Vertrauen in Medien hoch wie lange nicht

Das Vertrauen der Deutschen in die Medien ist im Jahr 2016 stark angestiegen. Das lässt sich aus Umfragedaten im Eurobarometer der Europäischen Kommission vom November 2016 ableiten. Die Ergebnisse relativieren mit „Lügenpresse“-Vorwürfen verbundene teilweise heftige Debatten der vergangenen Jahre über das Verhältnis der Bürger zu den Massenmedien.

„Noch nie seit über 15 Jahren war das Vertrauen in die Presse so hoch wie heute“, erklärt Professor Kim Otto von der Universität Würzburg. Gemeinsam mit Andreas Köhler analysiert er regelmäßig das Medienvertrauen in Deutschland und Europa anhand von Sekundärdaten des Eurobarometers. Aktuelles Fazit der Wissenschaftler: Den deutschen Medien sei es gelungen, in sie gesetztes Vertrauen zu stärken und weiter auszubauen.

Die Auswertung ergab im Einzelnen: Im Jahr 2016 vertrauten 55,7 Prozent der Deutschen der Presse, 38,8 Prozent dagegen misstrauen ihr. Damit erreichte die deutsche Presse ihren bislang höchsten Wert seit Befragungsbeginn im Jahr 2000. Gegenüber dem Vorjahr konnte die Presse das in sie gesetzte Vertrauen um zehn Prozent steigern. Auch dem Fernsehen vertrauen die Menschen in Deutschland wieder stärker. 60,5 Prozent der Deutschen geben an, dem Medium zu vertrauen. Das ist eine Steigerung um fast sechs Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Das höchste Medienvertrauen in Deutschland genießt auch im Jahr 2016 das Radio. 67,8 Prozent der Menschen in Deutschland vertrauen ihm – eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um mehr als sieben Prozentpunkte.

In der Analyse des Medienvertrauens 2015 hatten die Experten der Uni Würzburg einen partiellen Rückgang vorrangig auf spezifische Bevölkerungsgruppen zurückgeführt. So war vor allem bei jüngeren Befragten, bei Befragten aus Ostdeutschland und bei Befragten, die sich eher dem rechten politischen Spektrum zuordnen ließen, im Jahr 2015 das Misstrauen gegenüber den Medien gewachsen.

Die Trends scheinen sämtlich gestoppt oder umgekehrt: Das Medienvertrauen wuchs im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr in fast allen Altersgruppen an. Auch in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen konnte die Presse einen Vertrauenszuwachs verzeichnen: um zehn Prozent auf 50 Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen. Am stärksten wuchs das Medienvertrauen jedoch bei den älteren Menschen über 75 Jahre. Hier steigerte sich das Vertrauen in die Presse um 20 Prozentpunkte auf 66 Prozent.

Die Menschen in Ostdeutschland hatte im Jahr 2015 nur zu einem bedenklich geringen Anteil Vertrauen in die Medien und damit auch in das Mediensystem. 2016 wuchs das Medienvertrauen in West- und Ostdeutschland. In Westdeutschland vertrauen 59 Prozent der Menschen der Presse, zehn Prozent mehr als in 2015. In Ostdeutschland vertrauen 42 Prozent der Menschen 2016 der Presse, immerhin neun Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Fernsehen und Radio erreichen mit zehn bzw. neun Prozent sogar stärkere Zuwachsraten als in Westdeutschland. Mit einem vermuteten direkten Zusammenhang zur wirtschaftlichen Lage können die Autoren den Anstieg des Medienvertrauens 2016 hier nicht erklären, denn die Wirtschaftssituation in den neuen Bundesländern „hat sich zwischen 2015 und 2016 nur marginal um einen Prozentpunkt verbessert“.

Überraschend ist selbst für die Analysten, dass das Medienvertrauen besonders bei Menschen an den Rändern des politischen Spektrums in Deutschland zugenommen hat. Besonders stark war der Zuwachs im rechten Spektrum: 51 Prozent der Menschen, die sich selbst auf der rechten Seite des politischen Spektrums eingeordnet haben, vertrauen der Presse. Das sind 18 Prozentpunkte mehr als noch im Vorjahr. Auch Fernsehen und Radio konnten im rechten Teil des politischen Spektrums in hohem Maße Vertrauen zurückgewinnen. Das Vertrauen ins Fernsehen wuchs um zwölf Prozent auf 56 Prozent, ins Radio um 13 Prozent auf 62 Prozent.

Offenbar sei es den Medien zuletzt immer besser gelungen, dem von rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen vertretenen Eindruck entgegen zu treten, ihre Berichterstattung sei politisch gefärbt und von oben gesteuert. „Der öffentliche Diskurs über die Arbeit und Bedeutung der Medien hat deren Relevanz und das in sie gesetzte Vertrauen gesteigert“, erklärt Otto. Zusätzlich hätten die „Diskussionen über Fake-News und die Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei“ sicherlich „auch einen Anteil daran, dass die Menschen in Deutschland Presse und Rundfunk stärker wertschätzen.“

Die Sekundärdaten des Eurobarometers werden halbjährlich über eine Bevölkerungsbefragung in den Mitgliedsländern der EU im Auftrag der Europäischen Kommission erhoben. Für die aktuellen Daten wurden im November 2016 mehr als 1500 Bürger ab 15 Jahren in Deutschland von TNS Infratest mittels computergestützten persönlich-mündlichen Interviews befragt.

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »