Subventionierte Journalistenreisen bei Ministerbesuchen im Ausland sind rechtlich bedenklich
Welcher entwicklungspolitische Journalist reist nicht gerne ins Ausland und das möglichst kostenlos? Und welcher Politiker will sich nicht den heimischen Wählern auf internationalem Parkett als weltgewandter Staatsmann präsentieren?Minister und andere hochrangige Politiker nehmen deshalb gern auf Auslandreisen Journalisten mit, diensich nicht lange itten lassen. Offiziell erfolgen solche Einladungen, um die entwiclungs- und außenpolitische Berichterstattung zu fördern. Damit sich für die Medien der Aufwand auch dann lohnt, wenn nur wenig journalistische Ausbeute zu erwarten ist, werden die Reisen manchmal ganz oder zum Teil aus der Staatskasse finanziert.
Rechtlich sind staatliche Stellen zur Neutralität und Gleichbehandlung der Medien verpflichtet. Dies ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Doch wer entscheidet nach welchen Kriterien, wer Politiker begleiten darf und damit aufgrund begrenzter eigener Mittel aus erster Hand über bestimmte Ereignisse im Ausland berichten kann? Und wie „frei“ kann berichtet werden, wenn damit gerechnet werden muß, bei der nächsten Reise zu Hause bleiben zu müssen, falls zu kritisch berichtet wird? Ein Flug mit dem Minister in die Dritte Welt kann so schnell zur rechtlich bedenklichen Reise in die Grauzone gekaufter Berichterstattung werden.Das Berliner Verwaltungsgericht fällte im September 1995 eine möglicherweise richtungsweisende Entscheidung. „die tageszeitung“ hatte gegen den Regierenden Bürgermeister geklagt. Die Zeitung war nicht berücksichtigt worden, als Diepgen zu seiner Begleitung Journalisten auswählen ließ, um mit ihm aus Peking einen von der chinesischen Regierung geschenkten Pandabären für den Berliner Zoo abzuholen. Diepgens Senatskanzlei war von der Lufthansa ein begrenztes Kontingent Plätze zur Verfügung gestellt worden, zugleich übernahm die Regierung für drei Mitarbeiter des Fernsehsenders „IA“ die Kosten für Flug und Unterbringung. Nachdem die Klage eingereicht worden war, ließ die Senatskanzlei umgehend die Journalistenreisen stornieren. Das Verwaltungsgericht mußte danach nur noch über die Kosten des angelaufenen Verfahrens entscheiden und damit über die Erfolgsaussichten der ursprünglichen Klage.
Subventionierung ohne Rechtsgrundlage
Das Gericht entschied gegen die Senatskanzlei und berief sich dabei auf ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts von 1975, nach der die Finanzierung von Reisekosten eine „unmittelbare Subventionierung von Presseorganen“ sei. Nach der damaligen Entscheidung „ist eine Subventionierung allenfalls auf der Grundlage eines Gesetzes möglich, welches durch präzise Tatbestände die Voraussetzungen und Bedingungen der Hilfemaßnahmen so eindeutig festlegt, daß für ein Ermessen der Exekutive bei der Durchführung kein Raum bleibt.“
Ein solches Gesetz gibt es nicht. Doch darüber hinaus bezeichnete das Gericht bei seiner Kostenentscheidung „die staatliche Finanzierung von Reisekosten einzelner Presseunternehmen bei der Begleitung von Regierungsmitgliedern auf Dienstreisen schon deswegen als verfassungswidrig, weil nicht ersichtlich ist, daß hierbei der Anspruch auf Gleichbehandlung – sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die Informationsbeschaffung – gewahrt werden kann“. Nach Meinung des Verwaltungsgerichts gebe es keine mit dem Grundgesetz zu vereinbarenden Kriterien für eine zu treffende Auswahlentscheidung. „Selbst eine Regelung, die die Auswahl dem Zufall überläßt (Losverfahren) oder eine alternierende Beteiligung der interessierten Presseorgane… wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Denn die Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb wird bereits dann verletzt, wenn Presseorganen unterschiedlicher Zugang zu Informationsquellen gewährt wird.“
Gleichzeitig bezeichnete das Gericht den Sonderfall des „Sponsoring“ der Lufthansa als „in höchstem Maße bedenklich, weil mit Zuwendungen Privater nicht wirklich oder vermeintlich konkret bestehende staatliche Verpflichtungen gedeckt werden dürfen, sondern diese Zuwendungen in den allgemeinen Staatshaushalt zu fließen haben“. Die Berliner Senatskanzlei zog aus der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts Konsequenzen. „Der Senat zahlt keine Journalistenreisen mehr“, so Sprecher Thomas Jakobs. „Wenn private Firmen Journalisten eine Reise bezahlen, hat das mit dem Land Berlin nichts zu tun. Eine Vermittlung wird es nicht mehr geben.“
130 subventionierte Reisen in einem Jahr
Verstoßen staatlich subventionierte Journalistenreisen im Ministertroß gegen das Grundgesetz? Der Berliner Bundestagsabgeordnete Wolfgang Behrendt (SPD) fragte die Bundesregierung, welche Konsequenzen sie aus dem Urteil zieht. „Bei dem Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin handelt es sich lediglich um eine Kostenentscheidung, die sich auf Maßnahmen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin bezieht und die Bundesregierung nicht betrifft“, lautet die lapidare Antwort von Peter Hausmann, dem Chef des Bundespresseamtes. Dabei macht die Bundesregierung vom Instrument subventionierter Journalistenreisen regen Gebrauch. Laut Hausmann hat sie allein im ersten Jahr der laufenden Legislaturperiode, also vom November 1994 bis November 1995, in 130 Fällen Flugkosten für Journalisten in Höhe von insgesamt 227210 Mark übernommen. Außerdem wurden in 46 Fällen Hotelkosten mit 44575 Mark getragen.
„Rein formal hat die Regierung recht“, räumt Behrendt ein. Fraglich sei allerdings, ob es nur so formal betrachtet werden könne. Auch die Beträge seien nicht unerheblich. Auf Nachfrage erläuterte Klaus Gotto vom Bundespresseamt, das Berliner Urteil sei eben kein Urteil in der Sache, sondern nur eine Kostenentscheidung und bisher habe es keinen vergleichbaren Fall gegeben. Gotto verweist auf „das öffentliche Interesse an möglichst umfassender politischer Berichterstattung“, das bei politisch bedeutsamen Reisen bestehe. Dem hätten auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestages einvernehmlich zugestimmt.
Klein Kläger, kein Richter
Der Jurist der Gewerkschaft IG Medien, Wolfgang Schimmel, schätzt die Rechtslage ganz anders ein. „Ich sehe bei dem Urteil keine rein Berliner Bedeutung. Nach dem Urteil sind solche Journalistenreisen nur rechtens, wenn die Regierung wirklich jeden mitnehmen würde, der wolle, auch wenn es sich dabei um noch so obskure Medien handelt. In allen anderen Fällen wären subventionierte Journalistenreisen verboten.“ Laut Schimmel habe sich die bisherige Praxis nur halten können, weil niemand dagegen geklagt habe. Die Erfolgsaussichten einer Klage schätzt er als groß ein.
Die Mitreise von Journalisten wird nicht nur von den verschiedenen Landesregierungen unterschiedlich gehandhabt, sondern auch von den einzelnen Ministerien der Bundesregierung. Dies deutet auf ein graduell unterschiedliches Rechtsempfinden hin. Das Auswärtige Amt, dessen Minister am meisten ins Ausland reist, macht laut Pressesprecher Martin Erdmann nur „extrem zurückhaltend“ Gebrauch von der kostenlosen Mitreise von Journalisten. 1995 seien „nur eine Hand voll“ für insgesamt knapp 5000 Mark subventioniert worden. Dabei habe es sich um Themen gehandelt, bei denen das Auswärtige Amt davon ausgegangen sei, daß ohne Unterstützung nicht darüber berichtet worden wäre. Hotelkosten würden grundsätzlich nicht bezahlt.
