Digitaler Umstieg und Übergang zu HDTV im ZDF nicht ohne Folgen
Werner Ach, ZDF-Personalsratsvorsitzender und Bundesvorsitzender der ver.di-Fachgruppe Medien beschreibt Erfahrungen beim digitalen Umstieg und dem Übergang zum hochauflösenden Zweiten Deutschen Fernsehen.
M | Die Digitalisierung ist bei den Printmedien und im Hörfunk weitgehend abgeschlossen. Wie weit fortgeschritten ist dieser Prozess beim Fernsehen?
WERNER ACH | Alles, was den digitalen Herstellungsprozess betrifft, ist das auch beim Fernsehen so. Das heißt, die Übertragungswagen sind umgebaut auf digitalen Einsatz, die Kameras, die Schnittplätze, auch die Speicherung für Archivzwecke ist digitalisiert. Das einzige, was noch aussteht, ist das Abschalten des analogen Signals.
M | Welche Auswirkungen hat dieser Prozess auf die Beschäftigungsverhältnisse? In einigen Zeitungsverlagen wie bei den Regionalblättern der WAZ hat der Rotstift gewütet. Ist beim TV mit Jobverlusten in ähnlichen Dimensionen zu rechnen?
ACH | Bis jetzt ist das überhaupt noch nicht in Sicht. Nach unseren Erfahrungen werden mögliche Rationalisierungseffekte genutzt, um mit gleich starkem Personal mehr Aufgaben bewältigen zu können. Bei den Nachrichten etwa sieht es so aus, dass jetzt News-Formate rund um die Uhr produziert werden. Beim Schnitt sind die Effekte eher gering. Das Umspielen zum Schnitt von digitalisiertem Bildmaterial braucht doch mehr Zeit, als mancher denkt. Wir beobachten allerdings eine Abnahme von klassischen TV-Tätigkeiten und eine Verlagerung hin zu neu entstehenden Berufsbildern, etwa beim Aufbau der Online-Redaktionen.
M | Mit dem neuen Nachrichtenstudio, so fürchten Mediengewerkschafter, stehen ganze Berufsbilder wie E-Kamera und Aufnahmeleitung zur Disposition. Mit welchen Folgen?
ACH | Ursprünglich dachte man daran, mit dem neuen Nachrichtenstudio eine ganze Reihe von Aufgaben einzusparen. Das ist in der Realität noch nicht eingetreten. Ferngesteuerte Kameras gab es auch schon im alten Studio. Es sind immer noch Kameraleute im Einsatz bei allen möglichen Gesprächssituationen. Die größten Veränderungen vollziehen sich eher im Bereich von Redakteuren und Journalisten. Das geht los mit den Videojournalisten und setzt sich fort zu den Redakteuren, die einfache oder komplizierte Schnittaufgaben erlernen. Neuerdings gibt es den Grafikredakteur, der die Kommunikationsschnittstelle für die Grafiker ist, die die Erzählstücke für die Nachrichten herstellen. Es gibt die Bildredakteure und es kommen immer mehr Anforderungen, für alle Verbreitungswege zu arbeiten, also sowohl für Fernsehen wie für Internet. Die meisten Veränderungen gibt es also im journalistischen Bereich. Allerdings eröffnen sich über den Videojournalismus auch Perspektiven für Cutter und Kameraleute, die Videojournalismus-Schulungen mitmachen und dadurch in die redaktionelle Arbeit hineinwachsen. Das wird gefördert und kann berufliche Karrieren anschieben.
M | Läuft dieser Wandel unter dem Strich nicht auf eine verschärfte Arbeitsverdichtung hinaus?
ACH | Das stellen wir in der Tat fest. Wenn mit gleichem Personalstamm immer mehr Aufgaben erledigt und in Zukunft auch immer mehr Kanäle bedient werden, läuft das eindeutig auf zunehmende Arbeitsverdichtung hinaus. Das ZDF darf ja aufgrund von politischen Auflagen den Stellenplan nicht erhöhen. Auch die Zahl der freien Mitarbeiter soll möglichst nicht steigen. Die Leiharbeit haben wir in jüngster Zeit gottlob ziemlich zurück gedrängt. Aber der Druck steigt in den meisten Bereichen.
M | Es gibt offenbar auch im ZDF immer mehr Amateure, die mit billigen Digitalkameras oder mit dem Foto-Handy Programmbilder zuliefern. Wie wird dieser Typ von Bürgerjournalismus beurteilt, welche Folgen hat das für die Programmqualität?
ACH | Für die Information kann es ein Zugewinn sein, weil es damit gelingt, aus Krisengebieten, Kriegen oder Naturkatastrophen Bilder zu bekommen, auf die man sonst keinen Zugriff hätte. Das kann eine wichtige Ergänzung sein. Es stellt aber auch die Redaktionen vor die Aufgabe, das Ganze journalistisch einzuordnen, es zu kennzeichnen und durch eigene Berichte und Kommentare zu ergänzen. Es muss natürlich jederzeit erkennbar sein, wo das Material herstammt.
