re:publica 23: Wo bleibt der Cash?

Voller "Laden" - die re:publica 23 "Cash". Foto: Sarah Schaefer

18 Bühnen mit über 1100 Sprecher*innen: In Berlin lädt die re:publica „Cash“ direkt an der Spree zum Treffen der Digitalszene. Es geht um Geld, aber natürlich auch um die Zukunft der Medien und des Journalismus. Journalist*innen berichten, wie MeToo-Recherchen zu einem Umdenken in Chefredaktionen geführt haben, werben für einen Journalismus, der sich vom Reichweitenmodell verabschiedet und streiten über die Frage, ob sich die Öffentlich-Rechtlichen zu sehr dem New Journalism verschreiben.

„Wofür gibst du gerne Geld aus?“ „Was sollte aus dem Sortiment genommen werden?“ Diese Fragen stehen an einer weißen Wand, die in der Arena Berlin quasi das Herzstück der re:publica bildet. Besucher*innen bleiben davor stehen, denken nach, schreiben ihre Antwort auf einen Zettel und kleben sie auf die weiße Fläche. Cash ist das Motto der diesjährigen Republica, und das spiegelt sich auch im Design: Neonfarben überall, auf den Bühnen stapeln sich Transportkisten zu hohen Türmen – die Digitalmesse als riesiger Supermarkt.

Was ist im Sortiment? Zu Gast war etwa Finanzminister Christian Lindner, der nicht mal fünf Minuten brauchte, um das FDP-Lieblingsschlagwort „Technologieoffenheit“ unterzubringen. Für Lindner gab es lediglich Höflichkeitsapplaus, dafür einige Zwischenrufe. Anders war es bei seiner Vorrednerin: Marlene Engelhorn, Millionenerbin, plädierte leidenschaftlich dafür, reiche Menschen stärker zu besteuern, und wurde begeistert beklatscht.

Den Generationenkonflikt beerdigen

Medienphänomen Sebastian Hotz, besser bekannt als „El Hotzo“, forderte in seiner Rede, die Gräben zwischen Gen Z, Millenials und Boomern abzubauen. „Lasst uns den Generationenkonflikt beerdigen“, sagte er und führte aus, dass er sich auf das Älterwerden freue, denn dann könne er endlich jegliches Schamgefühl hinter sich lassen („Der Mensch ist dem Menschen ein Cringe“).

Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, sprach über die geschichtlichen Hintergründe des Mythos vom „reichen Juden“ – und wie gefährlich diese Erzählung werden kann.

KI war natürlich auch ein Thema, allerdings sei das, wie Mitbegründer Markus Beckedahl dem RBB sagte, für die re:publica nichts Neues – nun sei aber auch der breiten Öffentlichkeit klar geworden, dass sich eine Gesellschaft dringend mit diesen Technologien beschäftigen müsse. Schwerpunkt am zweiten Tag war der Media Summit mit einem Blick hinter die Kulissen des bewegten Bilds – und der Frage, wie die Film- und Fernsehbranche wieder als Arbeitgeber attraktiv werden kann.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Diskurs

Gesprochen und teils auch leidenschaftlich gestritten wurde über die Öffentlichen-Rechtlichen –Letzteres bei einer Diskussion, zu der „Monitor“-Redaktionsleiter Georg Restle geladen hatte. „Voll kontroverses Podium für einen Dienstagmittag“, sagte seine Kollegin, ARD-Journalistin Anja Reschke, die Teil der Runde war. Schon der Titel des Gesprächs war eher auf Krawall gebürstet: „Hauptsache jung, Hauptsache laut: Auslaufmodell Journalismus?“

Restle äußerte seine Befürchtung, dass der öffentlich-rechtliche Journalismus an Ernsthaftigkeit verliere, weil der New Journalism, angetrieben durch das Netzwerk Funk, auf dem Vormarsch sei. Er verwies dabei auf eine jüngst veröffentlichte Studie der Otto-Brenner-Stiftung, die ergeben hatte, dass etwa 80 Prozent der Funk-Inhalte dem New Journalismus zuzurechnen seien – dabei gehe es vorrangig um eine subjektive Perspektive, um Gefühle. Investigative Recherchen hingegen spielten kaum eine Rolle. Laute Zustimmung gab es dafür von Tilo Jung (Jung & Naiv), der sagte: „Wir berieseln die jungen Leute mit Bullshit.“ Der New Journalism sei politisch irrelevant.

