Mut und Macht

Journalistinnen auf dem Weg nach oben

Die Kulisse im ARD-Hauptstadtstudio war beeindruckend: ausschließlich Frauen saßen auf dem Podium, zirka 80 Frauen und ein Mann im hellen, lichtdurchfluteten Atrium. Sie alle waren der Einladung des Journalistinnnenbundes gefolgt, der am ersten Septemberwochenende seine Jahrestagung in Berlin abhielt. „Mut und Macht in den Medien. Journalistinnen auf dem Weg nach oben.“ war die Tagung überschrieben und auch darum sollte es in der öffentlichen Podiumsdiskussion, moderiert von Andrea Dernbach, Redakteurin beim Tagesspiegel, gehen.


Mit Dr. Claudia Nothelle, Programmdirektorin des rbb, und Brigitte Fehrle, Chefredakteurin der DuMont-Redaktionsgemeinschaft waren zwei Medienfrauen geladen, die sich bereits an die Spitze im Medienbetrieb gekämpft hatten. Die dritte Diskutantin, Katrin Rönicke, Mitgründerin der feministischen Initiative Frau Lila, von Mädchenmannschaft.de und aktive Bloggerin, vertrat die Generation der jüngeren Medienschaffenden und gleichzeitig die der „digital natives“ im Medienbereich.
Vorangestellt war die Überlegung, wie spannungsgeladen das Verhältnis zwischen Mut und Macht in den Medien sei und von Medienschaffenden erfahren werde. Es brauche nicht nur Mut, brisante Themen zu recherchieren oder bisweilen auch Mächtige herauszufordern, sondern es brauche auch Mut in der Arbeit, „sich mit einem Thema oder der eigenen Sicht durchzusetzen, um gegen Trends anzugehen, um zu widersprechen oder einfach nur ans Licht zu holen, was sonst undiskutiert bliebe“, formulierte Eva Kohlrusch, bisherige JB-Vorsitzende, in der Einladung.
Dass professionell ausgebildete und arbeitende Frauen in allen Bereichen der Mediengesellschaft von Print über elektronische bis zu Online-Medien zu finden sind, darüber bestand Grundkonsens in der Runde. Doch die Schlüsselwörter Macht und Mut, das Verständnis, was Macht heißt, was sie bedeutet, wie sie genutzt wird und was sie bewirken kann und in welchem Verhältnis dazu Mut zu sehen ist, wurden sehr unterschiedlich diskutiert und bewertet.

Im Internet so laut wie die männlichen Kollegen

Eine Steilvorlage in der Diskussion lieferte die Bloggerin Kathrin Rönicke. „Mut und Macht ist ein Frauenthema, denn wir streiten für mehr Geschlechtergerechtigkeit und da ist Macht ein zentrales Thema. Ohne Mut ist Macht nicht erreichbar.“ Gerade auch in der freien Internetwelt brauche es Mut, um als Frau gehört zu werden. „Ich bin genauso laut im Internet wie meine männlichen Kollegen, aber das heißt nicht, dass mein Mut auch zu Macht führt.“ Nach Rönickes Beobachtung haben die Nerds das Internet besetzt, für Frauen sei es sehr schwer, sichtbar zu sein oder sichtbar zu werden. Und Macht habe mit Sichtbarkeit zu tun. Daher rühre auch die Enttäuschung vieler Frauen: Von 100 Links in der Bloggerszene würden nur schlappe 5% auf Bloggerinnen führen. „Macht im Internet reproduziert sich genauso wie in anderen Medien“, sagt Rönicke. Dennoch gebe es auch Lichtblicke, indem sich Frauen als „girls on web society“ treffen, organisieren und vernetzten. Dies sei ihre Art, wahrgenommen zu werden und eine Chance, die das Netz biete. Und die sie auch als Macht empfinde. Einschränkend formulierte Rönicke jedoch ihre These, dass Mut und Macht nicht zusammenpassen, weil ein Aufstieg in Hierarchien immer mit Anpassung verbunden sei.
Die Programmdirektorin des rbb, Claudia Nothelle, vertrat die These, dass „Macht ohne Mut gar nicht funktioniert. Wenn man Macht in einer Führungsposition richtig einsetzen will, dann muss man ungewöhnliche Entscheidungen treffen.“ Und Nothelle spitzte zu: „Wer Mut hat, ist niemals ohnmächtig.“ Sie selbst habe einige Zeit nachgedacht und Mut gebraucht, ehe sie sich entschloss, eine Führungsposition anzunehmen und diese mit ihren Ideen auszufüllen. Ihre Machtposition gebe ihr Spielräume, sagt Nothelle. Zudem so ist sie überzeugt, gelte das auch für Journalisten, die von ihrer Macht Gebrauch machen durch die Veröffentlichung von Themen.
Brigitte Fehrle definierte Macht, auf den sie vertretenden Printbereich bezogen, „nach Auflage, Geld und Einflussbereich. Die Macht als Führungsposition ist erst nachrangig.“ Fehrle beschrieb, wie sie „auf dem Weg nach oben immer weniger Verständnis bekam für Entscheidungen, die ich zu treffen hatte.“ In ihrer Beobachtung würden Frauen ihre Macht anders ausfüllen als Männer. Im Gegensatz zu männlichen Chefs, deren Strategie Ignoranz sei, würden Frauen auf dem Chefsessel eher argumentieren, andere integrieren. Für Brigitte Fehrle stelle sich die Frage, ab wann Frauen die Macht hätten? Sie beziffert die kritische Größe bei etwa 30 Prozent Frauen in Entscheidungspositionen. Dann erst steige die Chance, Themen zu dominieren und Einfluss darauf zu haben, wie sie gesetzt werden.
Für Bloggerin Rönicke, die selber in keiner Führungsposition ist, war die Frage nach der Macht nicht an Hierarchien und Strukturen gekoppelt, sondern immer an den Anspruch, wie man letztlich mit der übertragenen Verantwortung und dem Machtspielraum umgeht. In ihrem journalistischen Alltag im Internet könne sie viel bewirken, das sei Macht ohne Hierarchie.
Rund zwei Stunden lang wurde eifrig diskutiert, auch mit dem Publikum, ob Frauen zu feige seien, Verantwortung zu übernehmen oder ob eine Frauenquote hinderlich sei. Insgesamt folgte die Diskussion zu sehr den Fragen nach der strukturellen Macht von Hierarchien, dass auch weibliche Führungspositionen einsam machen oder Führungsfrauen unpopuläre Entscheidungen treffen müssen, da auch sie im Interesse ihrer Medienunternehmen und deren Ziele agieren. Zu wenig wurde über wirklich mutige Entscheidungen von Spitzenfrauen in den Medien gesprochen, über den anderen Blick auf Themen, über die Chance, Randthemen aus dem Schattendasein auf die vorderen Plätze zu befördern.

 

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