Zeit für das Notwendige

Das Wehklagen gehört zu uns Journalistinnen und Journalisten wie der Redaktionsschluss zur Zeitung. Berechtigt ist die Kritik an den realen Einschränkungen, die wir in Verlagen, Redaktionen und Sendern vorfinden. Aber sind es allein Sparzwänge und „strukturelle Ursachen“, die uns daran hindern, zu recherchieren, journalistisch professionell zu arbeiten? Neben dem Kampf um Freiräume bedarf es auch einer Rückbesinnung auf die Tugenden und Essentials unseres Berufsstandes.

Fragt man Journalistinnen und Journalisten nach dem Zustand ihrer Profession kommen doch sehr unterschiedliche Antworten: „Die Sachverhalte werden immer komplexer, der Platz dafür immer weniger.“ – „Die Angst um den Arbeitsplatz ermutigt nicht zur Mutprobe.“ – „Die Jagd auf Quote und Auflage wird immer härter, aggressiver, vulgärer und idiotischer.“ – „Das gesamte Kommunikationsgewerbe befindet sich in einer von scharfem Wettbewerb gezeichneten Übergangsphase.“ – „Zeitungen sind sterbenslangweilig; die geben nix her und schreiben über Politiker, die nix hergeben.“ – „Journalisten müssen so etwas wie Gegenelite sein.“ – „Wir verraten unseren Beruf, wenn wir zuwenig gegen recherchieren.“
Der uralte und ironisch gemeinte Redaktionsspruch, eine Geschichte lasse sich auch totrecherchieren, ist reziproke Realität geworden. Nicht, weil Journalistinnen und Journalisten fauler geworden sind, sondern „weil wir zum recherchieren kaum noch Zeit haben“, wie aus vielen Verlags- und Funkhäusern zu hören ist. So werde nicht mehr das Notwendige, sondern nur noch das Nötigste recherchiert. Und die Freien stöhnen, die aufwendige Recherche werde gar nicht mehr bezahlt. Das legt den Schluss nahe, dass der Journalismus sowohl ein Zeit- wie auch ein Kostenproblem hat.
Bereits 2002 stellte Martin Löffelholz auf dem dju-Journalistentag fest, schon lange stünde in vielen Redaktionen die personelle und finanzielle Infrastruktur nicht mehr im ausreichenden Maße zur Verfügung. „Der aktuelle ökonomische Schlingerkurs – nicht nur, aber vor allem bei Printmedien und privatkommerziellen Rundfunksendern – verstärkt die problematischen Konsequenzen einer generellen Kommerzialisierung publizistischer Arbeit, die das deutsche Mediensystem seit Jahren mindestens genauso stark prägt wie die Technisierungsprozesse.“ Journalistisches Handeln werde mehr von ökonomischen Kalkülen als von publizistischen Zielen geprägt, so der Medienwissenschaftler von der Technischen Universität Illmenau.

