Der 63. Jahrgang des Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm DOK ist wegen COVID-19 größtenteils nicht nur über Kinoleinwände, sondern auch über Bildschirme geflimmert. Wie gewohnt waren Wettbewerbe und Programm hochkarätig, ungewöhnlich, politisch. Der ver.di-Preis für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness ging an Hannah Schweier für ihren Film „80.000 Schnitzel“.
„Alles auch online“ – so lautete die Botschaft an die Jurys und das Publikum des DOK Leipzig. 141 Filme wurden in der Festivalwoche in den Kinos gezeigt, aber aufgrund der drastisch verringerten Plätze konnten für den Großteil des Programms gleichzeitig Tickets für die online-Screenings erworben werden. Und alle Filme des DOK-Programms können noch zwei Wochen lang online geschaut werden.
Auch für die fünfköpfige ver.di-Jury bedeutete dies einen Paradigmenwechsel: Kein Erleben der Filme und der Publikumsreaktionen im meist gefüllten großen Kinosaal, unterschiedliche Sichtungsbedingungen für jedes der Jury-Mitglieder. Martin Klindtworth, Fotograf und DOK-erfahren, war dies jederzeit bewusst: „Es ist ein großer Unterschied, ob man einen Film auf großer Leinwand und mit Dolby Surround erlebt, auf einem Tablet oder Computerscreen anschaut. Dennoch: Wichtig war und ist uns immer die Debatte über die unterschiedliche Wahrnehmung von Filmen“, sagt der 50jährige, der in diesem Jahr die Arbeit der ver.di-Jury koordinierte. Er fühle sich „sehr erfahren“ in dem Gremium, das mit einem Durchschnittsalter von 36,6 Jahren das jüngste in der Geschichte des ver.di-Preises ist.
Klindtworth kürte gemeinsam mit der Autorin und Dokumentarfilmerin Nancy Brandt (40), dem angehenden Veranstaltungstechniker Max Krispin (25), dem Kameramann und Oberbeleuchter Lars Petersen (41) und dem 27jährigen Zeitungsvolontär Max Hempel in diesem Jahr den Gewinnerfilm des mit 2.500 Euro dotierten ver.di-Preises für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness. Die Jury hatte sich vorher auf eine Reihenfolge der Sichtung der Wettbewerbsfilme geeinigt, nutzte während der Festivalwoche sowohl Textchats als auch Videokonferenztools, um sich über die Filme auszutauschen und ihre Entscheidung zu fällen.
Sieben sehr unterschiedliche Filme aus dem Deutschen Wettbewerb (Langfilm) standen zur Auswahl. Deren Schauplätze reichten von einem Dorf in der Nähe von Jena oder einem Kaff in der Oberpfalz über den Südosten der Türkei, Äthiopien und Ägypten bis ins Grenzland zwischen Polen und Deutschland. Was sie vereint, sind Intensität, Authentizität und hohe Qualität.
Die ver.di-Jury entschied sich nach ausführlicher Diskussion für Hannah Schweiers Film „80.000 Schnitzel“ (Deutschland 2020). Darin geht es um den Kampf von Hannahs Schwester Monika um den Erhalt des alten Gast- und Bauernhofs „Zollhaus“ – das Lebenswerk ihrer resoluten Oma Berta, deren Schnitzel legendär waren. Die Filmemacherin begleitet ihre Schwester bei diesem kräftezehrenden Unterfangen, das neben baulichen auch jede Menge menschliche Hürden birgt. Dennoch ist das „Zollhaus“ für Monika ein neuer Traum, den es zu leben gilt.
„Offen und schonungslos – auch sich selbst gegenüber – zeigt die Autorin anhand des Scheiterns ehemaliger Lebensentwürfe eine Vielzahl persönlicher und gesellschaftlicher Brüche. Ein intimes Familienporträt über drei Generationen, welches exzellent in Bild, Ton und Dramaturgie umgesetzt wurde. Der Film hat uns sehr bewegt“, so die Begründung der ver.di-Jury, die ihren Preis „mit Freude und Hochachtung“ an die junge deutsche Dokumentarfilmerin vergab.
Der Hauptpreis von DOK Leipzig, die mit 10.000 Euro dotierte Goldene Taube im Internationalen Wettbewerb langer Dokumentar- und Animationsfilm, ging an „Downstream to Kinshasa“ (Kongo/Frankreich/Belgien) von Dieudo Hamadi. Im Zentrum des Films stehen Kriegsversehrte aus dem kongolesischen Kisangani, wo im Jahr 2000 ugandische und ruandische Truppen im sogenannten Sechstagekrieg gegeneinander gekämpft hatten. Mit diesem Preis qualifiziert sich Hamadis Film für die Nominierung der jährlich vergebenen ACADEMY AWARDS® („Oscars“), wenn er die Vorgaben der Academy erfüllt.
DOK Leipzig (26.10.-1.11.2020): Alles auf online
Alle Preisträger des 63. DOK Leipzig: www.dok-leipzig.de
Der ver.di-Preis für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness
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