Im Dunkelfeld zwischen Journalismus und dem BND
Es liegt nahe, daß Geheimdienste auf mehr oder weniger krummen Wegen versuchen, sich gut informierte Journalisten nutzbar zu machen. Und es gibt reichlich Journalisten, die den Diensten stets zu Diensten sind.
Dutzende unserer westdeutschen Berufskollegen waren bereit, als inoffizielle Mitarbeiter (IM) dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Berichte zur Lage und Auskünfte zu Personen zu liefern. Viele von ihnen sind aufgeflogen, einige wurden verurteilt, die meisten Fälle waren verjährt oder blieben öffentlich unbekannt, und manche schlummern noch in den Stasi-Akten bei der Berliner Gauck-Behörde.
Aber mindestens ebenso viele ließen sich von westdeutschen Geheimdiensten einspannen. Obwohl diese beteuern, Journalisten würden nicht angeworben, hat es zweifellos emsige Zuträger und willige Informationsbeschaffer gegeben, aber auch solche, die im Sinne des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Bundesamts und der Landesämter für Verfassungsschutz (BfV, LfV) oder des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) deren Geschäft, nämlich Zweckinformation oder Desinformation, betreiben. Die einen freiwillig und arglos und ohne sich Gedanken zu machen, andere aus „staatsbürgerlichem Pflichtgefühl“, wieder andere aus materiellen Interessen oder wegen anderer erhoffter Vorteile.
Als ich im September 1984 aus Ost-Berlin, wo ich einige Jahre lang für die „Süddeutsche Zeitung“ DDR-Korrespondent gewesen war, nach Bonn zurückkehrte, bekam ich einen Anruf. Ein hochrangiger Stasi-Offizier sei übergelaufen, erzählte mein mir bekannter und damals glaubwürdig scheinender Informant, der – wie man so sagt – „in Sicherheitskreisen“ tätig war. Ein Kontrollanruf bei einer Bundesbehörde, die davon wissen mußte, ergab aus meiner Sicht eine Bestätigung: Man habe „davon gehört“. Also schrieb ich am 14. September 1985 in der „Frankfurter Rundschau“ unter der Überschrift „Geheimdienstler übergelaufen“, der BND habe „mit Hilfe von Geheimagenten aus den USA“ dem MfS einen kenntnnisreichen Mitarbeiter abgeworben. Gleichzeitig erschien die gleiche Meldung in der „Kölnischen Rundschau“. Tags darauf mußte ich korrigieren: Berichte über einen angeblichen Überläufer seien „Falschmeldungen“. Der Top-Spion war ein Phantom. Tatsächlich hatte es keinen gegeben. Ich war aus den Geheimdiensten heraus für deren Zwecke instrumentalisiert worden und hatte mich gutgläubig und im Vertrauen auf den bis dahin zuverlässigen Informanten mißbrauchen lassen. Der Hintergrund wurde mir später von einem anderen Geheimdienstmann erläutert: Dann und wann versuchte der BND, Meldungen über einen „Überläufer“ in die Presse zu lancieren. Die Absicht war, andere, schon observierte DDR-Agenten aufzuschrecken und zu hektischen, auffälligen Aktivitäten zu verleiten, um sie fassen zu können.
Ich war reingefallen. Es war mir ober-peinlich. Seitdem habe ich nie wieder einer Information aus einem Nachrichtendienst getraut – es sei denn, sie war einigermaßen seriös überprüfbar. Es gehört zum Geschäft der Geheimdienste in aller Welt, daß sie sich mit ihren Mitteln auch der Medien bedienen. Zur Arbeit von Journalisten kann es gehören, Geheimdienste als Quellen zu benutzen. Sie müssen nur deren Methoden durchschauen und dürfen sich nicht in Operationen einbinden lassen.
Wo Grenzen zu ziehen sind? Ernst-Otto Maetzke (früher FAZ) sagte: „Daß man abgeschöpft wird, wenn man sich mit nachrichtendienstlich angebundenen Leuten einläßt, das ist normal. Und ein bißchen was muß man auch anbieten, wenn man selbst was in Erfahrung bringen will. Die Grenze lag für mich immer da, wo ein konspiratives Verhalten erwartet oder befolgt wurde“ (zitiert nach Schmidt-Eenboom, Undercover, S. 66). Eckart Spoo (früher „Frankfurter Rundschau“) empfahl: „Wir sollten allen Informationen aus Verfassungsschutzämtern prinzipiell den Glauben verweigern. Wir sollten immer darüber nachdenken, welche politischen Absichten diese Behörden verfolgen.“ (Zitiert nach Hans Leyendecker, Süddeutsche Zeitung v. 24. 8. 1998.)