Zu wenig Geld für Qualität

Betrachten wir die Entwicklungen deutscher Medienhäuser und Konzerne in den letzten Jahren hat sich dieser Trend weiter verstärkt. Die Redaktionen schrumpfen und die Honoraretats werden nicht aufgestockt. Jüngstes Beispiel: David Montgomery mit seiner Mecom-Gruppe. Der Finanzier träumt von Renditen bis zu 30 Prozent beim Berliner Verlag. Entgegen anders lautender Beteuerungen wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass er in der Berliner Zeitung künftig mit 90 anstatt 120 Redakteuren auszukommen gedenke. Bei der Zeitschrift Tip werden 25 Prozent der Arbeitsplätze gestrichen (M Seite 19).
Mit „rumänischen Tarifen“ seien hiesige Standards in den Zeitungsredaktionen nicht zu halten, findet der Geschäftsführer der Südwest-Presse Ulm, Thomas Brackvogel. Es falle zunehmend schwer, qualifizierte junge Kolleginnen und Kollegen an Tageszeitungsredaktionen zu binden. Die Verlage müssten bereit sein, für guten Nachwuchs Geld auszugeben. In Folge der Medienkrise seien viele journalistische Arbeitsplätze abgebaut worden, stellt auch der Medienjournalist Volker Lilienthal fest. „Jetzt fehlt in den Redaktionen diese Kompetenz, das ist ein Problem.“ In der Tat! Während es an verbalen Qualitätsbeteuerungen auch von Seiten der Verleger nicht mangelt, sieht die Unternehmensrealität anders aus. Es scheint wenig Bereitschaft vorhanden für Qualitätsjournalismus auch künftig ausreichend Geld ausgeben zu wollen. So sind Outsourcing und Leiharbeit in Printmedien und im Rundfunk längst beliebte Methode zur Tarifflucht. Gewerkschaften listen inzwischen an die 20 Printbetriebe wie die Nordwest Zeitung auf, die ihre Produkte mit Hilfe von redaktionellen Leiharbeitern herstellen. (M 1–2/2008) Jüngstes Beispiel die Frankfurter Rundschau, die mit der Zerschlagung des Druck- und Verlagshauses über die Beschäftigung einer Tochter künftig Tarife auch für Redakteure um bis zu 30 Prozent senken will (M Seite 19).
Jürgen Leinemann, einer der profiliertesten Köpfe unserer Zunft, sagt im Rückblick auf 35 Berufsjahre als Redakteur, Reporter und Büroleiter, die Medienlandschaft sei inzwischen eine völlig andere. „Sie ist bunt geworden, vielfältig, voller Trallala und Albernheiten, der Werbung nahe und dem Showgeschäft und immer auf Rendite bedacht.“ Wenn er heute Publizistikstudenten frage, wie sie sich ihre Zukunft vorstellten, höre er „Irgendwas mit Medien“, und das reiche dann vom Sportmoderator bis zum Pressesprecher von Attac oder der Dresdner Bank, vom Filmemacher bis zum Werbetexter. „Und viele schwärmen von Medienjobs im Internet, von denen ich noch nie gehört habe.“
Hat das etwas mit Beliebigkeit zu tun? Das einst „idealisierte Prinzip Öffentlichkeit – seit der Aufklärung gedacht als eine Art übergreifende Gesamtvernunft“ sei obsolet geworden, beobachtet Leinemann. Längst habe es seine diskursfördernde und sinnstiftende Funktion für Staat und Gesellschaft verloren und sich in eine neue Unverbindlichkeit unterschiedlicher Teil-Öffentlichkeiten aufgelöst. „Die Neigung, auch Politik vor allem nach ihrem Unterhaltungswert zu beurteilen, wächst auch in seriösen Redaktionen.“ In der Familie der Medienberufe seien die guten alten klassischen Journalisten, für öffentliche Angelegenheiten engagierten Kolleginnen und Kollegen, die melden, erklären, recherchieren und kommentieren, ob auf Papier, im Radio, im Fernsehen oder online, eine Minderheit.
Aus Journalistenschulen berichten Lehrkräfte, Berufsanfängern mangele es oft an eigener Haltung – „soll ich eher konservativ oder progressiv schreiben?“ – und am Durchhaltevermögen „sich in eine Geschichte zu verbeißen“. Volontäre müsse er oft zwingen, sich „sechs Stunden auf die harte Pressebank des Bundestages zu setzen“, so Richard Meng, ehemaliger Berliner Büroleiter der Frankfurter Rundschau und jetzt Senatspressesprecher. „Im richtigen Leben kann man das Unangenehme nicht wegzappen – sechs Stunden langweilige Debatte, da muss jeder mal durch und dann auch noch einen erstklassigen Artikel darüber schreiben.“