„Wir sind uns der Brisanz des Themas Journalistenreisen bewußt und haben deshalb seit langem eine rigide Praxis“, so Erdmann. Üblich sei beim Auswärtigen Amt, Medienvertretern generell gegen Kostenerstattung die Mitflugmöglichkeit anzubieten. Dies erfolge per Fax an 130 Redaktionen, bei denen auch die Auswahl der Journalisten liege. Mitkommen könne jeder Journalist, der wolle und zahle. Auch freie Journalisten können sich in den Verteiler aufnehmen lassen. Die von der Bundesluftwaffe in Rechnung gestellten Flugkosten betragen 30 Prozent des normalen Lufthansa-Tarifs und entsprechen in etwa dem Niveau eines preiswerten Charterflugs.
Laut Erdmann begleiten in der Regel 20 bis 30 Journalisten den Außenminister bei seinen Auslandsreisen. Im Flugzeug gebe es dann „Briefings“ und Interviewmöglichkeiten. Bis auf zwei Fälle habe es in den letzten Jahren nie einen Mangel an Plätzen gegeben. Bei den Ausnahmen sei das Auswärtige Amt auf begrenzte Plätze in Flugzeugen der Ifor-Truppen im ehemaligen Jugoslawien angewiesen gewesen. „Da wurden dann von den Kamerateams und Fotografen Pools gebildet, die von den Journalisten selbst zusammengestellt wurden“, so Erdmann. „Wir sehen unsere Praxis als kompatibel an mit dem Urteil des Berliner Urteil.“
„Wichtigkeit“ kontra Gleichbehandlung
Ähnlich wie das Auswärtige Amt handhaben nach eigenen Angaben auch das Bundespresseamt (bei Kanzlerreisen) und das Bundespräsidialamt die Mitnahme von Medienvertretern. Sie erklärten auf Anfrage, daß Hotelkosten nicht gezahlt würden und bei den Flugkosten wie beim Auswärtigen Amt verfahren werde. Beim Mitflug in der geräumigen Kanzlermaschine gebe es laut Gotto „keine Probleme bei der Auswahl der mitreisenden Journalisten“. Demgegenüber erklärte Wolfgang Teske vom Bundespräsidialamt, daß es Besuche gebe, „bei denen Journalisten ausgewählt werden müssen“. Als Kriterium nannte er die „Wichtigkeit“ des Mediums. Es darf bezweifelt werden, ob dies mit der vom Grundgesetz geforderten Gleichbehandlung der Medien zu vereinbaren ist.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) subventioniert von allen Ministerien die meisten Journalistenreisen. Von den 130 Fällen der gesamten Bundesregierung im ersten Jahr der laufenden Legislaturperiode betrafen allein 83 das BMZ. Diese verteilten sich auf 7 Reisen und 72 Journalisten, so Leo Kreuz von der BMZ-Pressestelle. Von den Reisen waren zum Zeitpunkt der Anfrage erst 3 mit 41 Fällen abgerechnet. Dabei übernahm das BMZ aus seinem Haushaltstitel „Unterrichtung der Öffentlichkeit“ Flugkosten für 71710 Mark. Für Unterkunft und Verpflegung mußten die Journalisten selbst aufkommen. Laut Kreuz gibt es beim BMZ drei Arten von Journalistenreisen:
- die Begleitung des Ministers und von Staatssekretären;
- organisierte und begleitete Journalistenreisen;
- die Bezuschussung von Einzelreisen von Journalisten in Ausnahmefällen.
