Polizeiaktionen gegen Berichterstatter bei den Demonstrationen während der Münchner Sicherheitskonferenz
„Berufsdemonstranten“ herausfiltern und umgehend zurückschicken – das hatte sich die Polizei laut „Süddeutscher Zeitung“ vom 29. Dezember 2003 im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz vorgenommen. Denn auch 2004 hatten die Gegnerinnen und Gegner der Konferenz wieder zu zahlreichen Protestaktionen gegen das Treffen hochrangiger Politiker, Militärs und Industrieller mobilisiert.
Die „SZ“ verriet auch, wie die Polizei ihr Ziel erreichen wollte: Durch Vorkontrollen und der Zuhilfenahme von Listen des Verfassungsschutzes. Diese vom Polizeipräsidenten Schmidbauer angekündigte Praxis bedeutete nicht nur eine faktische Aufhebung der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten, sondern stellte außerdem einen grundsätzlichen Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht dar.
In der Rückschau zeigt sich, dass in München nicht nur die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde, sondern es zudem massive Angriffe auf die Pressefreiheit gab. So hat die dju am 6. und 7. Februar 2004 in München auch eine erschreckende Zunahme von Behinderungen bis hin zu gezielten Angriffen auf Journalisten registriert.
Polizei contra Presseausweis
Der Presseausweis legitimiert „den / die Ausweisinhaber(in), sich zur Erleichterung seiner / ihrer Berufsausübung innerhalb behördlicher Absperrungen zur aktuellen Berichterstattung aufzuhalten.“ So steht es auf den Presseausweisen der dju. Doch die Realität sieht zunehmend anders aus: „Der ist doch eh kopiert“ sind oft noch die freundlichsten Kommentare von Beamten mit Helm und Gesichtsmaske zum Vorzeigen eines Presseausweises. Einer Kollegin des dju-Ortsvorstandes, der nur nach Vorzeigen des Ausweises das Durchqueren des mehrreihigen Polizeispaliers neben dem Demonstrationszug gestattet wurde, machte ein Uniformierter grinsend Platz, während sein Spaliernachbar der Kollegin „unauffällig“ ein Bein stellte.
Angriffe auf Journalisten
Durch einen gezielten Polizeiangriff mit Pfefferspray wurde bereits am Freitag, 6. Februar, dem ersten Tag der Konferenz, der Münchner Journalist Michael Backmund außer Gefecht gesetzt. Der Vorfall ereignete sich gegen 17 Uhr an der Ecke Maximiliansplatz / Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Backmund ist Mitglied des Münchner Ortsvorstandes der dju und hatte einen Schlagstockeinsatz der Polizei gegen Demonstranten gefilmt, die bereits in einem Polizeikessel festgesetzt waren. Backmund hatte sich zuvor mit seinem Presseausweis gegenüber den Beamten vor Ort ausgewiesen. Unvermittelt fuhr ein silberner Polizeibus direkt auf ihn zu und stoppte neben ihm. Aus dem Beifahrerfenster wurde dem Journalisten aus einer Entfernung von circa zwanzig Zentimetern Pefferspray direkt ins Gesicht gesprüht. Er hat Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gestellt.
Der Falsche im Visier
Keine körperlichen, dafür aber juristische Folgen könnte das Vorgehen der Polizei für den Journalisten Timo Vogt haben. Der Fotograf aus Lüchow-Dannenberg war für eine Hamburger Zeitschrift bei der Sicherheitskonferenz akkreditiert und wollte auch die Gegenveranstaltungen dokumentieren. Als er Polizisten dabei fotografierte, wie sie einen Demonstranten verhafteten, geriet er selbst ins Visier der Beamten: Trotz Vogts lautstarker Versicherung, Journalist zu sein, drehte ihm ein Zivilpolizist den Arm auf den Rücken. Als der Fotograf mit seinem noch freien Arm den Presseausweis vorzeigte, wurde ihm dieser Arm von einem anderen Polizisten auch noch auf den Rücken gedreht. Vogt wurde abgeführt und verbrachte fünf Stunden in Haft. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Vorwurfs der Gefangenenbefreiung und des Widerstandes gegen Vollzugsbeamte.
Privatisierung des öffentlichen Raums
Immer häufiger versperren „Rote Zonen“ den Weg zum Ort des politischen Geschehens – damit wird jedoch nicht nur ein wesentliches Element des Demonstrationsrechts ausgehöhlt (das Recht, in unmittelbarer Nähe zum Anlass zu demonstrieren), sondern auch die Berichterstattung von unabhängigen Journalisten massiv eingeschränkt: Auch in München wurden seit 2001 anlässlich der Sicherheitskonferenz – übrigens eine private Veranstaltung – von der Polizei „rote Zonen“ eingerichtet, die nur von lange im Voraus akkreditierten Journalisten betreten werden durfte. Immerhin verzichtete die Münchner Polizei nach Protesten diesmal auf eine Praxis, die im vergangenen Jahr anlässlich mehrerer Nazi-Aufmärsche Anwendung gefunden hatte. Damals hatte die Polizei spezielle Akkreditierungen an Journalisten ausgegeben, die quasi zum Betreten bestimmter Straßen berechtigten: Nur mit einer solchen Akkreditierung – und nicht mit dem Presseausweis – wurde man durch Polizeiketten gelassen. Dass sie solche Berechtigungsscheine herausgeben werde, gab die Polizei vorab jedoch nicht öffentlich bekannt, sondern verteilte sie nur an die Polizeireporter, die im ständigen und meist auch guten Kontakt mit den Sicherheitsorganen sind.
Zweifelhafte Kontrollen
Wie eng die Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit zusammenhängen, zeigt ein weiterer Vorfall während der Münchner Sicherheitskonferenz: Ein Reisebus wurde am Samstagabend nach der Gegendemonstration auf der Rückfahrt nach Berlin von einem Polizeikonvoi gestoppt. Den Insassen wurde teils unter Androhung von Fesselung jegliche Handbewegung sowie die Kommunikation untereinander verboten. Im Bus anwesenden Journalisten wurde jede filmische Dokumentation des Polizeieinsatzes untersagt. Als Grund der Maßnahme führten die Beamten zunächst an, die Insassen des Busses hätten an der Demonstration teilgenommen und aus dieser seien Straftaten unternommen worden. Später hieß es, es handle sich um eine „verdachtsunabhängige Kontrolle nach dem Schengen-Abkommen“.
Fazit
Die Münchner dju wird ihre Recherchearbeit zu Angriffen auf die Pressefreiheit und das Demonstrationsrecht weiter fortsetzen. Schließlich gehört es zur Aufgabe der Gewerkschaften, für den Schutz der Arbeitsbedingungen von kritischen und unabhängigen Berichterstattern zu streiten. Und solche sind umso wichtiger in Zeiten, in denen die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen. Das Modell des „embadded journalists“ darf sich nicht weiter durchsetzen. Ein erster Schritt für einen besseren Schutz von Journalistinnen und Journalisten vor Übergriffen durch die Polizei, aber auch zur Durchsetzung ihres Auskunftsrechts und ihres Rechts auf freie Berichterstattung könnte eine generelle Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte sein.
AK Medienpolitik der dju München
Petra Gerschner, Michael Backmund, Thies Marsen