Wie überleben als Fotojournalist?

Gratisangebote von Agenturen im Internet verursachen Honorareinbußen

Der Bildermarkt ist heiß umkämpft, die Preisspirale für Fotos vor allem in der Presse bewegt sich abwärts. Immer weniger Fotojournalisten können von ihrer traditionellen Medienarbeit leben. Aber gute Fotos werden gebraucht, auch im Netz.

Foto: Christian v. Polentz / transitfoto.de
Foto: Christian v. Polentz /
transitfoto.de

Als Max Weber seine Januarabrechnung von Imago bekam, ahnte er nichts Gutes. Auf Seite eins teilt die Agentur ihren Fotografinnen und Fotografen mit: „Im Zuge verschiedener Vertragsverhandlungen mit einigen Großverlagen laufen momentan einige Bedarfsermittlungsanalysen, die das zukünftige Abnahmevolumen von Imago-Bildern bei diesen Kunden ermitteln sollen. Im Anschluss an diese Analysezeiträume werden reale Neupreise verhandelt.“ Max Weber, der seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, muss seitdem mit erheblichen Honorareinbußen leben. „Bei in der Bild-Zeitung oder BZ veröffentlichten Fotos werden nun beispielsweise nur noch zehn Euro ausgeschüttet. Davon bleiben lediglich fünf Euro für den Fotografen übrig. Ein selbst veröffentlichtes Foto in der Bild oder BZ brächte 60 Euro. Das Zwölffache! 50 Prozent davon, wie bei Imago üblich, wären immerhin 30 Euro gewesen“, rechnet der Berliner Sportfotograf vor. Ähnliche Erfahrungen hat Weber mit Bildern in der Berliner Zeitung, in der Süddeutschen Zeitung, im Neuen Deutschland und im Kicker gemacht.
Imago-Geschäftsführer Thomas Leistner sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Beim Thema Honorardumping stellt er sich selbst als Getriebener dar. „Wir arbeiten mit über 1.000 freien Fotografinnen und Fotografen zusammen und können ihre Situation gut verstehen. Doch wir sind seit Jahren durch unsere Kunden einem extremen Preisdruck ausgesetzt. Als größte deutsche inhabergeführte Agentur sind die ganz Großen der Branche wie Getty, dpa, AFP und Reuters unsere direkten Wettbewerber“, argumentiert Leistner. Wie hart es bei den Verhandlungen zugehe, habe sich beim Springer-Verlag gezeigt, wo man trotz Honorarabsenkung qua Bedarfsermittlungsanalyse den Auftrag an dpa verloren habe.

Billig und kein Ende

Branchenführer Getty ist jetzt noch einen Schritt weiter gegangen und bietet Millionen Bilder gratis an. Darunter auch aktuelle Aufnahmen aus der internationalen Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Die Fotos sind allerdings nur gering aufgelöst und dürfen nicht kommerziell verwendet werden. Das Angebot richtet sich vor allem an Blogger, die die Bilder auf ihren Internetseiten „einbetten“ können. Das heißt, Getty behält den Zugriff und kann die Fotos von den Websites jederzeit löschen oder mit Werbung verlinken. Während die Süddeutsche Zeitung noch darüber spekuliert, was Getty mit seinem Gratisangebot wohl bezwecken könnte, steht auf jeden Fall fest: Die Umsonst-Mentalität und der Preisverfall im Bildermarkt schreiten unaufhaltsam voran.
Das heißt, immer weniger Fotografen, vor allem Bildjournalisten werden von ihrem Job leben können. Rolf Nobel, Professor für Fotografie an der Fachhochschule Hannover warnt schon seit Jahren: „Tatsächlich entspricht die Zahl der in Deutschland ausgebildeten Fotografinnen und Fotografen nicht dem Bedarf des Marktes. Der Kuchen wird in immer mehr Stücke aufgeteilt und für viele Kolleginnen und Kollegen fällt nicht mehr genug ab.“ Wie soll man da mit Fotos überleben?
„Man muss ein Gespür für Themen entwickeln“, findet Jan-Timo Schaube aus Hamburg. Abriss der Esso-Häuser, Anlauf der Aida Sol im Hafen und buntes Holi-Festival – wen könnte was interessieren, fragt sich der 28-jährige Fotojournalist. Nicht selten bis zu 100 Fotos verschickt er täglich direkt an die Redaktionen oder an kleinere Agenturen, mit denen er zusammenarbeitet. Es sei zwar nicht einfach, aber er könne von seiner Arbeit leben, so Schaube. „Ich habe mich auf das Thema erneuerbare Energien spezialisiert“, sagt der Berliner Fotograf Paul Langrock. Der Mitbegründer der Agentur Zenit ist damit gut im Geschäft. Kaum eine abgebildete Windkraftanlage im deutschen Medienwald, die nicht seinen Urhebervermerk trägt. Der Hamburger Fotograf Michael Kottmeier hat die bewegten Bilder für sich entdeckt. Nicht aus Not greift er immer öfter zur Filmkamera, sondern „weil ich mit dem Medium viele meiner Projektideen besser umsetzen kann.“ Seine Themenschwerpunkte: Soziales, Umwelt und Entwicklungsländer. Zu seinen Abnehmern und zunehmend auch Auftraggebern zählen Caritas, Welthungerhilfe und Ärzte ohne Grenzen.
Unabhängig davon, wie viele freie Fotojournalisten in Zukunft noch vom Verkauf ihrer Bilder werden leben können, das Interesse an guten Fotos wird mit Sicherheit erhalten bleiben. Zwar ist nicht jeder ein Gerd Ludwig, der es sich leisten kann, sein halbes fotografisches Leben der Atomkatastrophe von Tschernobyl zu widmen. Und nur wenige sind so frei wie Ute und Werner Mahler, die Mitbegründer der Agentur Ostkreuz, die jeweils mehrere Jahre an einem Thema arbeiten.
Fest steht: Idealisten und Enthusiasten müssen in Zukunft verstärkt neue Wege suchen, sich zu verwirklichen. Aber warum sollten sie da nicht fündig werden? Dass mit Crowdfunding nicht-kommerzielle Projekte erfolgreich finanziert werden, konnte sich bis vor wenigen Jahren auch noch niemand vorstellen.

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