Zeugnisverweigerungsrecht

Endlich ist es so weit: Nach mehreren vergeblichen Anläufen liegt ein Gesetzentwurf vor, der das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten erweitert. Die Reaktionen sind überwiegend positiv.

„Des weiteren wollen wir“, so hieß es im letzten Satz eines Abschnitts über Rechtspolitik im rot-grünen Koalitionsabkommen von 1998, „das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten verbessern.“ Nach gründlicher Vorbereitung und ausführlichen Beratungen mit allen Betroffenen hat Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der vom Bundeskabinett verabschiedet wurde und nun ins parlamentarische Verfahren kommt.

Der Gesetzestext ist nach allen Seiten abgeklopft und erfüllt weitgehend die Forderungen derer, die nach ihm gerufen haben. So ist es kein Wunder, dass Journalistenverbände und Verlegerorganisationen sowie der Deutsche Presserat einmütig den Entwurf befürworten – bis auf einen Punkt, mit dem sie unzufrieden sind.

Kernpunkt ist, dass in der Strafprozessordnung das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten auf selbst recherchiertes Material ausgedehnt wird. Nach der bisherigen Rechtslage dürfen Journalisten die Namen ihrer Informanten verschweigen, aber vor dem Zugriff von Staatsanwälten ist nur das geschützt, was Journalistinnen und Journalisten von Dritten anvertraut wurde. Immer wieder hatten wir Journalisten verlangt, diesen Zustand zu beenden. Denn in der Praxis konnte fremdes Material von eigenem nicht getrennt werden. Außerdem soll das neue Gesetz künftig auch für die Herstellung und Verbreitung nicht periodisch erscheinender Druckerzeugnisse wie Bücher gelten.

Die Vorsitzende der Fachgruppe Journalismus in der IG Medien, Franziska Hundseder, nannte den Entwurf einen „Gewinn für die Pressefreiheit“ und befand sich damit im Einklang mit allen anderen im Mediengewerbe. Zugleich benannte sie aber einen oft bemängelten Fehler, der im Gesetzentwurf ungelöst blieb. Denn Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Redaktionsräumen sind schon möglich, wenn bei einem Informanten oder einer anderen Person der bloße einfache Verdacht eines Vergehens vorliegt. Darum bestanden Juristen darauf, wenigstens einen „dringenden Tatverdacht“ oder einen „durch bestimmte Tatsachen begründeten“ Verdacht einzuführen, wie es auch bei der Anordnung von Untersuchungshaft oder etwa einer Telefonüberwachung vorausgesetzt wird.

Doch Däubler-Gmelin beharrte auf ihrer Fassung und sagte in einem Interview (M 3/2000), der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei „doppelt und dreifach gesichert“. Wenn die Schwelle angehoben würde, läge sie höher als bei Anklageerhebung oder Eröffnung des Hauptverfahrens, und „das würde zu grotesken Ergebnissen führen“.

Wahrscheinlich wird im Rechtsausschuss des Bundestags hierüber noch einmal kritisch diskutiert. Auch im Bundesrat sind Einwände zu erwarten. Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin findet eine Formulierung im Gesetzentwurf problematisch, in der beim Zeugnisverweigerungsrecht ein Verhältnis „des Grundrechts der Pressefreiheit“ zur „Bedeutung der Sache“ konstruiert wird. Das würden „selbst Fachleute nicht begreifen“ und führe in der Praxis zu Abgrenzungsproblemen, meinte der Minister und empfahl, einen Straftatenkatalog einzuführen.

Ganz und gar nicht einverstanden ist die FDP. Ihr Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Jörg van Essen, findet Däubler-Gmelins Vorlage „eine große Enttäuschung“ und „halbherzig“. Essen kritisierte sowohl die Regelung mit dem einfachen Tatverdacht als auch die Verhältnismäßigkeitsregel. Tatsächlich hatte die FDP einen Entwurf vorgelegt, der alle Forderungen der Journalistenverbände enthielt.

Aber die FDP ist im Parlament eine Minderheit. Und wer die Abläufe in Berlin kennt, kommt um die Vorhersage nicht herum, dass es bei dem vorliegenden Gesetzentwurf bleiben wird. Trotzdem sollte versucht werden, auf das Gesetzgebungsverfahren einzuwirken, um in den strittigen Punkten verbessernde Veränderungen zu bewirken. Juristische Kompromisse sind denkbar.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Fehlender Schutz für Journalistinnen

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di von der Politik und Arbeitgebern endlich mehr Schutz für Frauen in den Medien. Die Zahlen von Gewalttaten an Frauen sind sowohl online als auch offline gestiegen. Der Lagebericht 2023 der Bundesregierung zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten zeigt: Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität - 322 Straftaten - 56,3 Prozent mehr als noch in 2022.
mehr »