„Spuren des Protestes“ heißt die neue Ausstellung in der ver.di MedienGalerie. Der taz-Journalist Pascal Beucker bietet eine visuelle Reise durch vier Jahrzehnte Demonstrationen. Sie zeugen von der Kraft des kollektiven Handelns, von den Forderungen nach Abrüstung und Gewaltlosigkeit über das Eintreten für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen bis hin zum Engagement für eine nachhaltige Zukunft. Dazu gehören der Kampf gegen alte und neue Rechte, der Einsatz der Frauenbewegung und viele Aktionen für die internationale Solidarität.
War ich auch dabei? Diese Frage dränge sich unwillkürlich dem Betrachter auf, sagte die frühere dju-Bundesgeschäftsführerin Ulrike Maercks-Franzen bei der Eröffnung der Ausstellung am 27. Juli in Berlin. Sie sei bei Facebook auf die Serie gestoßen, wo Beucker jeden Tag ein Foto einstellt, insgesamt sollen es 360 werden. Sie habe nicht einmal gewusst, dass der Publizist und Autor auch fotografiere. Für die Ausstellung wurden 70 Bilder ausgewählt. Sie seien eine Hommage an die progressiven Bewegungen, die für eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse kämpften. Ihr verbindendes Element sei die Intensität der Menschen, so Maercks-Franzen.
Orte vieler Bilder sind Düsseldorf und Köln, wo der gebürtige Düsseldorfer, Jahrgang 1966, 1982 seine ersten Fotos machte. Dann habe er selbst viel demonstriert, bevor er 1999 wieder anfing zu fotografieren. „Köln ist unterschätzt als Demo-Stadt“, sagt Beucker. Er berichtet mittlerweile seit einem Vierteljahrhundert für die taz, zunächst als Landeskorrespondent in Nordrhein-Westfalen und seit 2014 im Inlandsressort. Mit der Kamera hielt er große und kleine Demos fest, zeigt die unterschiedlichsten, oft leidenschaftlichen Akteure mit ihren Forderungen. Zu jedem Bild kann er noch mehr Geschichten erzählen und tat dies auch bei der Ausstellungseröffnung.
Wie zu dem Foto von 1982 beim Kampf um ein besetztes Haus in Köln, wo mehrere Fotografen per Leiter auf ein Dach stiegen, um die Szenerie abzubilden. Die Polizei trug die Leiter weg, doch statt des Wasserwerfer-Einsatzes wurde dann doch verhandelt. Oder zu einer Demo zur Solidarität mit iranischen Frauen. „Da wünsche ich mir, dass mehr Deutsche teilnehmen“, kommentierte Beucker. Oder zu den unterschiedlichsten Typen, die vor dem Springer-Hochhaus gegen die Auszeichnung von Amazon-Chef Jeff Bezos protestieren. Oder zur Großdemo in Berlin gegen den Ukraine-Krieg, „wahrscheinlich die letzte, die so viele Menschen vereinen konnte“.
Auf einigen Fotos sind Prominente zu sehen: etwa die Musiker Konstantin Wecker oder Hannes Wader, der eine protestierte in München gegen die Sicherheitskonferenz, der andere in Essen. Und natürlich sind auch Bilder von den Aktivistinnen der Bewegung Fridays for Future zu finden: Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Neubauers Foto wirbt auf den Postkarten und Plakaten für die Ausstellung. Und es gehört zu den drei Lieblingsbildern von Pascal Beucker hier. Daneben ein Foto der Friedensdemo auf der Kölner Domplatte vom 31. August 2013. Bildprägend hier ein älterer Mann mit der Forderung: No alla Guerra. Sein drittes Lieblingsfoto zeigt eine Frau auf einer „Unteilbar“-Demo in Dresden am 25. August 2019. Dem Betrachter sticht ihr buntes Plakat „Uroma gegen Nazis“ ins Auge. Was wiederum ein Stilmittel Beuckers offenbart: er veröffentlicht seine Farbbilder schwarz-weiß und lässt nur selten prägnante Aussagen in Farbe stehen.
Für Maercks-Franzen belegen die Fotos, wie wichtig es ist, sich zu engagieren. Für sie hält Beucker Atmosphäre und Emotionen der Ereignisse fest, im Sinne eines Chronisten gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Der wiederum ärgert sich im Nachhinein, dass er nicht immer die Kamera dabeihatte. Der studierte Politikwissenschaftler versteht seine Aufnahmen als Aufforderung, „die eigene Rolle bei der Gestaltung der Zukunft zu reflektieren und die transformative Kraft des Engagements zu erkunden“. Im Übrigen hat Beucker noch eine zweite Serie in petto: die griechischen Wahlen. Seit 2012 dokumentiert er sie.
Die Ausstellung „Spuren des Protestes“ mit den Fotos von Pascal Beucker ist noch bis zum 27. August in der ver.di MedienGalerie in der Dudenstraße 10, 10965 Berlin zu sehen.