Hängematte im Kopf

Auch das Netzwerk Recherche moniert, dass deutsche Journalisten nur „bedingt ermittlungsbereit“ seien. „Investigative Recherche wird von allen Beteiligten als extrem kostenaufwendig beschrieben“, heißt es in einer Erklärung. Was ist nur der Grund, warum seit einigen Jahren der Recherche oder dem Journalismus ein „investigative/r“ vorgeschoben wird? Schauen wir in den Duden: „in|ves|ti|ga|tiv: nach-, ausforschend; enthüllend, aufdeckend“ steht da! Gehört das nicht zu den Grundwerkzeugen unseres Berufes?
Nachforschen fängt eigentlich schon beim redigieren einer Agenturmeldung an – Agenturprivileg hin oder her. Trotz anderslautender Rechtssprechung sollten wir am Grundsatz der Verbreiterhaftung festhalten. Die besagt, dass ein Medium auch für die Wiedergabe eines „fremden Presseberichtes“ genau so haftet, als hätte es die Meldung selbst recherchiert. Dagegen urteilte das Berliner Kammergericht im Juni 2007, die Kunden von Nachrichtenagenturen dürften im Grundsatz auf deren Meldungen vertrauen (AZ10 U 247 /06 ). Mit solcher Rechtsprechung im Rücken läßt es sich auf der Hängematte im Kopf gut ruhen. Auch beim Niederschreiben eines Statements sollten wir die Fakten checken, die uns beispielsweise die Gesundheitsministerin in den Block diktiert hat. Politische Berichterstattung ist eben weit mehr, als nur die Wiedergabe von Politikerworten.

Beim Forum Lokaljournalismus bemängelte der Chefredakteur des Hanauer Anzeigers, Dieter Schreier, indem viele Redaktionen Politikberichterstattung in Infotainment verpackt hätten, sei die eigentliche Nachricht auf der Strecke geblieben. Gerade Lokalpolitik sei eines der wichtigsten Berichterstatterthemen und dabei gelte, den Mut zu haben, sich gegen den Mainstream zu stellen. Minderheitenpositionen würden von der Leserschaft honoriert.
Derzeit fließt viel Geld in technische Neuerungen. Newsroom und Newsdesk heißen die zukünftigen Herzstücke der Redaktionen aller Mediengattungen. Online-Redaktionen werden ausgebaut – mitunter auch begleitet durch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Crossmediales Arbeiten ist angesagt. Das bedeutet mitunter die Auflösung bisheriger Strukturen und die Zerlegung von Ressorts. Der Beruf unterliegt einem gravierenden Wandel (Siehe M 12/2008). Bleibt die Recherche und auch die Kompetenz einzelner Reporter damit auf der Strecke?
Erste Erfahrungen zeigen, dass das nicht so sein muss. So sieht Volker Quack, Leiter des Newsdesk bei der Main-Post in Würzburg, mehr Flexibilität in der Arbeit durch die entstandene größere redaktionelle Einheit. Crossmediales Arbeiten werde vereinfacht, wenn alle Informationen an einer Stelle zusammenlaufen. „Und ich kann auch als kleine Zeitung einmal drei Leute an ein Thema setzen“ mit unterschiedlichen Kompetenzen etwa aus der Wirtschaft oder der Region. „Wir haben Recherche- und Reporterteams nach Bedarf gebildet“ und gleichzeitig durch rotierendes Arbeiten beim Blattmachen am Newsdesk, allen die es wollen, Zeit für eigenes konzentriertes Schreiben ermöglicht. „Ich halte einen Newsdesk von vornherein für gescheitert, wenn er angelegt ist, um Kosten zu sparen.“ Wenn das auch langfristig Kosten ein Effekt sein kann, so Quack auf dem 21. Journalistentag von ver.di im vergangenen November. Auch im Saarländischen Rundfunk (SR) lautete der Auftrag des Intendanten für einen Newsroom nicht, ein Sparmodell zu entwickeln. Ein Aspekt bei der Umstrukturierung sei die Erkenntnis gewesen, dass sich durch die „Art der Berichterstattung, so wie sich Journalismus in den letzten Jahren verändert hat, immer weniger Zeit für intensive Recherche war“, erklärte Franz Jansen, Leiter des SR-Newsrooms auf dem Journalistentag. Mit Hilfe eines Systems Open Media wurde für den Newsroom, in dem alle Sender zusammengefasst sind, eine Zentrale Anlaufstelle geschaffen, in die alle Informationen und Rechercheergebnisse einfließen. Jeder hat darauf Zugriff. Doppelrecherchen in der aktuellen Arbeit werden vermieden und es kann aufgrund der Basisinformationen individuell für den eigenen Beitrag bzw. speziell für Radio, TV oder Online weiter am Thema gearbeitet werden (Dokumentation 21. Journalistentag, Bezug über die Medien-Landesfachbereiche oder die Bundesgeschäftsstelle, http://dju.verdi.de).
Trotz dieser technischen Notwendigkeiten, die ohnehin in den verschiedenen Redaktionen mehr oder weniger erfolgreich von statten gehen, müssen die Essentials unseres Berufsstandes aufrecht erhalten werden. Dazu gehören akribische Quellenrecherche mit der dazu benötigten Zeit und methodische Vielfalt. „Redlicher Journalismus ist auch eine Charakterfrage“, sagt Leinemann. Wer sich den aufrechten Gang erhalten wolle, der brauche ein reflektiertes Verhältnis zu sich selbst und seinem Beruf und einen verantwortlichen, bewußten Umgang mit der eigenen Subjektivität. „Sich dem Leben zu öffnen und Erfahrungen zu sammeln, wird nicht auf Universitäten und Journalistenschulen gelehrt, es wird aber auch nicht offiziell behindert.“ Ein flammenderes Plädoyer für unseren Berufsstand gibt es nicht.