Ziel der Reisen sei, daß sich die Journalisten mit den Problemen der Entwicklungsländer vertraut machen könnten. Dem BMZ ginge es darum, das Thema Entwicklungspolitik möglichst sachlich und möglichst oft in die Medien zu bekommen. „Auch ein kritischer Artikel ist besser als gar keiner“, so Kreuz. „Aber wir sind natürlich froh, wenn unsere Arbeit besonders gewürdigt wird.“
Bei der Auswahl werde auf die Journalisten zurückgegriffen, die für ihr entwicklungspolitisches Interesse bekannt seien. Auch werden Redaktionen angesprochen, bei denen das BMZ die entwicklungspolitische Berichterstattung stärken wolle und Medienvertreter werden nach Größe ihres „Multiplikatoreffekts“ ausgewählt. „Je größer das Medium, desto lieber ist es uns“, so Kreuz. Er verweist darauf, daß aber auch kleine Medien und freie Journalisten, die dem BMZ bekannt seien, zum Zuge kämen. Auch habe das BMZ „keine Probleme mit der Gleichbehandlung vergleichbarer Medien“. „Die Welt“ werde genauso berücksichtigt wie die „Frankfurter Rundschau“, die „Frankfurter Allgemeine“ oder die „Süddeutsche Zeitung“. Laut Kreuz verhalte sich das BMZ neutral, doch könne es in seiner täglichen Arbeit nicht „für jedes noch so kleine Nischenblatt den gleichen Aufwand betreiben wie für große Medien“. Die Kostenentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts habe für das BMZ keinerlei Relevanz, wie eine juristische Prüfung im Hause ergeben habe. Formal hat das BMZ hier recht, wie bereits das Bundespresseamt. Aber weder ist die Praxis des BMZ mit der in der Kostenentscheidung vorgenommenen Interpretation des Grundgesetzes zu vereinbaren noch scheint eine Gleichbehandlung immer gewährleistet.
Einseitigkeit
Der Eindruck einer gewissen Einseitigkeit, der sich bereits bei der Auswahl der Artikel für den BMZ-Pressespiegel aufdrängt, bestätigt sich bei der Liste der Medienvertreter, die bisher auf BMZ-Kosten in die Dritte Welt reisen durften. Das Spektrum umfaßt zwar unterschiedliche bundesweite und regionale Medien einschließlich freier Journalisten und Fotografen. Doch während das einem CSU-Minister unterstehende BMZ zum Beispiel Vertretern des „Bayernkuriers“ und von „idea“ Reisen subventionierte, fehlen in der BMZ-Liste linke Medien wie zum Beispiel „die tageszeitung“, „Neues Deutschland“ oder „junge Welt“. Daß es sich dabei nicht um Zufälle handelt, bestätigte Kreuz, als er auf Nachfrage erklärte, das „Neue Deutschland“ werde er nur „auf Anweisung“ einladen. „Von denen versprechen wir uns keine sachliche Berichterstattung“, so der Beamte.
Die gewisse Einseitigkeit bei der Auswahl der Medien durch die BMZ-Pressestelle wird durch die Voreingenommenheit einiger Journalisten erleichtert. Zwar sind sicher Zweifel berechtigt, ob aus der durch das Land eilenden Ministerkarawane heraus überhaupt entwicklungspolitisch sinnvoll berichtet werden kann. Doch andererseits ist die Kritik einseitiger Auswahl überzeugender, wenn der Wunsch auf Mitreise zuvor überhaupt explizit geäußert wurde. Zumindest juristisch wäre dies wichtig. Da einige Journalisten offenbar davon ausgehen, ohnehin nicht mitgenommen zu werden, äußern sie ihren Reisewunsch gar nicht erst, womit sich ihr (Vor-)Urteil der Einseitigkeit auch leichter selbstbestätigen läßt.
Auf eine rechtlich korrekte, aber trotzdem nicht unproblematische Art handhabt die „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“ (gtz) Journalistenreisen. Die privatrechtlich organisierte gtz unterliegt als Bundesinstitution dem deutschen Haushaltsrecht. Sie ist damit zur Offenlegung ihrer Tätigkeit verpflichtet. Üblich sei es bei der gtz, auf eigenen Kosten reisenden Journalisten nach Rücksprache mit dem Personal vor Ort lokale Kontakte zu vermitteln und im Rahmen der Möglichkeit bei der Bereitstellung von Fahrzeugen und ähnlichem zu helfen, so Johannes Seifen von der Pressestelle. Den gtz-Projekte besuchenden Journalisten wird dann eventuell auch angeboten, für gtz-Publikationen gegen das übliche Honorar zu schreiben. Laut Seifen werden solche Aufträge vergeben, wenn die Journalisten in der Pressestelle bekannt seien und ihre Berichterstattung entwicklungspolitische Relevanz habe und nach Möglichkeit die technische Zusammenarbeit beinhalte. Für die gtz sei diese indirekte Reisefinanzierung ein „ganz normaler Auftrag“, wie ihn andere Redaktionen auch vergeben. Laut Seifen habe die gtz „keine Berührungsängste“. Die Journalisten berichten durchaus kritisch. „Wenn wir von einer kritischen Grundeinstellung ausgehen können, ist das doch reizvoll“, so Seifen. Daraus ergäben sich oft interessante Diskussionen.
