Medienmenschen. Wie man Wirklichkeit inszeniert

Aller Anfang ist schwer. Aber wenn eher unbeleckte „Jungjournalisten„ – faktisch: Studierende der Uni Hamburg, also angehende Akademiker – die Chance haben, Prominente zu ihrer Rolle in den Medien zu befragen, hat man Hoffnung. Leider umsonst. Die Interviewsammlung „Medienmenschen. Wie man Wirklichkeit inszeniert“ hat zwar ein schlüssiges Konzept und schicke Überschriften. Auch Vorwort und Einleitung machen neugierig. Aber an der Umsetzung und Einlösung des darin Versprochenen hapert es.

Das liegt vermutlich an der Unerfahrenheit der 26 Studis, die von den zwei Herausgebern auf die Promis angesetzt wurden. Journalistikprofessor Bernhard Pörksen, mit 37 ein „Jungprof“, und Noch-jung-Autor Jens Bergmann, 41, vom Magazin „brand eins“, könnten zwar als originelle Nachwuchsförderer gelten. Doch der Salat ist welk: Weder Joschka Fischer noch Verona Pooth noch Claudia Roth oder Roger Willemsen sagen den Studenten etwas Neues. Kein Wunder: Die Fragen, oft in unlesbarem Bandwurmformat, werden naiv bis verkopft gestellt.
Abgedroschene Phrasen sind denn auch alles, was die Interviewten preisgeben: FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher beschwört seine üblichen apokalyptischen Fantasien, der mediale Hofnarr Peter Sloterdijk eine nicht weiter erläuterte „Dunkelfurcht der Menschen“. DGB-Chef Michael Sommer wird als Häuschenbesitzer „geoutet“ und Sportskanone Franzi van Almsick darf bejammern, dass die BZ sie „Franzi van Speck“ nannte. PR-Berater Klaus Kocks kann gar unwidersprochen behaupten, Joschka Fischer sei seinem Rollenkonzept untreu geworden, als er wieder fett wurde. Dabei war Fischer mit Bauch mindestens so beliebt und erfolgreich wie ohne. Aber die Interviewer sind schlechtere Beobachter, als es Wissenschaft und Journalismus erlauben: Jede Selbstdarstellungsfloskel lassen sie gelten, und wenn sie mal kritisch gegenfragen, tun sie das ungeschickt, gar geschmacklos. So wirken die Gespräche unpersönlich, auch humorlos – und entbehren jeder Dramaturgie.
Immerhin zeigt das Buch sämtliche Anfängersünden in plakativer Größe. Zur Abschreckung und als Musterbeispiel, wie man Interviews nicht führt, wie man sie in den Sand setzt und vergurkt, ist dieses dicke Buch höchst tauglich. Das medienversierte Regie-Genie Christoph Schlingensief hat das offenbar rechtzeitig gespürt: Er zog seine Einwilligung, Übungsobjekt zu sein, nach erfolgtem Interview zurück. Den „Jungjournalisten“ sei gesagt: Euer Buch zeugt von viel Ehrgeiz, aber wenig Fleiß – und noch weniger Esprit und Inspiration. Falls Ihr, was für Journalisten typisch wäre, hartnäckig seid, ein Rat: Anfänger sollten erstmal kleine Formen möglichst brillant beherrschen lernen statt sich in seitenlangen Mega-Interviews mit hartgesottenen Medienprofis zu verheddern.

Jens Bergmann / Bernhard Pörksen (Hrsg.): Medienmenschen. Wie man Wirklichkeit inszeniert

Solibro-Verlag, Münster 2007, 344 Seiten, 19,80 Euro. ISBN 978-3-932927-32-4

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