Perfekte Verbindung von Online- und Offline-Wahlkampf war der Erfolgsschlüssel
US-Präsident Barack Obama setzte in seinem Wahlkampf neue Maßstäbe für politische Kommunikation. Nie zuvor spielte ein Politiker so geschickt auf der Klaviatur neuer Medien. Ob die Lehren von Obamas Online-Offensive auf den deutschen Wahlkampf übertragbar sind, erscheint dennoch fraglich.
Obamas Wahlsieg, darin stimmen alle politischen Kommentatoren überein, verdankt sich vor allem seiner geschickten Nutzung der Möglichkeiten interaktiver Kommunikation über das Internet. Über wichtige soziale Netzwerke wie YouTube, MySpace, Facebook oder Flickr gelang es dem demokratischen Kandidaten, ein superstarähnliches Image aufzubauen und Millionen Bürger zielgenau anzusprechen. Das Internet erwies sich als entscheidendes Instrument zur Mobilisierung von Spendern, freiwilligen Helfern und Wählern. Dem breit per E-Mail gestreuten Aufruf, Obama finanziell zu unterstützen, folgten rund 300.000 US-Bürger. Spendenbeträge zwischen fünf und mehreren hunderttausend Dollar mündeten in einen TV-Wahlkampf, bei dem Obama fast 300 Millionen Dollar nur für Wahlwerbespots ausgeben konnte. Das Internet fungierte aber nicht nur als Medium elektronischer Bettelbriefe und Online-Sammelbüchse. Es diente gleichzeitig als interaktives Verständigungsmittel, als ideologische Plattform, als Datenbank und Plan für den Einsatz tausender Helfer. Unter anderem sammelten Obamas Wahlkämpfer an die 13 Millionen E-Mail-Adressen und rund vier Millionen Mobilfunkverbindungen. Daten, die ein entsprechendes „Micro-Targeting“ potentieller Wähler, also präzise und persönliche Mailings, Anrufe und Hausbesuche ermöglichten. Mit dieser Strategie erwarb Obama zugleich eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den herkömmlichen Gatekeepern in den traditionellen Medien.
Die perfekte Verbindung von Online- und Offline-Wahlkampf ist denn auch für die Medienwissenschaftlerin Ute Pannen der Erfolgsschlüssel für Obamas Kampagne. „Das Internet hilft, den Wahlkampf zu organisieren, aber der eigentliche Wahlkampf fand auch bei Obama auf der Straße statt“, sagte Pannen unlängst bei einer Debatte auf dem Kongress zum 30. Geburtstag der taz. Es sei ihm gelungen, Energie und Engagement seiner Unterstützer im Netz auch im realen Leben fruchtbar zu machen. Pannen ist Betreiberin des Politblogs apparentpolitics.com und hat Obamas Kampagne publizistisch begleitet. Nicht zu verachten ist für sie auch der enorme Multiplikationseffekt von sozialen Netzwerken wie Facebook und Co: Jeder „Freund“, der eine Nachricht bekomme, schicke diese in der Regel automatisch an seine Community weiter.
Von Obama das Siegen zu lernen, dürfte deutschen Politikern im Superwahljahr 2009 gleichwohl nicht leicht fallen. Das liegt nicht nur am mangelnden Charisma des hiesigen Spitzenpersonals, sondern möglicherweise auch am Fehlen einer klaren politischen Botschaft. Denn hier unterscheidet sich die US-Realität stark von der bundesrepublikanischen. Zu Obamas überwältigendem Wahlsieg trug nicht zuletzt die angestaute Sehnsucht der US-Bürger nach einem radikalen Politikwechsel bei. Die Agonie der abgewirtschafteten Bush-Regierung erlaubt es ihm – vor dem Hintergrund eines Zwei-Parteien-Systems – die Gesellschaft zu polarisieren. Wobei auch das Internet wiederum eine zentrale Rolle spielte: Man denke nur an die Video-Parodien, die nach diversen unglücklichen Auftritten von Sarah Palin, der republikanischen Kandidatin für das Vizepräsidentenamt, im Netz zirkulierten und für Erheiterung sorgten. Das gleiche Schicksal könnte zwar auch diverse Netzauftritte bundesdeutscher Kandidaten ereilen. Aber unter den Bedingungen der Großen Koalition erscheint eine allzu starke Polarisierung der politischen Lager nicht sehr wahrscheinlich. Was Charisma und politische Botschaft angeht, so belegten schon die Europawahlen mit lustlosen Slogans wie „Wir in Europa“, woran es hierzulande mangelt. „Wer so wenig Saft und Kraft in die Sache des Europaparlaments steckt (…), darf sich über Gleichgültigkeit oder demonstrative Abstinenz nicht wundern“, kommentierte die FAZ.
Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl lag der Anteil der Online-Unterstützer aller deutschen Parteien bei weniger als 0,2% der Wahlberechtigten. Im Superwahljahr 2009 dürften Bürger und Kandidaten sich wohl vorrangig noch auf gewohntem Terrain begegnen: in TV-Debatten, an Infoständen und bei Wahlkampfkundgebungen.