Problematische Aufträge
Was die gtz als „normalen Auftrag“ bezeichnet, ist es bei näherem Hinsehen problematisch. „Normalerweise“ sind Auftraggeber und Berichtsgegenstand getrennte Parteien. Medien beauftragen Journalisten in der Regel damit, über Dritte zu berichten und nicht über den Herausgeber des Mediums. Bei der Berichterstattung für gtz-Publikationen steht diese selbst im Mittelpunkt bzw. es wird ein mediales Umfeld geschaffen, in dem sie eine zentrale Rolle spielt. Damit ist die Grenze zur PR-Arbeit überschritten, auch wenn es sich vielleicht um eine moderne und aufgeklärte Form handelt, die aus Gründen der eigenen Glaubwürdigkeit den Journalisten große Freiheiten einräumt und Wert auf die Einbeziehung kritischer Berichterstatter legt. Die Unabhängigkeit der Berichterstattung ist insofern beeinträchtigt, als die Journalisten ihr Honorar eben nicht von einer dritten Partei bekommen, sondern vom Berichtsgegenstand selbst.
Spätestens wenn die Journalisten öfter für die gtz schreiben, werden finanzielle Überlegungen ihre Unabhängigkeit einschränken. Dies sehen zumindest einige Medien so. So hat in einem ähnlichen Fall der „Tagesspiegel“ in Berlin vor einigen Jahren einen Wirtschaftsredakteur entlassen, als sich herausstellte, daß dieser regelmäßig für eine Publikation des Wirtschaftssenats schrieb. Dies beeinträchtige die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des Redakteurs und damit auch die des Tagesspiegels, so die Zeitung.
In Ausnahmefällen zahlt die gtz auch die Flug- und Hotelkosten von Journalisten bei Projektbesuchen. 1995 habe es nur einen solchen Fall gegeben. Im Vorfeld der Pekinger Weltfrauenkonferenz ging die gtz davon aus, daß ohne ihre volle Subventionierung von zwei Journalistinnen laut Seifen „wichtige Aspekte der Berichterstattung“ zu kurz gekommen wären. Zwei Journalistinnen der „Frankfurter Allgemeinen“ und der „tageszeitung“ wurden zu einem begleiteten Besuch eines gtz-Frauenprojektes nach Kolumbien eingeladen.
Förderung entwicklungspolitischer Berichterstattung?
Alle befragten Pressestellen gaben an, das Hauptziel der Journalistenreisen sei die Förderung der entwicklungs- oder außenpolitischen Berichterstattung und erst in zweiter Linie die Darstellung der eigenen Arbeit in der Öffentlichkeit. In Wahrheit dürfte es genau anders herum sein. Gibt es keine sinnvolleren Methoden der Förderung entwicklungspolitischer Berichterstattung, als Journalisten im Tross eines Ministers durch die Nobelherbergen eines Entwicklungslandes zu schicken? Minister und Journalisten bekommen nicht nur Präpariertes zu sehen und Diplomatisches zu hören, sondern in der Hektik einer Ministerreise („eine Woche, drei Länder“) fehlt meist Raum und Zeit für eigene und unabhängige Recherchen.