Wissen und Wirklichkeitssinn

Sachkenntnis, Wissen um Zusammenhänge und eine verlässliche Personen- und Institutionen-Kompetenz sind unverzichtbare Voraussetzung für eine gut recherchierte Geschichte. Um sie jedoch erzählerisch „rund“ zu bekommen, sie richtig zu gewichten und in den Lebens- und Verständniskontext der Leser oder Zuschauer einzuklinken, sollte laut Leinemann zur Urteilskraft noch eine ganz spezielle Fähigkeit hinzukommen. „Wirklichkeitssinn“ nenne der britische Philosoph Isaiah Berlin diese Fähigkeit und neben guten Reportern schreibe er die auch erfolgreichen Staatsmännern, Dompteuren, Dirigenten, Dichtern und Müttern zu. Leinemann: „Sie hat eher mit Verstehen zu tun als mit Wissen, und sie ist durch nichts zu ersetzen. Journalisten ermöglicht sie, bewußt oder halbbewußt die Grundmuster menschlicher oder historischer Situationen aufzunehmen und Fakten als Symptome vergangener und zukünftiger Möglichkeiten zu sehen.“

Deutlich wird eine solche „unrunde“ Berichterstattung bei der Gewerkschaftsbeobachtung: Wer immer nur auf den Vorstand schaut und sich nicht die Mühe macht, auch in die Strukturen einer Gewerkschaft zu schauen, der vermittelt nicht das ganze Bild. Es reicht auch nicht aus, wenn sich Journalisten nur alle paar Jahre bei einem Streik vor dem Betriebstor blicken lassen. Die Arbeitswelt ist ein sehr unterbelichtetes Gebiet der Berichterstattung. Bis vor wenigen Jahren tummelten sich auf dem weiten Feld der Gewerkschaftsbeobachtung etwa 25 bis 30 Kolleginnen und Kollegen. Man ist sich alle naselang begegnet, hat sich ausgetauscht und war so immer im Bilde, was in den Gewerkschaften vor sich ging. Das hatte auch Vorteile für die gewerkschaftlichen Pressestellen. Solche Fachleute gibt es kaum noch. „Heute überlegen wir, ob wir vor einer Tarifrunde ein Grundlagenseminar für Journalisten anbieten“, so der Sprecher einer großen Gewerkschaft. Das inzwischen in den Redaktionen gepflegte „Generalistentum“ erfordert viel „umfassendes Halbwissen“ und trägt nicht unbedingt zur Qualitätssicherung bei. Erst recht aberwitzig wird es, wenn eine Artikelüberschrift der Plausibilitätsprüfung nicht stand hält. „Geheimtreffen zwischen SPD und Linken“ war auf zeit.de zu lesen. Dann wurde berichtet, Nachwuchspolitiker beider Parteien trafen sich zum Essen und Plaudern in einer Berliner Kneipe. Wohlgemerkt: In einer öffentlich zugänglichen Kneipe, die zudem zum Zeitpunkt des Treffens weder abgedunkelt noch mit dem Schild „Geschlossene Gesellschaft“ versehen war, wie eine der beteiligten Politikerinnen auf Nachfrage sagte. Für wie blöde halten die Zeitungsdichter die Leute eigentlich? Das schlimme daran: Fast alle Zeitungen schrieben von zeit.de ab!

