Volontäre als Sparschweine

Südhessische Verlagsgesellschaft ignoriert Ausbildungstarif

Nach einer elend langen Warteschleife als freier Mitarbeiter auch noch ein Volontariat 2. Klasse – manchen erwischt es knüppeldick. Zu den ganz schlechten Adressen der Zunft zählt die Lampertheimer Zeitung in der Nähe von Mannheim.

Was die Südhessische Verlagsgesellschaft ihrem Nachwuchs zumutet, ist meilenweit vom Tarif entfernt. Entsprechend groß ist die Zahl der Absagen, obwohl der Verlag Interessenten viele Hunderte von Kilometern anfahren lässt – und dann noch zu geizig ist, Fahrgeld zu erstatten. Was steht im Arbeitsvertrag? Der neue Volontär soll im ersten Jahr monatlich 1022,58 Euro erhalten, im zweiten Jahr 1278,23 Euro. Das sind mehr als 30 Prozent unter dem Tarif, aber dafür dürfen dann auch 40 Stunden gearbeitet werden und nicht 36,5. Dazu kommt: „Überstunden und Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen sind mit der monatlichen Vergütung abgegolten“. Von Urlaubsgeld und Jahresleistung ist in diesem Vertrag keine Rede.

Ansonsten ist der Vertrag spartanisch gehalten. Der Volontär hat viele Pflichten, die Urheberrechte muss er alle abtreten, und selbstverständlich bedürfen Nebentätigkeiten grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Verlages. Ein Auto muss der angehende Volontär natürlich haben und dieses auch für den Verlag einsetzen. Gibt es Kilometergeld? Großes Rätselraten, der Vertrag lässt das offen. Unkostenersatz als Goodwill-Leistung?

Unverbindliche Zusagen

Gänzlich fehlen Regelungen über Verlauf und Inhalte der Ausbildung. Gibt es externe Schulungen oder regelmäßige Fortbildungen – wer weiß das schon? Vielleicht gibt es mündliche Zusagen, aber die sind höchst unverbindlich. Denn da steht in diesem „Anstellungsvertrag für Redaktionsvolontäre an deutschen Zeitungen“ unter € 12 zu Vertragsänderungen: „Änderungen des Vertrages und Nebenabreden bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Dieses Formerfordernis kann nicht durch mündliche Vereinbarungen außer Kraft gesetzt werden.“ Will sagen: Mündlich wird so einiges zugesichert, da kann einem auch ein bisschen Honig um den Bart geschmiert werden, aber letztlich entscheidet die Gnade des Verlegers über die Einhaltung von Zusagen. Schöne neue Zeitungswelt.

Fazit: Um diesen „Ausbildungs“platz sollte jeder selbstbewusste Journalist einen großen Bogen machen.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Das Schicksal von Toshiko Sasaki

Als am 31. August 1946 das us-amerikanische Magazin „The New Yorker“ an den Zeitungskiosken auslag, verriet das Titelblatt in keinster Weise, welche Geschichte im Heftinneren auf den Leser wartete. Die Vorderseite des Einbands stammte wie so oft von dem New Yorker Künstler Charles E. Martin und zeigte eine friedliche Parklandschaft, in der Menschen spielen, tanzen oder spazierengehen. Drinnen aber entfaltete sich in einer Reportage mit dem Titel „Hiroshima“das  Grauen, das dem Abwurf der ersten Atombombe am 6. August 1945 über Japan folgte.
mehr »

Rechte Gratiszeitungen machen Meinung

In Ostdeutschland verbreiten kostenlose Anzeigenblätter zunehmend rechte Narrative – etwa der Hauke-Verlag in Brandenburg. Unter dem Deckmantel von Lokaljournalismus mischen sich Werbung, Verschwörungserzählungen und AfD-Propaganda. Möglich wird das auch wegen der Krise des Lokaljournalismus: Wo es kaum noch Medienvielfalt gibt, füllen rechte Angebote die Lücken.
mehr »

Jüdische Journalisten: Mehr Sachkenntnis nötig

Der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten (JJJ), der sich Ende vergangenen Jahres gegründet hat, vermisst eine sachliche und unabhängige Berichterstattung im Hinblick auf den Krieg im Nahen Osten. Vorstandsmitglied Lorenz Beckhardt erklärt, wie hier inzwischen der Kampf um Deutungshoheit den journalistischen Auftrag in den Hintergrund drängt und warum das ein Problem darstellt.
mehr »

„Von Wertschätzung meilenweit entfernt“

Der Juli ist Urlaubszeit, aber auch Verhandlungszeit. Nach zehn zähen Verhandlungsrunden mit den Zeitungsverlegern und mehrfachen Warnstreiks, hat die dju in ver.di endlich einen Abschluss für Tausende von Journalisten in ganz Deutschland erreichen können. Einer der beim Tarifvertrag mitverhandelte, ist Peter Freitag, Co-Vorsitzender der dju in ver.di und Redakteur für Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau.
mehr »