Multimediawirtschaft braucht Mittelbau

Duale Ausbildung bei Medienberufen im Kommen – Gewerkschaft regt Ausbildungspartnerschaften an

Das Ergebnis überraschte selbst Kenner der Szene: 45 Prozent der Multimedia-Agenturen in Deutschland bilden bereits im dualen System aus. Das zeigte eine repräsentative Umfrage der „Michel Medienforschung und Beratung“ (MMB) unter den mehr als 2000 Unternehmen der Branche.

Zwar haben nach wie vor die meisten Beschäftigten in Agenturen und einschlägigen Fachabteilungen großer Unternehmen, die Webdesign und Softwarelösungen für Electronic-Business entwickeln, eine akademische Laufbahn hinter sich. Doch die Tätigkeitsprofile in den meist jungen Firmen werden vielfältiger und erste Hierarchieebenen entstehen. Für solche Aufgaben in Multimediadesign, -programmierung und -konzeption sowie im Projektmanagement eignen sich die Absolventen der dualen Ausbildung. Und der Bedarf an Fachkräften für „mittlere Funktionsebenen“ wird weiter steigen.

Die Michel-Studie „Ausbildung für die Internet-Ökonomie“ (Kurz- und Langfassung unter: www.mmb-michel.de) belegt allerdings auch, wie groß das Informationsdefizit in der Multimedia-Branche über das duale Berufsbildungssystem im allgemeinen und geeignete Ausbildungsordnungen im besonderen ist. Je nach Aufgabenschwerpunkt experimentieren die Firmen mit einem der fünf Berufsprofile: Mediengestalter Bild und Ton, Mediengestalter für Digital- und Printmedien, AV-Medienkaufleute, Werbekaufleute, Informatikkaufleute. Teilweise heftig ist die Kritik an den Berufsschulen:

Sie seien nicht fähig, ihren Part im dualen System zu spielen. Viele Betriebe stellen nach wie vor keine Azubis ein, weil den Mitarbeitern die Zeit für eine intensive Beschäftigung mit dem beruflichen Nachwuchs fehlt.

Ausbildung im Experimentierstadium

Die Studie hat eingehende Fachdebatten ausgelöst. Auf diesem Hintergrund präzisiert Projektleiter Lutz P. Michel, welchen Handlungsbedarf er sieht: „Ich schlage eine Internetplattform vor, die Infos zu Aus- und Weiterbildungsfragen gibt und den Austausch zwischen allen Multimediabeschäftigten ermöglicht, egal ob sie eher einen IT- oder einen Medienberuf haben. Außerdem soll es eine regelmäßige Online-Befragung von Personalverantwortlichen zum Kompetenzbedarf geben, und zwar sowohl bei den Multimediamachern wie in den Anwenderunternehmen.“ Michel regt weiter an, den Beruf Mediengestalter für Digital- und Printmedien um eine neue Fachrichtung Onlinedesign zu ergänzen und die Hürden für die Ausbildereignungsprüfung zu senken. „Gleichzeitig sollte in der Multimediabranche dafür geworben werden, dass zum Ausbilden wichtiges pädagogisches und rechtliches Wissen gehört, über das nicht jeder automatisch verfügt.“ Er unterstützt den Vorschlag des Deutschen Multimediaverbands (dmmv), das duale System zu einem „triadischen“ zu erweitern und die Ausbildung in Betrieb und Berufsschule um Schulungen in privaten New-Media-Akademien zu ergänzen. Umsteuern ist angesagt, glaubt der Medienforscher: „Erfahrungsgemäß können diejenigen Branchen Berufsbildungsfragen schnell und einvernehmlich lösen, die starke Sozialpartner haben. Aber in der Multimediawirtschaft fehlt nach wie vor ein Arbeitgeberverband. Also muss die Politik etwas tun.“

Die nötigen Reformen müsse die Branche selber zustande bringen, meint dagegen der Berufsbildungsexperte von IG Medien/ver.di, Kalle Kaschel-Arnold. Im Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien (ZFA) haben Gewerkschaft und Bundesverband Druck und Medien inzwischen Vorkehrungen getroffen, damit Fachverbände wie der dmmv, die keine Tarifparteien sind, über Aus- und Weiterbildung mitreden können. Ein Thema wird die Frage sein, wie online-spezifische Kompetenzen – von Kenntnissen in Webdesign über Datenbankanwendungen bis zu Netzwerkadministration – beim Beruf Mediengestalter für Digital- und Printmedien vertieft werden können. Kaschel sieht sowohl die Möglichkeit, eine eigene Fachrichtung zu etablieren, als auch den Weg, die bestehenden Spezialgebiete Medienoperating und -technik um Online-Know-how anzureichern. Die Entscheidung solle jedoch erst am Ende der Evaluierungsphase im Jahr 2004 fallen.

Kaschel bestätigt, dass viele kleine und neue Unternehmen der Multimediawirtschaft nicht in der Lage sind, alle Ausbildungsinhalte eines breiten Berufsbilds selbst zu vermitteln. Von einem „triadischen System“ hält er jedoch wenig: „Ich denke, dass Ausbildungspartnerschaften zwischen einigen wenigen Betrieben der richtige Weg sind, um allen Azubis eine hochwertige Berufsvorbereitung zu ermöglichen. Es spricht nichts dagegen, für bestimmte Schulungen einen privaten Bildungsträger zu beauftragen. Doch wir sollten kein neues System aufbauen.“ Aus Gewerkschaftssicht sei es vielmehr vordingliche Aufgabe, die Rolle der Berufsschulen zu stärken.


  • Karl-Heinz Kaschel-Arnold, bei IG Medien/ ver.di zuständig für die Berufsbilder der neuen Medienberufe

  • Michel-Studie
  • „Ausbildung für die Internet-Ökonomie“
    Kurz- und Langfassung unter
    www.mmb-michel.de


 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienhäuser müssen Journalisten schützen

„Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Die dju in ver.di verzeichne mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält.
mehr »

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »