Unabhängigkeit von Kreativen hinterfragt

Am Set für den Film "Nord Nord Mord" am Strand von Sylt. Foto: Archiv 2016/ZDF/Christine Schroeder

Wie frei können Filmemacherinnen, Drehbuchautoren, Bloggerinnen und Hörspielproduzenten heutzutage schreiben, produzieren und vermarkten? Um diese Frage kreiste das Symposium „Mythos Unabhängigkeit: Jede Meinung hat ihren Preis“, zu dem der Deutsche Medienrat – ein Zusammenschluss von Organisationen aus Film, Rundfunk und AV-Medien – am 16. Oktober in die Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin geladen hatte.

„Im Moment haben wir in vielen Teilen der Welt eine Rollback-Entwicklung Richtung Unfreiheit von Künsten, Unfreiheit von Meinungsäußerungen.“  Mit dieser Feststellung eröffnete Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrats, die Tagung. Umso wichtiger sei die Existenz der Sektion Deutscher Medienrat im Deutschen Kulturrat, in der die Vielfalt der Meinungen noch gelebt werde. Diese Vielfalt sei jedoch massive bedroht, denn das digitale Zeitalter gehe einher mit einer „Ökonomisierung aller Lebensbereiche“.

Ein Gedanke, der von Klaus Schaefer, langjähriger Chef des für die Film- und Gamesförderung zuständigen FFF Bayern, aufgegriffen wurde. „Der Finanzierungsmarkt für mediale Produkte ist eng und vor allem von wenigen großen Playern geprägt“, so seine These. Für manche Sparten – Film, Fernsehen, neuerdings auch für Games – gebe es attraktive Förderangebote auf Bundes- und/oder Landesebene. Um diese Fördermittel werde jedoch hart gerungen. In seiner Zeit bei der Bayerischen Filmförderung habe etwa nur jeder zweite Antrag genehmigt werden können. Wirklich uneingeschränkt frei seien nur Kreative, „die weder für die Herstellung noch für die Verwertung auf finanzielle Mittel anderer angewiesen sind“.

Pim Richter ist Drehbuchautor, ein Job, den hierzulande heiß begehrt ist. Es gebe vielleicht 5.000 Menschen, die sich bemühen, in der Branche Fuß zu fassen. Schätzungsweise können jedoch allenfalls 1000 Autoren davon leben. „Fiction-Produktion ist marktwirtschaftlich gesehen ein Nachfragemarkt“, sagte Richter. Die Nachfrage werde im Wesentlichen verkörpert durch ein Oligopol: das private Fernsehen und die beiden öffentlich-rechtlichen Sender. Dieses Trio beauftrage mehr als 90 Prozent der fiktionalen TV-Produktionen. Dabei werde vom Drehbuchautor eine unzumutbare kreative Vorleistung erwartet.  Regie, Schauspieler und Stab würden erst dann „loslegen, wenn es ein gesichertes finanzielles Projekt gibt“. Der Drehbuchautor dagegen sei der „einzige Urheber im Medienbereich, der ohne jede vertragliche Sicherheit an die Arbeit geht“.

Kai Wiesinger, Schauspieler und Regisseur berichtete über Probleme und Abhängigkeiten in der Zusammenarbeit mit Redaktionen. „Wenn man ein Drehbuch schreibt, dann gibt man das einem Redakteur und der sagt dann: Au Mann, ich bin aber eher für den Freitag zuständig, das ist so’n Buch für den Donnerstag, da hab ich nun gar nichts mit zu tun.“ Auf die Qualität der Arbeit komme es offenbar erst in zweiter Linie an.  Um dieser sklavischen Abhängigkeit von Formatkorsetten  zu entrinnen, verlegte Wiesinger sich seit 2015 auf die Entwicklung die Webserie „Der Lack ist ab“, die sich zu großen Teilen aus Werbung finanziert.

