangreichen dreitägigen schriftlichen und mündlichen Prüfungen vor der IHK zu büffeln. Bei ihr, wie bei etlichen anderen Teilnehmer/innen, hat sich der Arbeitgeber an den Lehrgangskosten von 5.500 Euro beteiligt. Jochen Bentz: „Das ist ausgesprochen preiswert, wenn man die Qualität und Quantität der Ausbildung bedenkt und die Kompetenz unserer Fachdozenten. Wir wollen eben Leute ausbilden, die das wirklich machen wollen und denen das etwas wert ist.“ Beim derzeit laufenden 2. Lehrgang wollten es 50 machen, 17 wählte die Aufnahmekommission nach schriftlicher Bewerbung und ausführlichem Gespräch aus – übrigens mehr Frauen als Männer. Bentz: „Producerinnen müssen sehr kommunikativ sein, vielleicht ist das der Grund.“ Silke Pützer glaubt, dass „wir eben im Bereich Fiction-Producer tolle weibliche Vorbilder haben.“

Zehn Monate dauert der Lehrgang zur Aufnahmeleiter/in, auch er entstand in intensiven Gesprächen zwischen allen Beteiligten. Hier wird, nach Studium oder Berufsausbildung und mindestens zwei Jahren Berufserfahrung in der Medienbranche, nicht berufsbegleitend, sondern in Vollzeit ausgebildet. Das Arbeitsamt bezahlt. Jochen Bentz stolz: „Von 16 Teilnehmer/-innen haben nur drei die IHK-Prüfung nicht bestanden, fünf haben sofort eine feste Anstellung gefunden, die anderen einen Job.“ Auch hier setzt sich ein Auswahlgremien intensiv mit den Bewerber/innen auseinander, Arbeitsamtsvertreter, Produzenten, Aufnahmeleiter, Dozenten sind dabei, auch Sendervertreter, die Praktikumsplätze anbieten, denn zwei Drittel der Weiterbildung sind Praxisblöcke. Für Bentz ist wichtig, dass „sich die Branche nicht mehr rausreden kann, es gäbe kein nach ihren Anforderungen qualifiziertes Personal auf dem Markt, denn das gibt es jetzt. Und zwar sehr gutes.“


Infos

seminare@koelner-filmhaus.de
www.koelner-filmhaus.de

Weitere aktuelle Beiträge

„Von Wertschätzung meilenweit entfernt“

Der Juli ist Urlaubszeit, aber auch Verhandlungszeit. Nach zehn zähen Verhandlungsrunden mit den Zeitungsverlegern und mehrfachen Warnstreiks, hat die dju in ver.di endlich einen Abschluss für Tausende von Journalisten in ganz Deutschland erreichen können. Einer der beim Tarifvertrag mitverhandelte, ist Peter Freitag, Co-Vorsitzender der dju in ver.di und Redakteur für Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau.
mehr »

NIUS: Eine Bühne für rechte Hetze

Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt inszeniert sich seit zwei Jahren auf der Krawall-Plattform „Nius“ als Kämpfer gegen alles vermeintlich oder tatsächlich Linke, Woke, gegen „verlogene Eliten“ und als Gegenpol gegen den verhassten Berliner Hauptstadt-Journalismus.
mehr »

Tarifeinigung bei Tageszeitungen 

In der zehnten Verhandlungsrunde haben sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) in Hamburg auf einen neuen Tarifvertrag für Redakteur*innen bei Tageszeitungen geeinigt. Der Tarifeinigung waren bundesweit in 36 Verlagen und Redaktionen Streiks vorausgegangen, die zuletzt bis zu sechs Tage angedauert haben.
mehr »

Der Clickbait mit den miesen Botschaften

„Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, nach diesem Motto bewertete einst Helmut Thoma, der kürzlich verstorbene ehemalige RTL-Chef, den Erfolg von Programmformaten. Dieses für private Sender typische Prinzip findet inzwischen seine Fortsetzung in immer mehr digitalen Nachrichtenportalen. Das untermauert eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin nach der Auswertung von 40 Millionen Schlagzeilen.
mehr »