Keyvan Dahesch setzt sich für behinderte Menschen ein
Er hat alle möglichen Ehrungen und Würdigungen erfahren, die man sich nur vorstellen kann: Vom Bundesverdienstkreuz über den Ehrenbrief des Landes Hessen bis zum Medienpreis der Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistig Behinderte. Auch die Goldene Ehrenmedaille in Hessen wurde dem blinden Journalisten Keyvan Dahesch verliehen. Am 4. Juni erhielt er schließlich die Ehrenplakette des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen in Gold vom Chef der Organisation, Lutz Bauer. Der Einsatz Daheschs habe viel für die Lebensbedingungen von behinderten Menschen bewirkt. Durch „sein unermüdliches Eintreten“ habe er zum Beispiel zur Aufnahme des Benachteiligungsverbotes ins Grundgesetz beigetragen, so Bauer.
Unermüdlich ist das richtige Wort. Keyvan Dahesch strahlt eine Energie aus, die man nur bei wenigen Menschen antrifft. Zwar habe er ausgesorgt, bekomme Rente, sagt Dahesch. Auf die bekanntermaßen kümmerlichen Einkünfte aus dem freien Journalismus sei er nicht angewiesen. Doch er wolle nicht ruhen, das Thema der Behinderten immer wieder in die Medien zu befördern. Wie oft habe er schon – wie vergangenes Jahr bei einem Kongress in Magdeburg zur Eröffnung des Europäischen Jahrs der Behinderten – einige Tage verbracht und dann der Frankfurter Rundschau wenige Zeilen geliefert. Die FAZ habe das Thema gleich ganz ignoriert. So schildert Dahesch die Hürden, die ein Journalist bei bestimmten Sujets auf sich nehmen muss. Um gleich darauf loszulegen: Aus der ganzen Republik seien sie angereist gekommen, 10.000 Menschen in Rollstühlen und mehrfach Amputierte – doch Nachrichtenagenturen wie dpa interessierten immer nur die Worte der Großkopferten: „Was hat Ulla Schmidt gesagt?“ Alle Hoffnungen seien einmal wieder vernichtet worden, dass die Medien auch ihre Sicht der Dinge an die Öffentlichkeit bringen würden.
Natürlich wolle er den jungen Kolleginnen und Kollegen keine Arbeit wegnehmen. Er mache nur, worauf diese sowieso keinen Bock hätten: Zwei Tage Kongress, 85 Zeilen, 90 Cent pro Zeile. Nun verständlich, das rechne sich nicht, sagt Dahesch bitter: „Oder würden Sie das machen?“ Doch der blinde Journalist denkt nicht nur im Detail messerscharf, er analysiert auch das System, das hinter der Sache steckt. Das kann also nur so einer machen wie er, Dahesch. Einer, den das pure Engagement treibt, der nicht „nur“ Profession ausübt.
Über den Tellerrand sehen
Die sprühende Energie und das Über-den-Tellerrand-hinausdenken-Wollen, das er dabei an den Tag legt, muss den heute 62-Jährigen wohl von Kindesbeinen an begleitet haben. In seiner Jugend musste er zunächst für sich selber kämpfen, einmal nicht für andere. Um Bildung. Vor allem aber um die persönliche Freiheit, die nur in Verbindung mit Bildung zu haben ist, wie er früh erkennen musste. Denn Dahesch ist blind in der iranischen Hauptstadt Teheran geboren, als Kind wohlhabender und gebildeter Eltern. Sein Vater war ein führender Beamter im Kulturministerium.
Dennoch, die Bildungschancen für Blinde seien gleich Null gewesen. Blindenschrift oder eine Schule für Blinde habe man dort überhaupt nicht gekannt. So hätten die Eltern bekümmert gesagt: „Wenn er nichts sehen kann, soll er wenigstens gut essen und trinken“, schildert er seine Kindheitserlebnisse. Überbehütet, von einem Dienstmädchen vorsichtig begleitet, sei er aufgewachsen und habe deshalb stets einige Kilo zuviel gewogen. Auch was gesellschaftliche Diskriminierung heißt, hat Dahesch am eigenen Leib erlebt. Ungebildete Menschen hätten damals eine falsch verstandene muslimische Legende in die Welt gesetzt: Wenn ein Kind blind geboren würde, sei dies eine Bestrafung Gottes, der hiermit für die Sünden der Eltern Sühne verlange. Vor dem Hintergrund solcher religiösen Wahnvorstellungen ist Dahesch, wie er sagt, Freidenker geworden. Sich zu einer Religion zu bekennen, könne er sich nur vorstellen, wenn sie explizit gewaltfrei sei – und nicht etwa denjenigen zu köpfen oder verdammen gedenke, der nicht hinter ihr stehe.
Das Leben Keyvan Daheschs nahm als Teenager eine abrupte Wende. 1957 besuchte er für ein Jahr die deutsche Christoffel-Blindenmission in Isfahan, um anschließend als 16-Jähriger bis 1960 die Blindenschule „Nikolauspflege“ in Stuttgart zu besuchen. Die Eltern respektierten die Entscheidung ihres Sohnes zur frühen Unabhängigkeit. Jedoch, Journalist zu werden und alle entsprechenden Fortbildungen zu besuchen, sich die EDV-Kenntnisse anzueignen war für Keyvan Dahesch ein langer Weg. Doch als mühevoll würde er ihn gleichwohl niemals bezeichnen. Erstens wäre das nicht sein Stil. Und zweitens sprüht der Kollege, wie gesagt, vor Energien. Auch in Daheschs Fall gilt das Motto: „hinter jedem großen Mann steht eine große Frau“. Seine Frau Anni Dahesch, die er 1966 heiratete, begleitete ihn stets hilfreich bei seinem Tun.
Auch mit ver.di verbindet Keyvan Dahesch eine wunderbare Freundschaft. Der von 1975 bis 2002 als Pressesprecher im Hessischen Landesversorgungsamt beschäftigte Kollege war von ver.di als Arbeitnehmervertreter in den „Beratenden Ausschuss bei der Hauptfürsorgestelle des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen“ delegiert. Um für die berufliche Wiedereingliederung Behinderter spürbar Akzente zu setzen.