Nach Auffassung von Colin Hoffmann, Leiter der Intendanz  der Deutschen Welle, hat der  öffentliche-rechtliche Rundfunk den Privatsendern „einen Segen, aber auch einen Fluch voraus“. Er sei einerseits aufgrund der Beitragsfinanzierung nicht auf Gewinnerzielung angewiesen. Andererseits sei er allen Abgabenzahlern verpflichtet, „Minderheiten aller Art – einem bildungsfernen Publikum ebenso wie den Eliten und dem Bildungsbürgertum“ gerecht zu werden.

Aus diesem Spagat erklärten sich „von seichten Formaten getragene Unterhaltungsstrecken, überteuerte Sportübertragungen und auf wenig prominente Sendeplätze abgeschobene Bildungssendungen und gehobene Info- und Dokumentationsprogramme. Eine anspruchsvolle Dokumentation sei nun mal teurer als eine noch so unterhaltsame Talkshow. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe sich aber bei seinen Entscheidungen nicht nur auf Wirtschaftlichkeit berufen. Hoffmann: Er habe eine „soziale und kulturelle Verpflichtung gegenüber allen Gewerken, deren Leistungen er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient“.

Eine Steilvorlage für Thomas Frickel, Vorsitzender der AG Dok. Die behauptete Unabhängigkeit der Dokumentarfilmer sei eine Schimäre – schon weil hierzulande das öffentlich-rechtliche System faktisch als alleiniger Auftraggeber die Konditionen diktieren könne. Das beziehe sich nicht nur auf die Finanzmittel, sondern auch auf  kreative Vorgaben. „Es gibt  relativ strenge Raster, wie Filme auszusehen haben, damit sie auf dem vorgesehenen Sendeplatz reüssieren.“ Frickel warb für die Honorarempfehlungen der AG Dok für Drehbuchautoren und Regisseure. Es gelte, „dem Gagendumping und der damit einhergehenden Entprofessionalisierung des deutschen Dokumentarfilms ein Ende zu setzen“.

Gelegentlich bewegen sich Medienkreative auf rechtlich dünnem Eis. Das erlebt derzeit die Bloggerin Vreni Frost. Sie betreibt mit einer fünfköpfigen Redaktion zwei Blogs: das Lifestyle-Portal „never ever me“ und das Technologie-Blog “techandthecity“. Die Finanzierung erfolgt durch advertorials, also redaktionell aufgemachte Anzeigen, die auch als solche gekennzeichnet sind. Sie führt derzeit eine Art Musterprozess. Das Berliner Landgericht hatte ihr kürzlich untersagt, auf ihren Instagram-Posts kommerzielle Marken zu taggen, ohne diese Posts als Werbung zu kennzeichnen. Das Gericht sah solche Postings schlicht als Schleichwerbung an. Frost dagegen argumentiert, sie verfolge mit den betreffenden Postings keine kommerziellen Zwecke da keine bezahlte Kooperation mit den vertaggten Marken dahinter stehe.

Harald Krewer, Theater- und Hörspielregisseur und Gründer der Audio-Produktionsfirma „speak low“ kennt solche Probleme nicht. Er sieht das Hörspiel als älteste Kunstform im Radio gefährdet. Der Abgang der Veteranen in den Sendern werde nicht zum Generationswechsel genutzt. „Die Stellen werden meistens abgeschafft oder nicht nachbesetzt, Abteilungen werden zusammengelegt und damit gehen auch Sendeplätze verloren“, klagte Krewer.  Durch die Digitalisierung habe das Radio und damit vor allem das Hörspiel  sein Alleinstellungsmerkmal verloren. Jetzt  könne  faktisch jeder mit geringen Mitteln Audio produzieren, was zu einer Entwertung des Produkts führe. Speziell im Bereich Hörbuch erlebe man gerade „eine Form der Industrialisierung des gesprochenen Wortes“ so Krewers  kulturpessimistischer Befund. Anstelle sorgfältiger Herstellung von Qualitätsprodukten gehe es  letztlich nur noch darum, „Masse zu produzieren, die schnell verkaufbar ist“.

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