Reporter-Slams: Journalismus auf der Bühne

Kathleen Kröger beim Reporter- Slam Finale. Foto: VicHarster

Reporter-Slams, Live-Journalismus und journalistischen Theater-Events haben Konjunktur. Anfang des Jahres gewann die Erfurter Lokalredakteurin Kathleen Kröger das Jahresfinale des Live Journalismus-Wettbewerbs „Reporter Slam“. Den ausverkauften Saal im Neuköllner Heimathafen konnte sie mit ihrer Recherche über mysteriöse Betonelemente an Erfurter Schulgebäuden überzeugen. Wir sprachen mit mit der Preisträgerin.

Frau Kröger – vorab herzlichen Glückwunsch zum Titel „Slampion aller Slampions“!  Sie haben im Januar vor 500 Besucher*innen im Neuköllner Heimathafen das Jahresfinale der unterhaltsamsten Reporter*innen für sich entscheiden können. Wie hat Sie Ihre Karriere auf diesen Sieg vorbereitet?

Ich bin Lokalredakteurin bei der Thüringischen Allgemeinen und in Erfurt im Einsatz. In meinem früheren Leben habe ich Geschichte studiert, genauer neuere deutsche Geschichte, mit einem Schwerpunkt DDR Erinnerungskultur. Das Thema fließt auch in meine journalistische Arbeit ein und ich beschäftige mich gerne mit historischen Stadtthemen und mit Alltagskultur. Ich bin gerne auf der Straße und gehe gerne unter die Leute, um die Stadt zu erfahren.

So habe ich z.B. über „Blicke aus Erfurter Fenstern“ geschrieben, oder über „Ghost Signs“, verblichene Schriftzüge auf Gebäuden und deren Geschichte.

Wie sind Sie zum Reporter Slam gekommen?

Ursprünglich wollte ich im Oktober nur aus Neugierde und privat als Besucherin zum Erfurter Reporter Slam. Der fand anlässlich einer Correctiv-Lokalkonferenz an der Erfurter Uni statt.

Dann rief mich aber vier Tage vorm Slam überraschenderweise Jochen Markett, der Organisator, an und fragte ob ich Interesse hätte dort aufzutreten. Ein Kollege vom MDR war ausgefallen und Markett hatte nach Lokalredakteur*innen gegoogelt, die regelmäßige Kolumnen schreiben. So war er auf mich, meine Kolumne und meine Auftritte beim Bühnenprogramm eines Erfurter Literaturvereins gestoßen. Deshalb sprach er mich an und lud mich ein.

Beim Reporter Slam-Jahresfinale, im Januar in Berlin, stand ich dann zusammen mit fünf anderen Kolleg*innen auf der Bühne, die in anderen Vorausscheidungen ermittelt worden waren.

Welches waren Ihre Motive für die Teilnahme am Reporter Slam

Gereizt hat mich die Teilnahme am Reporter Slam, weil ich bereits früher gelegentlich bei Veranstaltungen des Kulturmagazins Heft für Literatur, Stadt und Alltag aufgetreten war. Jede neue Ausgabe des Hefts wurde von einem Bühnenprogramm begleitet. Diese Erfahrung hatte mir Spaß gemacht und das wollte ich beim Reporter Slam gerne einmal wieder ausprobieren.

Eigentlich befrage ich aber lieber Menschen, als selbst öffentlich zu sprechen. Zumindest spreche ich vor Publikum lieber über Fachthemen als über mich selbst.

Welche Geschichte haben Sie beim Reporter Slam präsentiert?

Ich hatte an den Fassaden Erfurter Schulen immer wieder eine mysteriöse Betonfigur in Form eines Fisches entdeckt. Die interessierte mich und so machte ich mich auf die Suche nach ihrer Bedeutung, ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Schöpfer. Die Recherche war nicht einfach, weil in der DDR ja immer im Kombinat und selten individuell gebaut wurde. Auf meine Fragen bei X (früher Twitter) bekam ich aber plötzlich – gemessen am meiner eigentlich geringen Reichweite– überraschend viele Reaktionen, auch von Fachleuten und es entspann sich eine lebhafte Diskussion. Letztlich stieß ich dann sogar auf den Urheber der Figuren und konnte ihn treffen.

Für mich war das ein schönes Beispiel dafür, wie aus einer einfachen journalistischen Frage via Schneeballsystem eine interessante Geschichte entstehen kann.

Während Ihres Auftritts beim Reporter Slam-Finale wurde im Publikum viel gelacht. Hatten Sie die Geschichte ursprünglich bereits humoristisch, als eine Art Gesellschaftssatire, angelegt? Oder waren es die Besucher*innen an dem Abend, die ganz auf Humor eingestellt waren? Waren Sie selbst von der Reaktion überrascht?

