Presserat: Fahndung ist nicht Mediensache

Bild: Screenshot www.bild.de

Der Deutsche Presserat hat auf seinen Beschwerdeausschuss-Sitzungen Mitte September 2017 wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex insgesamt neun öffentliche Rügen ausgesprochen. Auch Berichterstattung zum G20-Gipfel stand dabei auf dem Prüfstand.

„Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher?“ – unter dieser Überschrift berichtete Bild im Juli in der Print- sowie Onlineausgabe über die Proteste beim G20-Gipfel in Hamburg. Die Redaktion hatte Einzelfotos von Demonstranten in Aktion gezeigt und die Leser zur Fahndung nach den Personen aufgerufen. Dazu erreichten den Presserat elf Beschwerden. Aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses an dem Geschehen in Hamburg sah der Presserat keinen Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Kodex. Die Demonstranten mussten damit rechnen, dass sie während des Ereignisses fotografiert werden. Jedoch verstoße die Art der Darstellung – mit Foto und eingeklinktem Porträtbild – in Verbindung mit dem Fahndungsaufruf gegen den Pressekodex. Die Abgebildeten wurden hierdurch an einen öffentlichen Medienpranger gestellt. Es gehöre nicht zur Aufgabe der Presse, selbständig nach Bürgern zu fahnden. Der Presserat sah darin einen Verstoß gegen das Ansehen der Presse gemäß der Präambel des Kodex und sprach eine Missbilligung aus. Folgen einer selbst inszenierten „Verbrecherjagd“ seien nicht mehr zu kontrollieren und könnten Selbstjustiz Vorschub leisten.

Verstoß gegen Diskriminierungsverbot

Eine Rüge wegen diskriminierender Berichterstattung erhielt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Sie hatte sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe einen Kommentar unter der Überschrift „Wir verraten alles, was wir sind“ über die Ehe für alle und damit verbundene Änderungen im Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften veröffentlicht. Aus Sicht des Presserats wurde in dem Kommentar in Form einer rhetorischen Frage die Behauptung aufgestellt, dass adoptierte Kinder aufgrund einer wegfallenden „Inzest-Hemmung“ ungleich stärker der Gefahr eines sexuellen Missbrauchs ausgesetzt seien. Diese Behauptung, für die es nach Auffassung des Presserats keinen wissenschaftlichen Beleg gibt, entfalte eine diskriminierende Wirkung gegenüber Homosexuellen und stelle einen schweren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex dar. Über den Kommentar hatten sich 31 Leser beschwert.

Opferschutz verletzt

Drei Rügen sprach der Presserat gegen Berichterstattungen über den Terroranschlag bei einem Konzert in Manchester aus. Bild Online hatte unter der Überschrift „Zu jung zum Sterben“ unter Namensnennung und mit Porträtbild detailliert über zwei einzelne Opfer berichtet. TZ Online berichtete unter der Überschrift „Anschlag in Manchester: Das sind die Opfer“ mit einer Fotostrecke ebenfalls über diverse Opfer mit Fotos, Details und unter Namensnennung. In beiden Fällen bestand nach Auffassung des Presserats kein öffentliches Interesse an einer identifizierbaren Darstellung. Einige Opfer waren zudem minderjährig. Die verwendeten Fotos stammten aus sozialen Netzwerken. Eine Einwilligung der Angehörigen zur Verwendung der Bilder in der Presse lag nicht vor, wäre aber erforderlich gewesen, so der Presserat. Es handelte sich nicht um Personen des öffentlichen Lebens. Deshalb stellen die Berichterstattungen einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex dar, befand das Beschwerdegremium. Ebenfalls gerügt wurde Bild Online für die Berichterstattung unter der Überschrift „Mutter weiß nicht, dass Saffi nicht mehr lebt“. Ausführlich dargestellt wurde das Schicksal eines minderjährigen Opfers mit Foto und Namensnennung. Ethisch problematisch war für den Presserat zusätzlich der Umstand, dass laut Artikel die Mutter, die wegen des Anschlags selbst auf der Intensivstation lag, noch nicht über den Tod ihres Kindes informiert war.



Trennung von Tätigkeiten und Abgrenzung zur Werbung

Wegen eines schweren Verstoßes gegen das Gebot zur strikten Trennung von Tätigkeiten gemäß Ziffer 6 des Pressekodex wurden das Traunsteiner Tagblatt und die Volksstimme gerügt. 
Eine Rüge wegen mangelhafter Kennzeichnung von Werbung und damit einer Verletzung des Trennungsgrundsatzes nach Ziffer 7 sprach der Presserat gegen Focus Online aus. Auch der Donaukurier wurde wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der klaren Trennung von Werbung und Redaktion gemäß Ziffer 7 des Pressekodex gerügt. Insgesamt sprach das Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle in seinen Beschwerdeausschusssitzungen am 12., 13. und 14. September neun öffentliche Rügen und 22 Missbilligungen aus und erteilte 33 Hinweise. Bei sechs begründeten Beschwerden wurde auf eine Maßnahme wurde verzichtet, 60 Beschwerden wurden als unbegründet gesehen.

 

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