Nicht berücksichtigt werden bei der jetzigen Form der subventionierten Journalistenreisen die entwicklungspolitische Fachpresse und der journalistische Nachwuchs. Fachpublikationen verfügen meist weder über genug Mittel, um auf eigene Kosten mitzufahren, noch über eine große Auflage, die sie für Einladungen interessant macht. Außerdem stehen insbesondere die von unabhängigen Organisationen herausgegebenen Dritte-Welt-Zeitschriften der offiziellen Entwicklungspolitik meist sehr kritisch gegenüber, was abgesehen von eigenen Berührungsängsten ihre Chancen zu Einladungen nicht erhöht. In der „Reiseliste“ des BMZ war jedenfalls keine entwicklungspolitische Fachzeitschrift vertreten. Vereinzelt gab es freie Journalisten, die auch für Fachzeitschriften wie „epd-Entwicklungspolitik“ arbeiten. Die meisten unabhängigen Fachpublikationen sind nicht nur für ihr entwicklungspolitisches Engagement bekannt, sondern stehen auch finanziell auf wackeligen Beinen. Im Rahmen einer proklamierten Förderung entwicklungspolitischer Berichterstattung ist es deshalb nicht nachzuvollziehen, daß sie nicht berücksichtigt werden. Ähnliches gilt für den journalistischen Nachwuchs: Bis auf die wenigen Fälle, wo Redaktionen selbst Volontäre auf Ministerreisen mitschicken, bleibt der journalistische Nachwuchs außen vor. Alle Befragten bedauerten dies, doch sehen sie sich aus Kostengründen nicht in der Lage, den journalistischen Nachwuchs im Rahmen der bisherigen Reisen zu berücksichtigen.
Bundesrechnungshof prüft
Die bisherige Praxis subventionierter Journalistenreisen des BMZ ist nicht nur aus Gründen der Gleichbehandlung bedenklich, sondern auch im Hinblick auf die Verwendung öffentlicher Mittel. Die Kostenentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts hat der Bundesrechnungshof erneut zum Anlaß genommen, die Praxis der einzelnen Ministerien zu überprüfen. Bereits früher hatte er das Wirtschaftsministerium kritisiert, das Wirtschafts- und Medienvertreter bei Auslandsreisen des Ministers kostenlos mitfliegen ließ. In seinem Jahresbericht 1994 merkte der Bundesrechnungshof an: „Die Richtlinien sehen einen Verzicht auf Kostenbeteiligung eines Dritten nur für den Fall vor, daß hierfür ein dringendes Bundesinteresse im Einzelfall nachgewiesen wird“. Das Ministerium hatte zunächst auf das öffentliche Interesse an der Berichterstattung und auf Gründe der Gleichbehandlung verwiesen, sich dann allerdings ab 1994 der Meinung des Rechnungshofes angeschlossen und die Zahl der mitfliegenden Journalisten verringert.
Welche Regelung im Interesse der Journalisten?
Im Rahmen der Recherche für diesen Artikel wurde auf kritische Fragen gelegentlich entgegnet, es könne doch nicht im Interesse eines Journalisten sein, daß subventionierte Journalistenreisen abgeschafft werden. Sollte der Jurist der IG Medien mit seiner Einschätzung Recht behalten, wird dies nur eine Frage der Zeit sein. Abgesehen davon, daß auch Journalisten an der sinnvollen Verwendung ihrer Steuergelder interessiert sind, sollte neben Fragen der Gleichbehandlung überlegt werden, wie mit begrenzten Mitteln eine entwicklungspolitische Berichterstattung sinnvoll gefördert werden kann. Schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit sollte dies von der Öffentlichkeitsarbeit eines Ministers entkoppelt werden. Wenn dem BMZ wirklich an der Förderung entwicklungspolitischer Berichterstattung gelegen ist, sollte das Ministerium über zum Beispiel eine Organisation oder durch einen Fonds Reisen fördern, die sowohl von den Ministerreisen als auch der Arbeit der Ministerien weitgehend unabhängig sind. Minister und Ministerium werden in der ein oder anderen Form Berichtsgegenstand bleiben, aber die Reisen werden nach journalistischen Kriterien gestaltet und nicht nach dem hektischen Terminplan des Ministers. Selbstverständlich sollte auch die Teilnehmerauswahl nicht beim Ministerium liegen, sondern bei einem unabhängigen Gremium zum Beispiel von Journalisten. Die Alternative lautet also nicht, keine Journalistenreisen zu unterstützen, sondern dies in unabhängiger und sinnvollerer Form zu tun, als dies im Rahmen rechtlich bedenklicher Journalistenreisen bei Ministerbesuchen der Fall ist.