Beim Bayerischen Fernsehen schneiden Redakteure Bildmaterial für Nachrichtensendungen
Nicht nur im Hörfunk ist die Digitalisierung auf dem Vormarsch. Beim Bayerischen Fernsehen hat die neue Technik jetzt die Nachrichtenredaktion erreicht. Dort wird Bildmaterial, das von anderen ARD-Sendern oder von ausländischen Stationen per Überspielung kommt, auf einer neuen Schnitteinrichtung für die BR-Nachrichtensendung Rundschau aufbereitet. Das besondere: Die Anla-ge wird nicht von Cutterin-nen, sondern von den journalistischen Mitarbeitern bedient.
Mehrere Male am Tag öffnet sich beim Bayerischen Fernsehen ein „Fenster zur Welt“: Wenn die Zentrale der Europäischen Rundfunkunion (EBU) in Genf die neuesten Bildnachrichten aus aller Welt anbietet. Die Bilder werden zu festgelegten Zeiten per Leitung überspielt und können von den interessierten Sendern aufgezeichnet werden. Es handelt sich dabei in der Regel um schon vorgeschnittenes Material, das zusammen mit dem Originalton, aber ohne Kommentar übermittelt wird. Beim BR-Fernsehen entstehen aus dem internationalen Angebot Nachrichtenfilme für die Rundschau-Sendungen. Dazu muß das Material noch einmal geschnitten, d.h. auf 20 bis 40 Sekunden verkürzt und mit einem Kommentar versehen werden. Zuständig dafür ist Euronews, eine „Unterabteilung“ der Rundschau-Redaktion.
Bislang wurde das Nachrichtenmaterial in der Magnetaufzeichnung (MAZ) auf Videoband aufgenommen und in einem Schneideraum bearbeitet. Danach kam der fertige Beitrag in den Sendekomplex.
Seit einigen Monaten steht bei Euronews eine Computeranlage, die den Ablauf um ein gutes Stück vereinfacht. Mit der Anlage kann Bildmaterial sowohl aufgezeichnet als auch geschnitten werden. Der Computer ermöglicht es, „elektronische Marken“ für den Schnitt zu setzen, schon während ein Filmbeitrag aufläuft. Anschließend können die überspielten Bildfolgen per Mausklick in einzelne Einstellungen zerlegt und neu zusammengestellt werden. Die Anfangsbilder der verschiedenen Einstellungen lassen sich im Kleinformat auf der Benutzeroberfläche des Computerprogramms „ablegen“, das erleichtert beim Schneiden den Überblick. Die neu zusammengeschnittenen Beiträge werden in einem Speicher abgelegt. Von dort könnten sie – wäre das entsprechende System schon installiert – direkt in die Sendung eingespeist werden. Einstweilen müssen die auf der Digitalanlage hergestellten „Nachrichtenclips“ noch auf eine Videokassette kopiert und diese in die Senderegie gebracht werden. Trotzdem bringt die neue Anlage einen Zeitgewinn: die Wege zur MAZ und zum Schneideraum entfallen.
Die rund 10 Mitarbeiter von Euronews wurden einen Tag lang in der Bedienung der neuen Schnitteinrichtung geschult. Das reichte aber bei weitem nicht, um mit der Anlage auch wirklich umgehen zu können. Das notwendige Know-how mußte sich durch Übung in der Praxis ergeben. Am Anfang fühlte sich mancher Mitarbeiter ziemlich überfordert, mittlerweile ist man an die Arbeit mit der Digitalanlage gewöhnt. Gelegentlich allerdings stellt sich noch das Empfinden ein, einen „Drahtseilakt ohne Netz“ zu vollführen (so ein Mitarbeiter). Nämlich dann, wenn der Computer aus unerklärlichen Gründen einen Befehl nicht annimmt oder wenn gar das ganze Programm abstürzt – was bereits mehrere Male vorkam.
Mit dem neuen Schnittgerät ist auf die Journalisten bei Euronews zusätzliche Arbeit zugekommen, die bisher von Cutterinnen gemacht wurde. So ergibt sich die „Integration eines Berufsbildes in ein anderes“, wie es einer der Redakteure vornehm ausdrückt. Der Nachteil für die Journalisten dabei: Auf die Hilfestellung und die Fachkompetenz der Cutterinnen müssen sie beim Selberschneiden verzichten, Qualitätskontrolle in Sachen Schnitt findet nicht mehr statt.
Wie weit sind Journalisten überhaupt in der Lage, die Aufgaben von Cutterinnen zu übernehmen, ohne daß die Qualität des Produkts darunter leidet? Euronews-Chef Hans-Jürgen Komder meint, daß man hier keine feste Grenze ziehen kann. Er findet das neue System vor allem für den schnellen Nachrichtenbetrieb besonders geeignet. Und Schnelligkeit, so Komder, sei in diesem Geschäft ja besonders wichtig. Wenn auch Reporter in Zukunft ihre eigenen Beiträge selber schneiden sollen, bräuchten sie seiner Ansicht nach erst die entsprechende Ausbildung.Auf jeden Fall steckt in dem neuen Schnittsystem ein gehöriges Rationalisierungspotential, sollte es in Fernsehredaktionen breite Anwendung finden. Der Personalrat des Bayerischen Rundfunks beobachtet deshalb die Entwicklung mit kritischer Aufmerksamkeit. Denn wenn die Bearbeitung von Bildmaterial durch Journalisten zur Regel wird, dann sind Arbeitsplätze in der Technik gefährdet.