M | Auf der Internationalen Funkausstellung Ende August in Berlin stand abermals das Hochauflösende Fernsehen HDTV im Mittelpunkt der Debatten. Welche Rolle spielt die Umstellung auf HDTV im ZDF?
ACH | Derzeit überlagern sich diverse technische Prozesse und Entscheidungen. Als erstes der Übergang vom analogen zum digitalen Fernsehen. Das war noch nicht völlig vollzogen, als die Umstellung auf das neue Format 16:9 dazu kam.
Danach setzten die Vorbereitungen auf HDTV ein. Das ist natürlich ein Riesenprojekt für die Investitionsplanung, weltweit ein solches Unternehmen mit allen Studios nach und nach auf diese neue Technik umzurüsten. Die entsprechenden Ü-Wagen wurden von den Kollegen selbst entwickelt und waren bei Sport-Großereignissen wie der letzten Leichtathletik-WM in Berlin bereits im Einsatz.
Noch nicht beantworten lässt sich die Frage, inwieweit HDTV außer in den Bereichen Sport und Film auch der Produktion von Aktualitäts- und Nachrichten-TV Verwendung finden wird. Die Anforderungen an die mit HDTV-Produktionen beauftragten Teams dürften sicher wachsen. Auch kleine Fehler wie Unschärfen oder schlechte Ausleuchtung sieht man in einem hochauflösenden Fernsehbild viel gnadenloser als in einem analog verbreiteten. Schon beim Wechsel auf digitalen Empfang wurde ja deutlich, um wie viel schärfer und klarer das Bild sein kann. Wenn das nochmal gesteigert wird, muss das Ausgangsmaterial in der Herstellung umso besser sein. Intern läuft die Vorbereitung bei uns seit Monaten – durch Schulungen und Seminare. Ein Wermutstropfen: Es wird in letzter Zeit kaum noch über Inhalte diskutiert. Vielmehr treibt uns die technische Entwicklung vor sich her. Man ist ständig beschäftigt, auf dem neuesten Stand zu bleiben.
M | Liegt für diesen tief greifenden Wandel denn ein umfassendes Konzept der Unternehmensleitung vor?
ACH | Wir haben im ZDF ein umfangreiches Konzept für den so genannten Transformationsprozess. Das heißt: zusätzlich zum Hauptprogramm entstehen weitere Programme wie etwa ZDFNeo. Gleichzeitig wird alles miteinander verzahnt. Der Online-Bereich wird aufgewertet, wird enger programmlich vernetzt. Der Info-Kanal soll mit den aktuellen Nachrichten und dem Online-Bereich verzahnt werden. Dafür gibt es natürlich umfangreiche Konzepte, ebenso wie auch für HDTV.
M | Welche Forderungen haben in diesem Kontext die Gewerkschaften an die Unternehmensleitung?
ACH | Wir wollen mit der Geschäftsleitung endlich in Verhandlungen über neue Berufsbilder eintreten. Es geht dabei erstens um neue Berufsbilder, die durch neue Ausbildungsgänge entstehen. Ein Beispiel ist der Mediengestalter, der mittlerweile ein klassischer Ausbildungsberuf ist. Zum anderen gibt es neue Berufsbilder, die sich im Arbeitsalltag entwickeln und verändern. Ein Beispiel dafür ist der Grafikredakteur. Außerdem gibt es die Fälle, wo durch Funktionskoppelung Tätigkeiten, die es als Einzelberufe schon gibt, in einer Person gebündelt werden. Der Videojournalist ist dafür ein klassisches Beispiel, also ein Redakteur, der immer mehr zusätzliche Aufgaben übernimmt. Unsere Forderung geht dahin, unsere bestehende, aber veraltete Vergütungsordnung auf Grundlage dieser Tätigkeitsmerkmale zu ergänzen, damit etwas für die Kollegen mit diesen neuen Funktionsbildern entwickelt wird. Die finden sich nämlich in dem existierenden Regelwerk gar nicht mehr wieder. Das gilt nicht nur fürs ZDF, sondern für alle Rundfunkanstalten.
M | Wie steht der Sender zu dieser Forderung?
ACH | Die Geschäftsleitung ist in diesen Fragen zögerlich, aber allmählich kommt Bewegung in das Thema. Wir sind auf jeden Fall optimistisch, in dieser Frage im nächsten Jahr weiter zu kommen. Ansonsten stellt sich die Frage nach den Folgen der Digitalisierung so: Wenn es zum Arbeitsverlust käme, haben wir im ZDF ein bewährtes Instrument, den Rationalisierungsschutzvertrag. Aber im Moment wird er noch nicht benötigt.
Das Interview führte Günter Herkel