Wiesbadener Fototage in  „Unruhigen Zeiten“

Noodles Foto: Seb Agnew

„Wir leben in unruhigen Zeiten. Doch was ist Unruhe eigentlich“, fragt das all drei Jahre in Wiesbaden stattfindende Festival. 37 internationale Künstlerinnen und Künstler präsentieren in diesem August an sechs Schauplätzen ihre Arbeiten. Die 12. Wiesbadener Fototage werden von verschiedenen Veranstaltungen wie Künstlergesprächen, Vorträgen und Führungen flankiert – zudem werden zwei Förderpreise vergeben. Der Ausstellungsparcours aktueller Fotokunst wirft einige Fragen auf. M sprach darüber mit dem Festivalleiter Jürgen Strasser.

M | Herr Strasser, Sie und Ihr Team haben über 500 Einsendungen aus aller Welt zum Festivalthema „Unruhige Zeiten“ erhalten. Reportage, Dokumentarfotografie, konzeptionelle Fotokunst. Zum Teil auch sehr bekannte, preisgekrönte Positionen. Haben Sie mit so viel Zuspruch gerechnet?

Jürgen Strasser | Als wir uns für dieses Thema entschieden haben, auch für die diesjährigen Fototage einen Wettbewerb auszuschreiben, sind wir optimistisch von circa 200 Einsendungen ausgegangen. Daher hat uns der große Zuspruch in der Tat überrascht, ja nahezu überwältigt. Wir erhielten Einsendungen aus allen Regionen Deutschlands und aus über 30 Ländern in Europa und aus Übersee. Überrascht waren wir auch über die durchweg hohe Qualität der Einsendungen. Das ist ja im Vorfeld eine Black Box. Was kommt rein? Wird das Thema vielfältig genug umgesetzt?

Sie stellten inhaltlich die Frage nach dem Wesen der Unruhe. Ein Thema aus pandemischen Zeiten, einer Zeit der Reflexion, des Umdenkens, des Umbruchs, der Neubetrachtung und auch eines Neustarts. Wie haben die Künstlerinnen und Künstler auf das Thema reagiert?

Wir haben das diesjährige Festivalthema in schöner Tradition der Wiesbadener Fototage offengehalten. Man hat es politisch interpretiert, persönlich und poetisch, aktuell oder zeitlos. Diese Bandbreite spiegelte sich in den Einreichungen, darunter viele, die sich mit dem Thema der Pandemie auseinandergesetzt haben. Auch das Thema Klima bzw. der Klimawandel in seinen vielen Facetten spielte eine wichtige Rolle. Interessanterweise gab es lediglich eine Arbeit zur aktuellen Situation in der Ukraine. Wahrscheinlich lag es am relativ frühen Einsendeschluss. Wichtig war der Jury bei der Auswahl, dass die Bandbreite der Einsendungen widergespiegelt wird. Wir sind deshalb überzeugt, eine qualitativ hochwertige und interessante Auswahl für die Ausstellungen getroffen zu haben.

Welche Arbeit hat sie persönlich am meisten fasziniert?

Diese Frage möchte ich heute noch nicht beantworten, weil ich damit den Namen des Preisträgers des Jury-Preises der Fototage verraten würde. Aber was ich sagen kann: Der Besuch der Wiesbadener Fototage lohnt sich!

Ein Mann verteidigt mit einem Schlauch ein Grundstück gegen das bereits in Flammen stehende Nachbarhaus in Lake Conjola/Australien. (31.12.2019) Foto: Matthew Abbott

Thema Pressefotografie und Fotojournalismus: Was hat das Festival in diesem Bereich zu bieten?

Die Wiesbadener Fototage verstehen sich als Festival für künstlerische und dokumentarische Fotografie. Und der Übergang von der Dokumentarfotografie zum Fotojournalismus ist ja bekanntermaßen fließend.  Anders ausgedrückt: Mit den vielfach ausgezeichneten Arbeiten von Matthew Abbott, Gabriele Galimberti, Natalia Kepesz oder auch Simone Tramonte haben wir hochkarätige Pressefotografie dabei.

Die Wiesbadener Fototage „Unruhige Zeiten“ vom 13. bis 28. August. Veranstaltungsorte: Aktives Museum Spiegelgasse, frauen museum wiesbaden, Kunsthaus Wiesbaden, Kunstverein Bellevue-Saal, Rubrecht Contemporary und das sam – Stadtmuseum am Markt. Die Fototage finden alle drei Jahre, als Triennale im Wechsel mit den Darmstädter Fototagen und RAY Fotografieprojekte/Frankfurt RheinMain statt. 

Webseite www.wifo2022.de
Facebook @fototagewiesbaden
Instagram #wifo2022

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