Schon entdeckt? Die Heimatbloggerin

Screenshot: Heimatreport

Ihr journalistisches Handwerk hat Petra Bosse in einer Lokalredaktion bei der WAZ, später bei der Borkener Zeitung gelernt. Die journalistische Autodidaktin arbeitet immer noch als freie Mitarbeiterin und Video-Journalistin bei der „Dorstener Zeitung“. Von Haus aus ist sie eigentlich Arzthelferin. Als es in diesem Beruf keine Chancen mehr für sie gab, hat sie den Journalismus für sich entdeckt. Im September 2008 kam ihr Sohn David, ein gelernter Diplom-Informatiker, auf die Idee ihr den Blog heimatreport.de“ einzurichten. Seitdem berichtet die gebürtige Gladbeckerin über ihre neue Heimat, die Gemeinden Raesfeld und Erle im Westmünsterland.

Heute kann sie von dem Blog zusammen mit ihrem Zuverdienst als freie Mitarbeiterin sehr gut leben. Ich schreibe schwarze Zahlen.“ Eine Aussage, die in der meist chronisch unterfinanziert oder ehrenamtlich ohne Geschäftsmodell arbeitenden Bloggerszene schon eine Ausnahme ist. Auch ich habe anfangs zu viel umsonst gemacht“ sagt sie. Sie finanziert sich durch interaktive Firmenlogos auf ihrer Seite und Sponsoren, deren Unterstützung sie mit einer redaktionellen Berichterstattung honoriert in Rubriken wie Neues aus der Geschäftswelt“. Ihre Werbepreise sind so kalkuliert, dass sie auch von kleineren Geschäften bezahlt werden können. 65.000 Zugriffe aus der ganzen Welt hat sie im Monat, 3,6 Millionen Klicks hatte ihr Blog insgesamt.

 Schwieriges mache ich nicht“, sagt sie zu ihrem journalistischen Selbstverständnis, das überlasse ich der Tageszeitung“. Das heißt aber nicht, dass ich mit einer rosa-roten Brille durch die Welt laufe“, betont sie. Ich mache keinen reinen Werbeblog“. Wenn zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage fremdenfeindliche Töne zu hören sind, dann bezieht sie klar Stellung. Gleichwohl, und da macht sie gar keinen Hehl draus, kritische Themen die zu kontroversen Leserreaktionen führen könnten, lässt sie lieber weg: Ihre Domäne ist der Klatsch+Tratsch und das was ihr in ihrem Dorf an Themen vor die Füße fällt und das, was sie gesteckt bekommt. Man muss schon sehr gut vernetzt sein vor Ort, um einen erfolgreichen Blog zu betreiben. Ich schreib das auf, was die Leute erzählen, was sie aufregt. Ich mache Berichterstattung jetzt und gleich aus dem Dorf. Hautnah und bürgernah. Ich schreib nicht hochgestochen, treff den Tonfall der Leute“.

Für ihren Erfolg, der ihr auch einen Beitrag im Frau tv“ bescherte, arbeitet Petra Bosse alias Celawie hart, bis zu zehn Stunden am Tag. Selbst im Urlaub stellt sie noch wenigstens Pressemitteilungen ein. Ihrer Meinung nach wollen die Leute kostenlos online lesen, deshalb hält sie auch nichts davon wie die Tageszeitungen die Inhalte hinter einer Paywall zu verstecken. Bei mir gibt es alles gratis, und wenn ich zu einem Unfall fahre, steht das eine Stunde später online“. Sie ist froh mit ihrem Sohn einen Programmierer an der Seite zu haben, der sich um die Technik, um Spams und Hacker kümmert. Gerade erst hat sie Geld in einen neuen Server investiert. Da sollte man nicht geizig sein“. Texte, Fotos und auch die Filme für heimatreport.tv dreht sie selbst, fährt zu Unfällen raus, sichtet die Pressemitteilungen von Stadt, Gemeinden, Vereinen und der Polizei. Ist bei Geschäftseröffnungen, Festen und beim Schnitzeltag präsent, gehört zur lokalen Prominenz. Ich arbeite selbst und ständig“. Ihr Erfolgsmodell soll Schule machen, inzwischen hat sie mit schermbeck-online im Kreis Wesel einen weiteren, ebenfalls erfolgreichen Heimatblog gegründet. Zu weiteren Kooperationen ist sie bereit.

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »