Unmoralisches Angebot

Endlich wissen wir, was wir Filmschaffende wert sind! Ein Kollege entdeckte kürzlich im Internetportal ebay Deutschland die Versteigerung eines „professionellen Kamerateams“ zum Sofort-kaufen-Preis von Euro 654,50 inkl. 19% Mwst.!!! Das sind also 550 Euro netto! Dafür bekommt man einen Kameramann (Tagesgage lt. Tarifvertrag Ver.di 481 Euro) und einen Kamera/-Tonassistenten (Tarifgage 221 Euro). Toll!

Wenn ich richtig gerechnet habe, sind das zusammen 702 Euro, ohne Lohnnebenkosten. Aber Hallo, das ebay-Schnäppchen geht weiter. In dieser Pauschale sind neben diesen beiden Leuten enthalten: eine Videokamera: 3 Chip, Panasonic HVX 200 inkl. P2 Karte und Festplatte, ein Stativ: Vinten Vision, ein Lichtkoffer mit 3 x 800 Watt Leuchten inkl. Dimmer, ein Tonkoffer mit Mischer SQN 4s, Sennheiser Mikrofon MKH 60, Sennheiser Mikrofon MKH 416 mit Windkorb & Angel + 3 DPA Ansteckmikrofone. Dazu gibt es ein Fahrzeug mit sieben Sitzen inkl. 100 km und ein Mini DV Band für 60 Minuten.
Anfrage an einen äußerst günstigen Geräteverleiher: Was kostet diese o.g. Ausrüstung pro Tag? Die Kamera mit der kleinsten P2-Karte und der Festplatte 240 Euro, Stativ 30 Euro, Lichtkoffer 40 Euro, Tonkoffer mit dieser Bestückung 70 Euro, und das Fahrzeug mindestens 50 Euro. Also zusammen Euro 430. Das heißt also im Klartext, dass diese Firma, und es ist tatsächlich ein Gewerbebetrieb, der sich nach eigener Aussage auf der ebay-Seite als „ein Unternehmen, welches sich auf professionelle Film- & TV Produktionen, Werbe- und Imagefilme, Musikclips sowie Filmnachbearbeitung und Vermietung von EB Teams spezialisiert hat“ als Gage für einen Kameramann und einen Kamera-/Tonassistenten die unglaubliche Summe von Euro 120 pro Tag kalkuliert. Außerdem ist in der Auktion kein Wort über eine Arbeitszeit zu finden. Sind hier Hartz IV-Empfänger oder 1 Euro-Jobber am Start? Dann würde das Unternehmen sogar Gewinn machen. Oder handelt es sich um gnadenlose Ausbeutung von unbeschäftigten Filmschaffenden? Wir haben ja schon vielfach, auch in der Filmbranche, von Lohndumping gehört, doch von solchen Auswüchsen war noch nie die Rede. Kann es sein, dass sich Leute mit solchen Aktionen ins Gespräch bringen wollen, oder wollen sie nur ‚weg von der Straße’. Eine Bitte an alle Auftraggeber: Lasst die Finger von einem solchen ‚unmoralischen Angebot’.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »