Wie sich Politiker und Journalisten unter Druck setzen – und dabei die Finger verbrennen
Vermutlich lag es an der journalistischen Abendstimmung, dass der 59-jährige Regionalreporter Bert Hauser bei seinem Abschied vom Südwestrundfunk (SWR) das Bild seines Senders arg düster gezeichnet hat. Dennoch ist Hausers Grundbefund ziemlich erhellend für die allgemeine Misere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der politische Druck der Parteien, klagte der scheidende SWR-Reporter anhand konkreter Vorgänge, „blockiert die Arbeit in unserem Haus an vielen Stellen und provoziert den Fatalismus“.
Wie dringlich Hausers Hausputz gegen Mief und Muckertum im Stuttgarter Sender war, belegt allein die geharnischte Reaktion des SWR-Intendanten Peter Voß: „Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrer Tätigkeit als Journalist auch so mit an Rufmord grenzenden Unterstellungen gearbeitet haben wie in Ihrer Abschiedsrede“, bellte Voß seinem Mitarbeiter hinterher. „Falls ja, wäre Ihnen gegenüber jedes Misstrauen gerechtfertigt und ihr Ausscheiden aus dem SWR leider kein Verlust.“ Sir, geben Sie Gedankenfreiheit!
Die neuen Stars liefen in der Politik und nicht im Showgewerbe herum, urteilt Paul Sahner, Gesellschaftsreporter des Klatsch-Magazins „Bunte“, wider alle Politikverdrossenheit. Der Mann muss es wissen. „16 Jahre in der oppositionellen Warteschleife haben aus lustfeindlichen Sozis und Grünen Hedonisten gemacht, die ihre Kleiderschränke aufmachen und ihre neuen Frauen präsentieren“, sagte Sahner der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) und erkor den Luxus zum „Bruder der Macht“. Absolute Stars in der Klatschpresse seien Gerhard Schröder und Joschka Fischer. „Sie zeigen, wen sie lieben, was sie anziehen, rauchen, wo sie Urlaub machen. Frauen, Brioni, Cohiba, Toskana. Ab geht die Post“, schwärmt Klatschmaul Sahner über die neuen Protagonisten der bunten Blätter. „Ein Volltreffer“ sei der durch die TV-Talkshows turtelnde Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Sahner anerkennend: „Er hat sich nicht einfach scheiden lassen, sondern mir vier Wochen später eine echte Gräfin als Neue präsentiert. Ein wirklich offensiver Verteidigungsminister.“
Deutlich defensiver lebt Außenminister Joschka Fischer seine Zweisamkeit mit Ehefrau Nicola Leske aus. Weshalb in Berlin die Gerüchte kräftig ins Kraut schießen und „Bild“-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß dem laufenden Minister eine veritable Ehekrise andichtete. Selbst seriöse Gazetten griffen das Geschreibsel des Grafen auf und destillierten es zum harten Nachrichtenstoff. „Es ist wie beim Spielen mit einem Feuerwerkskörper“, tat Nayhauß erstaunt über das Schlagzeilen-Echo, „nachdem es geknallt hat, ist man selbst erschrocken über den Donnerhall.“
Dass der Knallfrosch des „Bild“-Kolumnisten vor allem den Außenminister und dessen Ehefrau erschreckt hat, gehört für Nayhauß offenbar zum Berufsrisiko eines Politikers. Wer nicht hören will, muss fühlen. Schließlich habe er Fischer vorgeschlagen, „mit der Wahrheit herauszurücken“, dann könne man „ein Stillhalteabkommen treffen“. Wie so etwas aussieht, schilderte Nayhauß am Beispiel des ehemaligen Kanzleramtsministers Horst Ehmke. Der dreifache Familienvater habe sich seinerzeit vertrauensvoll an den „Bild“-Kolumnisten gewandt und ihm seine neue Liebe zu der Tschechin Maria Hlavacova gestanden: „Wenn Sie jetzt nichts veröffentlichen, kriegen Sie nachher das erste Exclusivinterview mit Maria und mir“, soll Ehmke dem adeligen Klatschonkel vorgeschlagen haben. Für Nayhauß ist dies kein „alter Hut“, sondern „ein immer gültiges Beispiel, wie man sich mit Journalisten arrangieren kann“. Wann eigentlich ist der Tatbestand der journalistischen Nötigung erfüllt, wenn nicht hier?
Leider stammt Joschka Fischers Umgang mit kritischen Medienvertretern auch nicht aus dem Lehrbuch für Pressefreiheit. Missfällt dem Außenminister die Beschreibung seiner Person und Politik in einem der führenden Wochenblätter, pflegt er nicht selten den zuständigen Chefredakteur zum Dinner einzubestellen, um dabei den missliebigen Schreiber niederzumachen. Da die Eitelkeit deutscher Chefredakteure im Regelfall größer ist als ihre politische Courage, war Fischers Medienpolitik in den letzten Jahren ausgesprochen erfolgreich. Nicht umsonst ist er Deutschlands populärster Politiker.
Ungemütlich wurde es für den Außenminister erst, als einige hartnäckige Rechercheure in seiner Vergangenheit als militanter Streetfighter zu graben begannen. „Bisher genügte es“, schreibt „Tagesspiegel“-Reporter Jürgen Schreiber, „den Vertrauten Georg Dick zu mobilisieren, der mit exzellenten Kontakten die Recherchen austrat, wann immer sich eine Redaktion mit der unentdeckten Seite Fischers beschäftigen wollte.“ Doch seit Fotos und Filmstreifen vom „Bullenklatscher“ Fischer aufgetaucht sind, findet der Außenminister „mehr über sich gedruckt, als er je lesen wollte“ (Schreiber).
Über die Rechercheure, die in Fischers Vergangenheit wühlen, ranken sich vielerlei Gerüchte und Legenden, die vor allem im Außenministerium ausgestreut werden. Dazu gehört auch die Anekdote, dass angeblich „Spiegel“-Guru Rudolf Augstein, wahrlich keiner von Fischer-man-friends, die Recherchen ins Rollen gebracht haben soll. Diese possierliche Geschichte hat uns die respektable „taz“-Journalistin Heide Platen überliefert: „Chefredakteur Stefan Aust habe sich nach mehreren Krächen mit dem schwer kranken Herausgeber Rudolf Augstein in anderer Sache genötigt gesehen, dem Verleger ein Stück nach dessen Herzen zu liefern: ,Augstein hält Fischer für einen Lump und Proleten““, zitiert die taz-Frau einen Anonymus, der wohl eher im Außenministerium als im Innern des Hamburger Nachrichten-Magazins beheimatet ist. „Und dann“, treibt die „tageszeitung“ ihre Legende gnadenlos dem showdown entgegen, „habe Aust losgelegt, als wolle er ,dem Alten“ den Kopf von Alfredo Garcia bringen.“ Zu schön, um wahr zu sein.
Die Worte des abgelaufenen Jahres 2000 zum Thema Pressevielfalt stammen aus dem Munde von Medienkanzler Gerhard Schröder:
„Alles, was ich brauche ist ,Bild“, ,BamS“ und Glotze.“
Noch Fragen?