Intellektuelle Selbstverteidigung

Da nun die Lage so ist, wie sie ist, stellt sich die Frage, ob die Verleger mit dem zufrieden sind, was sie an die Kioske bringen lassen. Noam Chomsky, Linguist am Massachusetts Institute of Technology, konfrontiert uns in einem seiner jüngeren Bücher „Media Control – Wie die Medien uns manipulieren“ (erschienen 2003 im Europa-Verlag Hamburg) mit einer unbequemen Medientheorie: Im Gegensatz zur Propaganda in totalitären Staaten haben sich innerhalb der bürgerlich-demokratischen Medienlandschaft eine ganze Palette von Machtmitteln entwickelt, die dafür sorgen, dass aus der Fülle von Geschehnissen auf der Welt nur die herausgegriffen werden, die in die eigene Wirklichkeitskonstruktion hinein passen. Das wird einigen von uns nicht in den Kram passen – schließlich gibt es keine „Berichterstattungsbehörde, die vorgibt, was heute zu schreiben und zu senden ist. Doch fragen lassen müssen wir uns, ob wir nicht hin und wieder den perfiden Einflüsterern auf den Leim gehen.
Abfällig nennt Chomsky Medien „Konsensfabriken“: Die Menschen bekommen das vorgesetzt, was sie angeblich hören wollen. Und Medienmanager formulieren, wie Nachrichten oder Reportagen zielgruppengerecht aufbereitet werden müssen. Dem stellt der Querdenker seine Medienpädagogik entgegen: Das Propagandamodell sei nicht so lückenlos, wie es vorgibt zu sein. Auch sei die Einseitigkeit der Medien längst nicht so weit fortgeschritten, dass es keine kritischen Stimmen mehr gebe. Der laut New York Times „bedeutendste lebende Intellektuelle“ rät zur „intellektueller Selbstverteidigung“ – wir alle müßten einen kritischen Umgang mit den Medien entwickeln. Das sei nicht allein auf dem heimischen Sofa, sondern nur in einem kollektiven Aufklärungsprozeß zu stemmen.


Online-Recherche auf dem Prüfstand

Die Qualität der Recherche steht online wie offline auf dem Prüfstand; eine Steigerung der Qualität ist hier notwendig. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Landesanstalt für Medien NRW (LfM), die am 23. Juni in Berlin vorgestellt wurde.
Marcel Machill, Markus Beiler, Martin Zenker: Journalistische Recherche im Internet. Bestandsaufnahme journalistischer Arbeitsweisen in Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen und Online, Berlin: Vistas 2008, Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, Band 60, 406 Seiten. ISBN 978-3-89158-480-4. 23,– Euro
Die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der LfM-Studie ist unter www.lfm-nrw.de


 Verschlossene Auster für das IOC

Die Verschlossene Auster, der Kritik-Preis des Netzwerks Recherche für den „Informationsblockierer des Jahres“, geht 2008 an das Internationale Olympische Komitee (IOC) und stellvertretend an Thomas Bach, den langjährigen Vizepräsidenten des IOC. Das IOC duldet seit vielen Jahren Korruption und Interessenskonflikte bei der Vergabe der Spiele. Es versucht sich zu reformieren, aber tut zu wenig, um Hinweisen und Indizien für solche Vorfälle nachzugehen und sie aufzuklären. Genehme Journalisten werden von einzelnen Verantwortlichen bevorzugt bedient. „Das IOC betreibt mit seiner Informationspolitik das Gegenteil von fair play“, sagte Dr. Thomas Leif, der Vorsitzende von Netzwerk Recherche, anlässlich der Verleihung der Verschlossenen Auster während der Jahreskonferenz der Journalistenvereinigung in Hamburg. Die Laudatio auf den Preisträger hielt der britische Sportjournalist Andrew Jennings, der seit vielen Jahren über die fragwürdigen Praktiken des IOC berichtet.
„Heute ehren wir Herrn Bach und seine Freunde vom IOC, die so hart daran arbeiten, um zusammen mit den Medien-Zensoren in Peking dem chinesischen Volk und den Athleten aus aller Welt das Recht auf freie Meinungsäußerung zu versagen“, sagte Jennings. Das IOC bestreitet die Vorwürfe in einer Stellungnahme.

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