Für Lacher sorgte die Anmerkung von ARD-Programmdirektorin Christine Strobl, die Gefahr für die ARD, zu jung und zu modern zu werden, sei in ihren Augen nicht allzu groß. Klar sei jedoch, dass man sich den Wünschen der jungen Zuschauer*innen nicht verschließen dürfe. „Ich mache mir keine Sorgen um den investigativen Journalismus“, sagte Anja Reschke und verwies auf die Arbeit der Funk-Formate STRG_F und Y-Kollektiv. Gut recherchierte Beiträge fänden ihr Publikum, auch wenn sie vielleicht nicht mehr im Stil von Monitor oder Panorama daherkämen. Ein „emotionaler Anker“, wie ihn viele Funk-Beiträge setzten, sei nicht verwerflich und könne eine gute Grundlage sein, um im Kleinen das große Ganze zu erzählen. Beispiel: von den Lieblingsturnschuhen zu globalen Lieferketten.

Macht und Machtmissbrauch

“Boys Club – Macht und Missbrauch bei Axel Springer“ heißt der Podcast der Journalistinnen Pia Stendera und Lena von Holt. Sie saßen gemeinsam mit Spiegel-Redakteurin Juliane Löffler auf dem Podium, die als Teil eines ursprünglich bei Ippen angesiedelten Rechercheteams über die Vorwürfe gegen den damaligen „Bild“-Chef Julian Reichelt berichtet hatte. Ein Fazit dieser Runde: MeToo hat die Gesellschaft verändert – und dieser Wandel kommt nun offenbar auch in den Medienhäusern an.

„Ich glaube, dass da in letzter Zeit etwas aufbricht“, sagte von Holt. Löffler verwies auf das große Interesse an Recherchen, die sich mit Sexismus und Machtmissbrauch beschäftigen. „Diese Texte werden wahnsinnig viel gelesen.“ Möglicherweise, weil sich viele Menschen in diesen Geschichten wiedererkennen. In den Chefetagen führe das zurzeit zu einem Umdenken, MeToo-Recherchen würden mittlerweile ernst genommen. Das lasse sich auch daran erkennen, dass die „Süddeutsche Zeitung“ nur kurze Zeit nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann viele Mitarbeiter*innen auf das Thema angesetzt und einen großen Artikel veröffentlicht habe.

Einen Wandel im Journalismus stellt auch Ellen Heinrichs fest, Gründerin des Bonn Institute, das sich für einen konstruktiven Journalismus einsetzt. Heinrichs, die eine Ausbildung zur Mediatorin gemacht hat, warb dafür, Techniken der Mediation in das journalistische Handwerk aufzunehmen. Mit Sorge sehe sie, dass immer mehr Menschen Nachrichten vermeiden, weil sie Ängste und Stress auslösten. Aufgabe des Journalismus sei es darum, „Stress rauszunehmen“ und den Dialog zu fördern.

Ihr Institut erlebe einen regen Zulauf, immer mehr Redaktionen wünschten sich Beratung zu einer konstruktiven Herangehensweise. „Die Bereitschaft, sich zu hinterfragen, steigt“, sagte Heinrichs. Den Erfolg von journalistischer Arbeit an Reichweite zu messen, sei in Zeiten von KI ein „Modell von gestern“. Stattdessen gehe es darum, dass die Leser*innen bei einem Medium bleiben, dass sie Vertrauen aufbauen. Lösungsorientierter Journalismus werde länger konsumiert – und sei daher entscheidend für die zukünftige Monetarisierung des Journalismus. Oder – um es mit dem re:publica-Motto zu sagen: Hier gibt es Cash zu holen.

 

 

 

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