Wenig Optimismus für neue Opposition

Braunschweig: Sebastian Wertmüller, ver.di-Geschäftsführer Bezirk Region Süd-Ost Niedersachsen; Dometscherin Arzu Antug; Mustafa Kuleli, TGS-Generalsekretär und Orhan Sat, ver.di-Bezirkssekretär Braunschweig Foto: Susanne Hübner

Veranstaltungsreihe „Journalismus ist kein Verbrechen“ – 3. Station: Braunschweig

In Braunschweig verweist Mustafa Kuleli, Geschäftsführer der türkischen Gewerkschaft TGS, auf die Spaltung der türkischen Gesellschaft in zwei Lager für und wider Erdogan. Neben den Journalist_innen und den wenigen unabhängigen Medien, leide vor allem das Bildungssystem. Sehr viele Lehrer und Dozenten seien entlassen worden, ebenso wie Richter und Beamte im öffentlichen Dienst.

Mustafa Kuleli, Generalsekretär der türkischen Journalistengewerkschaft TGS
Foto: Susanne Hübner

Leider gebe es nach den Entlassungswellen auch aus der Wirtschaft keine erkennbare Distanzierung von Erdogan, sagte Kuleli auf Nachfrage. Es habe wenig Optimismus, dass nach dem Referendum eine neue Oppositionsbewegung aufkomme. Zudem gebe es Hinweise auf die Bewaffnung von AKP-Anhängern, was auch bei ihm die Befürchtung verstärke, dass es zu einem Bürgerkrieg kommen könne.

Mustafa Kuleli, Generalsekretär der türkischen Journalistengewerkschaft TGS wird von Sebastian Wertmüller, Geschäftsführer ver.di Bezirk Region Süd-Ost Niedersachsen in Braunschweig begrüßt
Foto: Susanne Hübner

Die TGS (Türkiye Gazeteciler Sendikasi), habe mehr als 1000 eher linksorientierte Mitglieder. Sie versuche vor allem die Inhaftierten Kolleg_Innen zu unterstützen zum Beispiel durch Rechtsschutz. Das werde unter anderem durch sehr eingeschränkte Besuchsrechte und andere fehlende Kontaktmöglichkeiten erschwert. Manchmal seien im Gerichtsgebäude mehr Journalist_innen als in so mancher Redaktion – als Angeklagte oder als Berichterstatter. Die Arbeitsbedingungen für einen unabhängigen Journalismus beschreibt Kuleli als extrem schwierig. Wer gut recherchiere müsse sofort mit einem Verfahren rechnen.

Kuleli wiederholte seine Kritik an der Bundesregierung. So zeige sie zu wenig Engagement im Fall Deniz Yücel. Sie sei gefangen im Spannungsfeld ökonomischer Interessen und dem Flüchtlingsdeal. Es gebe nur Pressestatements und keine wirklichen Maßnahmen, ergänzte Orhan Sat, ver.di-Bezirkssekretär in Braunschweig.

Mustafa bekannte sich zu Europa und sah den Weg der Türkei dorthin in dieser ganzen Gemengelage in weiteren Gesprächen und der Fortführung der Beitrittsverhandlungen. Er verwies dabei auf Demokratisierungserfahrungen in Osteuropa in Folge von EU-Beitrittsverhandlungen. Kuleli hoffe, dass sich immer mehr Menschen in die türkischen Demokratiedefizite einmischen, dass es mehr Offene Briefe von Prominenten gebe und auch, dass die Prozessbeobachtung durch deutsche Delegationen in der Türkei fortgesetzt werde. ver.di-Sekretär Orhan Sat versicherte, für die weitere Unterstützung in Kontakt zu bleiben.


Journalismus ist kein Verbrechen

 

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