Teilweise hat mich das selbst überrascht. Aber einige humoristische Twists hatte ich natürlich bewusst eingebaut. Auch meine Art des Vortrags trug – bewusst und manchmal auch unbewusst – dazu bei, dass die Geschichte humoristisch gelesen wurde.

Ich hatte aber auch die Vermutung, dass mein Thema – vom Humorfaktor her – das unterhaltsamste sein könnte. Andere Geschichten an dem Abend, zum Beispiel über Stadtzerstörung in Tirana oder über Pressezensur im türkischen Erdbebengebiet, waren natürlich vom Sujet her politischer und etwas schwerer. Da haben die Menschen vielleicht auch gerne mal gelacht zwischendurch. Aber auch der Kollege Andrej Werth vom Südtiroler Wochenmagazin hatte seine Recherche über Overtourism sehr lustig aufgezogen.

Wie haben Sie sich gefühlt auf der Bühne, an dem Abend?

Eine echte Herausforderung war es, die Recherche in nur 10 Minuten zu präsentieren. Sobald die „Zeit-Hupe“ ertönt ist ja Schluss. Wenn man dann erst bei der Hälfte der Geschichte angekommen ist, hat man Pech gehabt.

Und ich war natürlich aufgeregt, wegen des mit 500 Menschen voll besetzten Saals. Das war ich aber auch bereits zuvor schon, beim Ausscheidungswettbewerb in Erfurt. Neben mir traten ja teilweise Menschen von großen überregionalen Medien, auch solche mit Radio- und TV-Erfahrung, auf. Die waren da eher in ihrem Metier als ich. Ich selbst stelle mich normalerweise nicht vor Kameras.

Als ich dann aber spürte, wie konzentriert die Leute zuhörten, auch mal lachten, an Stellen die ich humoristisch angelegt hatte, als ich den „Draht zum Publikum“ spürte, da hatte ich auch ein Hochgefühl.

Spielen bei diesen Live-Bühnenformaten VIP-Marken wie Spiegel, Zeit, SZ vielleicht gar keine große Rolle? Als Zuschauer*in möchte ich ja vor allem persönliche, anrührende, vielleicht auch lustige journalistische Geschichten genießen. Die kann mir jemand aus der kleinen Lokalredaktion genauso liefern wie jemand von der Hamburger Ericusspitze. Vielleicht sogar besser, weil vom Thema und vom Milieu her ungewöhnlicher.

Authentisch und ungewöhnlich können natürlich auch die großen Medienmarken.

Aber das mag schon stimmen. Es geht beim Reporter Slam nicht nur darum auf der Bühne die lustigste Geschichte zu erzählen. Es sollen ja auch die Persönlichkeiten hinter der Geschichte gewürdigt werden, ihre tägliche Arbeit, ihre Herangehensweise. Und da haben hoffentlich alle potenziell dieselben Chancen, ob vom bekannten Medienhaus oder aus der kleinen Lokalredaktion.

Welche Tipps würden Sie Kolleg*innen mitgeben, die sich und ihre Geschichten einmal live auf einer Bühne präsentieren möchten?

Vor allem sollte man sich selbst nicht klein machen, angesichts der Konkurrenz großer Namen. Man sollte versuchen locker an die Sache heranzugehen. Die Kolleg*innen aus den bekannten Häusern waren ja teilweise genauso aufgeregt, teilweise noch nervöser als ich.

Dabei war die Atmosphäre rund um die Veranstaltung aber sehr kollegial und sehr wertschätzend. Es kam untereinander kein Neid auf und es war eigentlich egal, aus welchem Haus man kam und welches Thema man mitgebracht hatte. Das fand ich sehr schön.

Die Geschichte sollten immer einen emotionalen Aspekt haben. Das kann Humor sein, das können aber auch andere Emotionen sein. Man kann auch tragische oder traurige Geschichten erzählen. Entscheidend ist, was die Geschichte mit mir als Journalistin, die sie recherchiert, aufgeschrieben und präsentiert hat, macht.

Kann Live-Journalismus Probleme lösen helfen, die der Journalismus gerade in seiner öffentlichen Wahrnehmung hat? Etwa den Vorwurf abgehoben in einer Bubble zu arbeiten?

Ein oft geäußerter Vorwurf ist ja, dass Journalist*innen nur als Befehlsempfänger*innen ihrer Redaktionen arbeiten.

Bei einem Liveauftritt erlebt das Publikum dann aber die Menschen hinter den Nachrichten. Man erfährt dann wie individuell und persönlich Journalist*innen an ihre Themen herangehen, welche Gedanken sie sich dazu machen und wie sie konkret daran arbeiten. Insofern könnte Live-Journalismus Teil einer Lösung des Problems sein.


Der preisgekrönte Auftritt von Kathleen Kröger beim Reporter Slam Jahresfinale:

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